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Die UNO und die Agenda der Multis



Es war ein richtiger Power-Lunch mit Hummer und einem exotischen Pilzsalat * in einem nicht-öffentlichen Essraum bei den Vereinten Nationen am 24. Juni 1997. Vom Botschafter Razali Ismail, Präsident der UN-Generalversammlung und Herr Bjorn Stigson, Direktor des World Business Council on Sustainable Development * WBCSD (Weltrates der Wirtschaft für nachhaltige Entwicklung) wurden 37 eingeladene Teilnehmer gastlich empfangen. Es sollten Schritte hin zur Ausarbeitung von Richtlinien für die Partizipation der Wirtschaft am politischen Prozess der UNO und für die Partnerschaft bei der Verwendung der UNO-Entwicklungsmittel analysiert werden. Die Mitspieler des Treffens waren 15 hochrangige Regierungsvertreter, einschliesslich dreier Staatsoberhäupter, dem Generalsekretär der UNO, dem administrativen Leiter des UNO-Programms für Umwelt und Entwicklung (UNDP) und dem UN-Untergeneralsekretär, Präsident der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung, dem Generalsekretär der internationalen Handelskammer und 10 Vertretern von Multis. Letztere waren im allgemeinen Mitglieder des WBCSD, ein Rat von Multis, der ursprünglich von Stephan Schmidheiny und Maurice Strong organisiert wurde, um die Interessen der Multis bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 zu vertreten.

von David C. Korten, The people-centerd Development Forum, Washington

Mit einer nicht sehr weitreichenden Geste, die Transparenz und "multi-stakeholder"-Beteiligung symbolisieren sollte, wurden zwei "Akademiker" sowie zwei Vertreterinnen von Nicht-Regierungs-Organisiationsn (NGO) zum Treffen der UNO mit den Vertretern der Multis eingeladen. Die Akademiker waren Jonathan Lash vom World Resources Institute und ich selber. Chee Yoke Ling vom Dritte Welt-Netzwerk und Victoria "Vicki" Tauli-Corpuz vom Netzwerk indigener Völker, Philippinen, waren die Vertreterinnen der NGOs.

Das Resultat des Treffens war vorherbestimmt. Es schloss mit einer Rede von Botschafter Razali. Er kündigte an, dass ein Rahmentwurf für den Einbezug der multinationalen Konzerne in den UN-Entscheidungsprozess ausgearbeitet würde * unter der Ägide der Kommission für nachhaltige Entwicklung. Die Vorschläge der Regierungsvertreter und der Vertreter der Multis traffen mich * so als ob sie das Ausmass aufdeckten, in dem die meisten Forderungen der NGOs an die UNO, an ihre Regierungsmitglieder bei der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) und an andere UNO-Konferenzen auf taube Ohren gefallen sind. Positiv zu vermerken war die Forderung von Thorbejoern Jagland, norwegischer Premierminister, nach einer Verlagerung der Steuern, um umweltschädigenden Konsum zu belasten. Sowohl Frau Clare Short, britische Staatssekretärin für internationale Entwicklung und Frau Margaret De Boer, Umweltministerin der Niederlande, riefen dazu auf, der Abschaffung der Armut eine hohe Priorität einzuräumen.

Frau Chee Yoke Ling als NGO-Vertreterin sprach eloquent über die wachsende Konzentration des von den Multis angehäuften Reichtums und über den unrealistischen Wunsch der Multis, eine weltweite Konsumgesellschaft zu schaffen. Sie bemerkte, dass es nicht genügend Ressourcen auf der Welt hat, um jedermann ein Leben auf dem Konsumniveau des durchschnittlichen Malayen zu erlauben, nicht zu reden vom Konsumstandard der Vereinigten Staaten oder Europas. Sie betonte zudem, dass die Menschen bezüglich des angeblichen Wunsches der Multis, eine nachhaltige Entwicklung anzustreben, zunehmend ungläubig reagierten. Dies umso mehr, als in Foren, die durch Multis dominiert werden, wie der WTO, diese nur von ihren Rechten, nicht jedoch von ihren Verpflichtungen redeten.

Solche erhellenden Augenblicke waren die Ausnahme. Weniger erhellend demgegenüber etwa die Ansichten von Mr. Samuel Hinds, Präsident von Guyana. Er war der einzige Sprecher, der auf das Votum von Chee Yoke Ling überhaupt einging und er wies es kräftig zurück. Er warf den NGOs vor, sie würden das Volk beunruhigen, indem sie versuchten, im Namen des Umweltschutzes die Entwicklung zu stoppen, die das Volk so verzweifelt wolle. Er meinte zudem, wenn er nicht die Wälder seines Landes schlagen lasse, könnte jemand in diesen Hanf anpflanzen.

Die Vereinigten Staaten sandten als Vertreter Larry Summers, Sekretär des Finanzamtes, an den Lunch. Die Clinton Administration hätte kaum eine klarere Botschaft bezüglich des Verhältnisses zwischen ihren Verpflichtungen zur Nachhaltigkeit einerseits und den Multis anderseits senden können. Summers erlangte als ehemaliger Chefökonom der Weltbank zweifelhaften öffentlichen Ruhm dafür, dass er das vermehrte Verschiffen von giftigem Müll in Länder mit tiefem Einkommen forderte. Begründung: die Menschen dort würden sowieso früh wegsterben und hätten weniger Einkommen, so dass ihr Leben weniger Wert habe. Summers überschüttete die Gäste mit einer Litanei von neoliberalen Platitüden. Er lobte Privatisierungen, mit der Begründung, die Menschen würden mehr Sorge zu ihrem Haus tragen, wenn es ihnen gehörte: Umweltressourcen würde entsprechend besser Sorge getragen, wenn sie alle durch die Multis kontrolliert würden. Er versicherte uns, wirtschaftliches Wachstum würde den Willen wie die Mittel zu einem umweltfreundlichen Verhalten bereitstellen. Mit anderen Worten glaubt er, dass je mehr eine Person konsumiert, desto sorgfältiger diese mit der Umwelt umgehen wird. Und er bemerkte, dass durch die Bereitstellung von Brücken und Strassen durch privates ausländisches Kapital und dessen Rentabilisierung über Strassenzölle, das Bedürfnis der Nutzung öffentlicher Gelder für die Schaffung von Infrastrukturen beseitigt werden. Er hätte ebensogut als weiteren Vorteil hinzufügen können, dass das vorgeschlagene System garantiere, dass Brücken und Strassen weniger überfüllt als öffentlichen Anlagen sein werden, da die Zölle deren Benutzung durch die Armen ausschliessen wird.

Kofi Annann, Generalsekräter der UNO, gab den Vertretern der Multis einen warmen Willkommensgruss. Seine Botschaft: er sehe viele Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit der UNO und der Multis auf vielen Ebenen. Er nahm Bezug auf die Konferenz von Rio als ein Beispiel für die Partizipation des privaten Sektors bei der Ausarbeitung von Standards. Er stellt dies als Alternativmodell zur Regulierung durch die UNO oder durch Regierungen dar. Er erwähnte natürlich nicht, dass die Teilnahme der Multis in Rio daran mitschuldig war, dass nur wenige Standards erlassen wurden und noch weniger seither erfüllt wurden. Er rief den privaten Sektor dazu auf, alternative Energiequellen zu finden, damit die Armen "nicht jeden Baum in Sichtweite schlagen müssen". Er erwähnte demgegenüber mit keinem Wort das Umgehen der Multis mit den Wäldern der Welt. Er lobte die UNDP für ihre Rolle bei der Vorbereitung des Privatinvestitionsflusses in die Länder der Dritten Welt und er rief die Regierungen auf, Anreize bereitzustellen, um Firmen in diese Richtung zu lenken: kurz, er ist darauf versessen, Gelder der UN und andere öffentliche Gelder dazu zu verwenden, den wirtschaftlichen Ausverkauf der Ökonomien der Dritten Welt zu subventionieren.

Gus Speth, Vertreter der UNDP-Administration, meinte, die einzige Hoffnung für die 3 Milliarden Menschen in der Welt, die mit weniger als 2 Dollar pro Tag lebten, bestehe darin, sich in den Markt zu integrieren. Dies müsse durch ein Anwachsen privater Investitionen in den Länder mit tiefen Einkommen erfolgen. Die UNDP erleichtert anscheinend diesen Prozess, indem die eigenen Mittel vorrangig dazu verwendet werden, um fremde, private Investoren anzuziehen, sprich zu subventionieren. Er erwähnte, dass Frieden und Gerechtigkeit eine spezifische Art der Entwicklung verlangten. Er unterliess es aber, diese Art zu spezifizieren.

Alle, die reden durften * mit der Ausnahme der NGO-Sprecherin Chee Yoke Ling * käuten die neoliberale Logik der Deregulierung der Märkte und der wirtschaftlichen Globalisierung wieder. Der vorherrschenden offiziellen Weisheit entsprechend ist die wirtschaftliche Globalisierung und die wirtschaftliche Herrschaft der Multis eine irreversible Realität, der man sich einfach anpassen muss. Da die Multis das Geld und die Macht haben, muss jeder realistische Zugang zur Lösung der Armut und der Umweltprobleme sich darauf konzentrieren, wirtschaftliche Anreize (lies öffentliche Subventionen) zu liefern, so dass die Multis es profitabel finden, in Arbeitsbeschaffung und umweltfreundliche Technologien zu investieren. Gemäss dieser seltsamen offiziellen Logik folgt daraus, dass die Multis als Partner in die öffentlichen Entscheidungsprozesse integriert werden müssen, damit die Politik deren Bedürfnisse entsprechen kann. Wenn irgend ein Sprecher ausser Chee Yoke Ling irgendein Problem darin sah, dass man den Multis noch mehr Macht geben sollte, dann wussten sie es an diesem Lunch zu verschweigen.

Jene unter uns, die das Thema "Entwickung und Multis" seit langem beschäftigt, kennen seit langem die starke Anlehnung der WTO, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds an die Agenda der Multis. Im Gegensatz dazu schien die UNO eine offenere, demokratischere Institution zu sein. Was ich so stossend fand, war die starke Evidenz für die Tatsache, dass die Unterschiede, die ich der UNO zugeschrieben hatte, im Grossen und ganzen kosmetischer Art zu sein scheinen. Alle unsere offiziellen Foren funktionieren offenbar im Rahmen einer Kultur des ideologischen Dogmatismus, den der internationale Financier George Soros in seinem Artikel im Atlantic Monthly so deutlich denunzierte (The Capitalist Threat). Solche jeweils bald vergessenen abweichende Stimmen stellen allerdings keine Herausforderung der einseitigen Logik in den Hallen der Macht dar.

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