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Bananendiktat



Die EU hat ihre Regeln - jenseits von Demokratie und Transparenz. Wer diese Regeln kennt und sie sich zunutzen machen weiss, kann in hohem Masse von der EU profitieren. Wer die Lektion in Lobbying noch nicht verstanden hat, steht unter Umständen mit leeren Händen, bzw. halbleeren Bananenschachteln und - Abfüllanlagen da. So der Autor von "Bananendiktat".

von Alex C. Bauert

Das Buch liefert ein kompakte Darstellung der Funktionsweise der EU. Frankreich schützt den "einheimischen" Bananenmarkt: Gouadeloupe und anderen Karibischen Inseln wird so ein Absatzmarkt erhalten. England und Italien behandeln ihre Ex-Kolonien ebenfalls bevorzugt. In diesen Ländern werden die sogenannten AKP-Bananen angebaut. Spanien seinerseits produziert auf den kanarischen Inseln die krumme Frucht und schottete den nationalen Markt entsprechend ab. Anders sieht es in Dänemark, den Benelux-Ländern, Skandinavien und Deutschland aus: diese Staaten importieren seit Jahren sogenannte Dollar-Bananen aus Lateinamerika. In Westdeutschland liegt der Pro-Kopf-Konsum bei über 16 kg pro Jahr.

Mit der Einführung des Binnenmarktes wurden die jeweilige Abschottung der einzelstaatlichen Märkte hinfällig. Auf Druck der Länder mit AKP-Bananen und Spanien wurde folgende Regelung aufgestellt: Dollar-Bananen werden mit einem Zoll belegt. Für die ersten 2 Millionen Tonnen ein relativ niedriger, für die weiteren ein horrend hoher von ca. 170 %. Das 2-Millionen-Kontingent darf einführen, wer eine Einfuhr-Lizenz erhält. Die Lizenzen wiederum werden nicht nur an die bisherigen Importeure der Dollarbananen abgegeben, sondern auch an die Produzenten und Händler von AKP-Bananen. Letztere können aber am Verkauf von Dollar-Bananen gar kein Interesse haben, wollen sie doch mit der Bananenmarktregelung vor allem ihre eigenen Bananenmärkte vor den Dollar-Bananen schützen! Die Folge ist, dass diese Lizenzen zur Handelsware werden. Deutsche Importeure sind auf zusätzliche Einfuhren angewiesen, um ihre Schiffe, Hafen- und Reifeanlagen auch nur annähernd ausnützen zu können. Die Lizenz-Verkäufer verdienen zwischen 50 und 100 Millionen D-Mark jährlich, ohne dafür eine Leistung zu erbringen. Die Regelung vereinbarte auch Beihilfen, die den Gemeinschaftserzeugern die Preise von 1991 sichern. Der Handel in Frankreich hat schnell herausgefunden, dass man mit den Produzenten beliebig niedrige Preise vereinbaren kann, da nachher diese von der EU bis auf das 91er Preisniveau aufgestockt werden. Dieses Absahneverfahren hat sich inzwischen überall verbreitet (S. 137).

Es lohnt sich, ein kurzes Vorspiel zur Bananenmarktordnung zu erwähnen. Bevor der Ministerrat die Vorlage für diese Regelung verabschiedet hatte, änderte er den Vorschlag der Kommission ab. Auf Grund dieser Aenderung hätte die Kommission laut EU-Recht sich nochmals dazu zu äussern dürfen. Dieses Recht wurde ihr jedoch vom Ministerrat verweigert. Der Verfahrensfehler wurde vom EU-Gerichtshof (EUGh) nicht als Grund für die Ungültigkeit der Bananenmarktordnung anerkannt.

Doch zurück zur Bananenmarktordnung selber. Deutscher Bananengrosshändler, Neoliberalist und CDU-Mitglied Bern Artin Wessels wehrt sich seit einiger Zeit gegen die Bananenregelung, da für die deutschen Bananengrossverteiler einige hundert Millionen Investitionen auf dem Spiel stehen. Das hier besprochene Buch wurde uns ohne Bestellung zugesandt. Im Buch macht der Autor Werbung gegen die Bananenmarktordnung und wiederholt dauernd das Hohelied des freien Marktes, der allen Wohlstand und Arbeit sichert. Wessels kritisiert die BRD aufs schärfste, weil die deutschen VertreterInnen nicht wie die französischen KollegenInnen über einen kompetenten MitarbeiterInnenstab verfügten. Die Franzosen haben anscheinend deutlich besser begriffen, dass die EU ein Marktprojekt ist, das denen Gewinne bringt, welche die ihnen günstigen Rahmenbedingungen durchdrücken können, und sie investieren entsprechend Geld in die Verhandlungen.

Trotz all seinen Kontakten bis in die deutsche Regierung und in die Brüsseler Bürokratie hinein, sowie dem Einsatz von mehreren Millionen D-Mark für Rechtsanwälte, Inserate und Kampagnen ist es ihm nicht gelungen, sich in Brüssel durchzusetzen. Dazu wäre zusätzlich nötig gewesen, in mehreren EU-Ländern die jeweiligen Regierungen auf den gewünschten Kurs zu bringen. Das Buch weist auch darauf hin, dass die Bananenmarktordnung den GATT-Regelungen widerspricht, da die Zölle höher als 20 % sind. Die Klage der lateinamerikanischen Länder, die Dollarbananen produzieren, versuchte die Kommission durch die Vergabe von Spezialeinfuhrquoten für jene Länder, die im Rahmen des GATT/WTO klageberechtigt sind, zuvorzukommen. Auf Druck der US-Bananenmultis könnte es nun zu GATT-konformen Vergeltungsmassnahmen der USA kommen.

Die deutschen Importeure klagten vor dem EU-Gerichtshof (EUGh) die Verletzung des GATT-Vertrages ein, wurden aber abgewiesen, da sie "nicht direkt betroffen" seien. Als dann der deutsche Staat mit der gleichen Klage an den EUGh gelangte, wurde der Verstoss gegen die GATT-Regelungen als nicht-relevant bezeichnet. Während die EU den freien Markt im Innern fördert und propagiert, schottet sie sich Wirklichkeit gegen aussen ab. Die deutschen Bananenhändler versuchen im Augenblick, vor Deutschen Gerichten Ihre Interessen durchzusetzen. Dabei hoffen sie auf die Klausel des Maastrichter-Vertrages, der den Vorrang früher abgeschlossener Verträge anerkennt.

In der Zwischenzeit verdienen sich gewisse Leute weiterhin eine goldene Nase mit dem Handel von Einfuhrlizenzen von Bananen - Leute, die mit dem Import von Bananen nicht das geringste zu tun haben. Das Buch beschreibt auch die Mechanismen im Vorfeld der Unterzeichnung des GATT-/WTO-Vertrages. Es wird sehr deutlich: nur wer über die nötigen Beziehungen und gleichzeitig über grosse finanzielle Ressourcen verfügt, kann sich in diesem nicht demokratisch kontrollierten Rahmen durchsetzen.

B. Wessels, Das Bananendiktat, Plädoyer für einen freien Aussenhandel Europas, Campus, Frankfurt 1995).

Die Anekdote: Freund Helmut solle sich was schämen, wird da Jacques Chirac zitiert. Ob er denn nicht wisse, dass in den Ländern, in denen die Deutschen ihre Bananen kaufen, in Ecuador etwa, "die übelsten Kolonialsysteme nach-kolumbianischer Zeit herrschten"."Moral ist eine Sache", antwortete Kohl nach den Notizen seiner Beamten dem lieben Jacques leicht gereizt, aber "Geschäft eine andere". Und im übrigen müsse der Freund einsehen, dass er mit seiner Bananenpolitik die Deutschen hart treffe (Spiegel 34/95).

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