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Kurzinfos April 2015

Schnüffelmaschinen für EU-Grenzen

Fast sechzig Millionen Menschen befinden sich nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR zurzeit weltweit auf der Flucht. Alleine im ersten Halbjahr 2014 kamen 5,5 Millionen neue Flüchtlinge hinzu. Und obwohl mit 600 000 Asylgesuchen nur ein Bruchteil in Europa landet (in der Schweiz sind es 24 000), werden die europäischen Aussengrenzen immer weiter militärisch aufgerüstet. Hinter dieser politisch geförderten Aufrüstung verbirgt sich ein millionenschwerer Geldsegen für Rüstungs- und Technologiebetriebe. Aber auch Forschungsabteilungen an technischen Universitäten profitieren von den EU-Geldern und entwickeln so laufend neue Produkte.

Verantwortlich für die europäischen Aussengrenzen ist die Grenzschutzagentur Frontex. Wie Recherchen der WOZ zeigen, profitiert sie dabei von tatkräftiger Unterstützung aus der Schweiz. Ein konkretes Beispiel ist das Labor für Sensoren, Antriebe und Mikrosysteme (Samlab), das zur ETH Lausanne (EPFL) gehört. Das Labor ist am sogenannten Sniffer-Projekt beteiligt, dessen erklärtes Ziel eine mit Biosensoren ausgerüstete Schnüffelmaschine ist. Sniffer soll künftig die bisher von Frontex eingesetzten Spürhunde ergänzen. Denn Spürhunde weisen eine Reihe von Nachteilen auf, wie es auf der Projektwebsite heisst: «Hunde können nur eine kleine Auswahl von bestimmten Düften erschnüffeln, sie werden rasch müde und in der Öffentlichkeit als aufdringlich wahrgenommen.» Diese Defizite soll das Sniffer-Projekt beheben, wenn es für die GrenzschützerInnen darum geht, «illegale Substanzen in Koffern und Reisegürteln oder in Schiffscontainern versteckte Menschen zu suchen». Ein Pressesprecher der EPFL bestätigt gegenüber der WOZ die Beteiligung an Sniffer – die Projektverantwortlichen selbst waren reisebedingt nicht erreichbar. Das Samlab war gemäss EPFL für eine bestimmte Komponente zuständig, die «wie ein Schwamm funktioniert, wo ein bestimmter Duft so lange konzentriert wird, bis er klar bestimmbar ist». Für das Projekt sei ein Samlab-Forscher zu hundert Prozent angestellt, ausserdem arbeite ein Teamleiter im Teilzeitpensum mit, vor allem im organisatorischen Bereich. Das EPFL-Labor spiele in Bezug auf Sniffer aber keine zentrale Rolle, teilt der Pressesprecher mit.

Ein Blick auf die Verteilung der 3,5 Millionen Euro, die die EU im Februar 2012 für das insgesamt 5 Millionen Euro teure Projekt gesprochen hat, deutet aber darauf hin, dass die Samlab-Beteiligung gewichtiger ist, als die EPFL zugeben mag: Das Labor erhielt 361 000 Euro – die vierthöchste Summe von allen fünzehn beteiligten Firmen und Institutionen, zu denen auch Airbus Defence and Space, das französische Innenministerium sowie das israelische Ministerium für öffentliche Sicherheit gehören. Letztes Jahr ist Sniffer an der jährlich in Warschau stattfindenden Frontex-Messe möglichen KundInnen vorgestellt worden. Im kommenden Monat wird die künstliche Schnüffelmaschine in Paris der breiten Öffentlichkeit präsentiert, nachdem im März die Sniffer-Generalprobe im Athener Flughafen stattgefunden hatte.

Neben Sniffer gibt es vier weitere EU-subventionierte Grenzschutzprojekte mit Schweizer Beteiligung. Das mit Abstand grösste heisst «Perseus». Für das geplante europaweite Kontrollsystem sprach die EU 2011 fast 28 Millionen Euro, wovon 430 500 Euro an die Zuger Softwarefirma DFRC AG gingen. Für weitere drei Projekte (Cassandra, Contain und Logsec) im Bereich der Überwachung von Versorgungsketten (zum Beispiel von Schiffscontainern) erhielten das unabhängige Waadtländer Forschungsinstitut Cross-border Research Association 761 000 Euro, das Genfer Dienstleistungsunternehmen Conceptivity 499 000 Euro und die Eidgenössische Zollverwaltung 38 000 Euro. WoZ, 9. April 2015, S. 2



Kein provisorisches Stromabkommen

Die EU bleibt dabei: Neue Marktzugangsabkommen wie im Energie- oder allenfalls im Dienstleistungsbereich sind für die Schweiz erst nach Abschluss eines Abkommens zu den institutionellen Fragen zu haben. Zwei Brüsseler Quellen bestätigten Medienberichte, wonach dies das Ergebnis einer Sitzung von Vertretern der Generaldirektionen der EU-Kommission von letzter Woche gewesen sei. Damit haben sich die Hoffnungen zerschlagen, die Schweizer Strombranche könnte über ein provisorisches Stromabkommen unter Ausklammerung der institutionellen Fragen bis Ende 2016 Zugang zu der neuen EU-Strombörse erhalten. EU-intern hatten Vertreter der Generaldirektion für Energie von Kommissar Miguel Cañete für ein solches Vorgehen geweibelt. Sie hatten argumentiert, dass sich die Schweiz ohnehin bis Ende 2016 mit der EU auf die Regelung der institutionellen Fragen wie der Streitbeilegung einigen müsse, weshalb einem provisorischen Abkommen nichts im Wege stehe.

Eine solche Lösung war Gegenstand medialer Spekulationen gewesen, doch nüchterne Beobachter hatten stets vor Optimismus gewarnt. Erwartungsgemäss haben sich EU-intern der Rechtsdienst und der Auswärtige Dienst durchgesetzt – womit die EU ihre Haltung bekräftigt. Demnach wäre der Abschluss eines Stromabkommens bis im Sommer nur möglich, wenn darin die institutionellen Fragen geregelt würden, was eine Präzedenzwirkung für das geplante Rahmenabkommen hätte und darum stets als sehr unrealistisch galt. Obwohl die EU-Generaldirektion Energie das Stromabkommen auf technischer Ebene offenbar zu Ende verhandeln will, ist ein Abschluss in weite Ferne gerückt. Für die Schweiz hätte ein provisorisches Abkommen ohnehin auch Risiken mit sich gebracht, da man die Integrationsschritte hätte rückgängig machen müssen, wenn bis Ende 2016 kein institutionelles Abkommen in Griffweite gelegen wäre. Auswirkungen hat der Entscheid auch auf ein allfälliges Finanzdienstleistungsabkommen, zu dem es vorabklärende Gespräche gab, aber nun keine exploratorischen Gespräche aufgenommen werden können. Damit präsentiert sich die Situation für die Schweiz unverändert: Bevor in weiteren Bereichen eine Teilnahme am Binnenmarkt möglich ist, muss eine Lösung zur Personenfreizügigkeit gefunden und ein institutionelles Abkommen abgeschlossen werden. Zu den institutionellen Fragen wird vor den Wahlen keine Bewegung erwartet. Und aus den von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga und EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker vereinbarten Konsultationen zur Freizügigkeit sind bisher keine Signale über Fortschritte an die Öffentlichkeit gedrungen. NZZ, 27. April 2015, S. 11


Der Gerichtshof der EU beschränkt die Klagerechte von Umweltorganisationen auf EU-Ebene

Nach dem Übereinkommen von Aarhus ist es der Öffentlichkeit erlaubt, „Handlungen“, die gegen Umweltrecht verstoßen, vor Gericht anzufechten. Für den EU-Gesetzgeber sind darunter aber nur Maßnahmen des Umweltrechts „zur Regelung des Einzelfalls“ zu verstehen. Laut Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Januar 2015 ist diese Beschränkung zulässig.

Mit dem Aarhus-Übereinkommen, das im Oktober 2001 in Kraft trat, wurden die Vertragsparteien verpflichtet, den Mitgliedern der Öffentlichkeit neben einem Recht auf Zugang zu Umweltinformationen und einem Recht auf Beteiligung an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren, auch – und das ist ein Novum im Umweltvölkerrecht – einen angemessenen und effektiven Zugang zu Gerichten einzuräumen.

Nach wie vor sind jedoch die Bestimmungen über den Zugang zu Gerichten jene, die in der Umsetzungspraxis am problematischsten sind. Die Rede ist vor allem vom „Sorgenkind“ Artikel 9 Absatz 3 des Aarhus-Übereinkommens. Demzufolge hat jede Vertragspartei sicherzustellen, dass „Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“. Nicht nur verlangt die Aarhus-Konvention damit einen weiten, von eigenen Rechtsansprüchen möglichst losgelösten Zugang zu Gerichten. Der Rechtsschutz ist auch generell für sämtliche Verstöße gegen innerstaatliches Umweltrecht sicherzustellen.

Sowohl die EU als auch deren Mitgliedstaaten sind als Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens zu einer konventionskonformen Umsetzung verpflichtet. In Bezug auf ihre eigenen Organe und Einrichtungen hat die EU die Access-to-Justice-Bestimmungen, also die, die den Zugang zu Gerichten betreffen, des Aarhus-Übereinkommens mit der sogenannten Aarhus-Verordnung umgesetzt beziehungsweise – aus Perspektive der Umweltorganisationen (NGOs) – umzusetzen versucht.

Das in Artikel 10 der Aarhus-Verordnung vorgesehene interne Überprüfungsverfahren ist zwingend zu durchlaufen, bevor eine NGO eine gerichtliche Klage vor dem Gerichtshof der EU (EuGH) anstrengen kann. Es soll den betroffenen EU-Organen beziehungsweise EU-Einrichtungen die Möglichkeit einräumen, ihre (nicht) getroffenen Entscheidungen einer eigenen Überprüfung zu unterziehen, bevor es zu einem Verfahren vor dem EuGH kommt. Gleichzeitig soll der antragstellenden NGO durch eine an sie gerichtete nicht stattgebende Antwort des EU-Organs oder der EU-Institution die für eine Klagebefugnis vor dem Gerichtshof geforderte unmittelbare und individuelle Betroffenheit vermittelt werden. Das sind Zulässigkeitskriterien, an denen NGOs, die zumeist aufgrund eines ideellen Interesses am Umweltschutz und seltener aufgrund einer direkt an sie adressierten Entscheidung handeln, bis dato stets gescheitert waren.

Der Haken des internen Überprüfungsverfahrens: Es steht nur in Bezug auf „Verwaltungsakte“ offen, als welche die Aarhus-Verordnung nur „Maßnahme(n) des Umweltrechts zur Regelung des Einzelfalls“ definiert; eine Beschränkung, die sich dem Aarhus-Übereinkommen nicht entnehmen lässt. Die dadurch äußerst beschränkte Tragweite der Bestimmung ist offenkundig: Bislang wurden Anträge von NGOs auf Durchführung eines internen Überprüfungsverfahrens aus diesem Grund lediglich in drei Fällen, nämlich im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen für zulässig erklärt. Nach Analysen der Umweltorganisation ClientEarth waren bis dato 27 Anträge bei der Kommission eingegangen. Das Gros der EU-Umweltrechtsmaßnahmen mit generellem Adressatenkreis bleibt der Anfechtbarkeit für NGOs entzogen.

NGOs legten gegen diese Beschränkung auf Verwaltungsakte in zwei Anlassfällen Beschwerde ein. Eine Beschwerde richtete die NGO Vereniging Milieudefensie gegen eine Entscheidung der EU-Kommission ein, mit der die Kommission den Niederlanden eine zeitlich begrenzte Ausnahme von den Verpflichtungen aus der Luftqualitätsrichtlinie bewilligt hatte. Die zweite betraf den Fall der Natur- und Umweltschutzorganisation Stichting Natuur en Milieu und des Pestizid Aktions-Netzwerks PAN Europe, die eine Verordnung der Kommission angefochten hatten, mit der Höchtsgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs festgelegt wurden.

Nachdem das Gericht der Europäischen Union (EuG) in erster Instanz den von den NGOs erhobenen Nichtigkeitsklagen stattgegeben hatte, weil es diese Beschränkung für nicht mit Ziel und Gegenstand des Aarhus-Übereinkommens im Einklang hielt, gab der EuGH den von Rat, Kommission und Parlament eingelegten Rechtsmitteln statt und hob die Urteile des EuG auf. Begründend führte der EuGH dazu im Wesentlichen an, dass Artikel 9 Absatz 3 „keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung“ enthalte und darüber hinaus – entgegen der Annahme des EuG – keine Ausnahme zum Tragen komme, die es ermögliche, die Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens direkt zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aarhus-Verordnung heranzuziehen.

Die in diesen beiden Anlassfällen ergangenen Urteile des EuGH vom 13. Januar 2015 (Rechtssache C-404/12 P u C-405/12P: www.kurzlink.de/eugh-stichting1.2015 und Rechtssache C-401/12 P: www.kurzlink.de/eugh-milieudef1.2015) machen klar: Das in den letzten Jahren progressiv entwickelte Case Law (Fallrecht: Rechtsordnung, die auf richterlicher Entscheidung konkreter Fälle beruht. Die Rechtsfindung stützt sich primär auf frühere Rechtsprechung vergleichbarer Fälle, red) hinsichtlich der Umsetzung der Access-to-Justice-Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens durch die EU-Mitgliedstaaten ist offenbar nicht in gleicher Weise auf die Umsetzungsanforderungen umzulegen, die für die EU-Institutionen gelten. Das ist eine Bevorzugung der Vertragspartei EU, die sich völkerrechtlich nicht rechtfertigen lässt. Insbesondere versäumt der EuGH auch eine ganzheitliche Betrachtung seines Case Law: Etwa die Prüfung der Übertragbarkeit des ganz zentralen Biotech-Falls, worin der EuGH mit Bezug auf das Aarhus-Übereinkommen über die biologische Vielfalt entschieden hatte, dass „auch wenn die Bestimmungen dieses Übereinkommens, … , keine unmittelbare Wirkung haben, …“, dies „den Richter … nicht daran (hindert), die Einhaltung der Verpflichtungen zu prüfen, die der Gemeinschaft als Vertragspartei obliegen“.

Letztlich bleibt der EuGH auch eine Auseinandersetzung mit der Frage des potenziell „gemischten Charakters“ von Artikel 9 Absatz 3 des Aarhus-Übereinkommens schuldig. Also der Frage, ob sich aus dem Inhalt der Bestimmung nicht Teile heraustrennen lassen, die unbedingt und hinreichend klar sind. Wie bereits gerichtlich entschieden, haben die Vertragsparteien einen Umsetzungsspielraum hinsichtlich des Kreises der anfechtungsberechtigten „Mitglieder der Öffentlichkeit“. Ob dies auch auf den Begriff der „Handlungen“ zutrifft, sei dahingestellt. Das Aarhus-Übereinkommen lässt nur eine Ausnahme für jene umweltrechtswidrigen Handlungen erkennen, die von Einrichtungen stammen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft gehandelt haben. Eine darüber hinausgehende Einschränkung lässt sich auch den bisherigen Feststellungen des Beschwerdeausschusses Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) nicht entnehmen.

Der EuGH verweist darauf, dass das interne Überprüfungsverfahren nach der Aarhus-Verordnung ja nur einer der Rechtsbehelfe sei, die dem Einzelnen zur Verfügung stünden, um die Einhaltung des Umweltrechts der Union zu erwirken. Als Alternative zu diskutieren wäre das Ausweichen auf die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“, eine Möglichkeit, die neu mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt wurde. Damit wird zwar ein Anwendungsbereich für die Bekämpfung nicht legislativer Akte allgemeiner Geltung eröffnet, aber für eine Klagebefugnis wird weiterhin keine „individuelle“, sondern eine „unmittelbare“ Betroffenheit verlangt. Da die unmittelbare Betroffenheit ein bestehendes betroffenes Recht voraussetzt, ist – sollte der EuGH seine diesbezüglich restriktive Linie der Rechtsprechung beibehalten – bereits jetzt absehbar, auf welche Schwierigkeiten der Nachweis für NGOs im Einzelfall stoßen wird.

Auch mit einem Vorabentscheidungsverfahren, im Zuge dessen das EuGH nebenbei die Rechtmäßigkeit von EUGesetzen überprüfen kann, ist ein fehlender Access-to-Justice nicht zu kompensieren. Das bestätigte auch das ACCC im Beschwerdefall gegen die EU. Dies trifft umso mehr zu, zumal der Zugang zu nationalen Gerichten in Umweltsachen für NGOs im Anwendungsbereich des Artikels 9 Absatz 3 nach wie vor bei Weitem nicht in allen Umweltrechtsmaterien umgesetzt ist. Verzögernd dürfte sich hier auch die nach wie vor offene Verabschiedung einer EU-Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auswirken. Derzeit sind keine Rechtsbehelfe in Sicht, die eine Kompensation für die Ausnahme der generellen Umweltrechtsmaßnahmen aus dem internen Überprüfungsverfahren vermitteln könnten. Umwelt aktuell, April 2015, S. 2


Sorgen um Wirtschaftsverträge wegen Initiative «Landesrecht vor Völkerrecht»

Laut Kritikern würde sich die Schweiz mit der Annahme der SVP-Initiative eine gewichtige Hypothek bei ihrem Streben nach Freihandelsabkommen oder andern Wirtschaftsverträgen aufhalsen.

Seit März 15 läuft die Unterschriftensammlung für die neuste SVP-Initiative, welche den Vorrang der Bundesverfassung über das Völkerrecht ausdrücklich verankern will. In der innenpolitischen Debatte standen bisher Fragen der Menschenrechte und besonders zur Rolle der Europäischen Menschenrechtskonvention im Zentrum. Die Initiative berührt aber auch handfeste Wirtschaftsinteressen. Zumindest lässt sich dies aus der Tatsache schliessen, dass Wirtschaftskreise sowie die FDP deutlich Sorgen anmelden. Laut diesen Kritikern würde sich die Schweiz mit der Annahme der Initiative eine gewichtige Hypothek bei ihrem Streben nach Freihandelsabkommen oder andern Wirtschaftsverträgen aufhalsen.

Diese Interpretation teilen diverse Juristen. Dazu zählen etwa der frühere Bundesrichter Giusep Nay, die Basler Rechtsprofessorin Christa Tobler und der St. Galler Rechtsprofessor Bernhard Ehrenzeller. Die Lesart dieser Juristen geht etwa so: Wenn die Schweiz bei den Diskussionen um einen Vertrag schon zu Beginn festhalte, dass sie den Vertrag unter Umständen gar nicht einhalten wolle, dann schaffe dies erhebliche Rechtsunsicherheit, schade der Schweizer Glaubwürdigkeit und schrecke potenzielle Vertragspartner ab.

Man kann dem entgegenhalten, dass der Bundesrat schon bisher keinen Vertrag unterzeichnete, wenn dieser der Bundesverfassung widersprach. «Doch was ist, wenn man einen solchen Widerspruch erst im Nachhinein merkt oder sich das hiesige Recht beziehungsweise dessen Interpretation verändert?», ist als Einspruch aus der Juristenzunft zu hören. Die völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz bliebe auch in einem solchen Fall bestehen, aber Verträge haben meist Kündigungsregeln. Eine Illustration liefert das Volks-Ja zur Einwanderungsinitiative im Februar 2014. Die vertraglichen Verpflichtungen der Schweiz aus dem Abkommen zur Personenfreizügigkeit bleiben bestehen, doch der Bundesrat muss gemäss Verfassungsauftrag zunächst versuchen, den Vertrag neu zu verhandeln, und wenn das nicht gelingt, ist eine Kündigung möglich – mit allen Konsequenzen.

Die Annahme der neusten SVP-Initiative würde an einem solchen Szenario im Prinzip nichts ändern. Die Initiative verlangt, dass bei einem Widerspruch zwischen völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Bundesverfassung die Schweizer Behörden die Verpflichtungen «anpassen» müssen; dies dürfte zunächst durch den Versuch von Neuverhandlungen geschehen, doch «nötigenfalls» wären laut Initiative die betreffenden Verträge zu kündigen.

Das Argument, wonach die Schweiz bei Annahme der neusten SVP-Initiative nur noch erschwert Freihandelsabkommen abschliessen könnte, will der Vater des Initiativkonzepts, der Zürcher SVP-Kantonsrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt, nicht gelten lassen. Er betont, dass die Möglichkeit der Kündigung nichts Neues sei: «Freihandelsabkommen sind kündbar, sei es, weil sie wie jeder gute Vertrag eine Kündigungsregelung enthalten, sei es aufgrund der allgemeinen Regeln des Völkerrechts.» Die Diskussion um Wirtschaftsverträge ist für die SVP im Vergleich zu jener um die Menschenrechte innenpolitisch heikler, weil sie das Image einer Partei, die der Wirtschaft schadet, als besonders schädlich empfände.

Laut Initiativtext wäre nebst den Bundesgesetzen nicht mehr generell das Völkerrecht für das Bundesgericht und andere rechtsanwendende Behörden massgebend, sondern nur noch völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterstanden. Laut Experten war ein Grossteil der bestehenden völkerrechtlichen Verträge, darunter auch die meisten Freihandelsabkommen, nicht dem Referendum unterstellt. Bei Konflikten mit der Verfassung dürfte das Bundesgericht somit solche Verträge nicht mehr anwenden, wie der emeritierte Zürcher Staatsrechtsprofessor Andreas Auer sagt. Die praktische Wirkung wäre aber möglicherweise gering, weil Handelsabkommen oder andere Staatsverträge laut Auer nicht direkt beim Bundesgericht einklagbar sind.

Wie Fachleute betonen, sind Staatsverträge im Gegensatz zur Schweiz in vielen Ländern wie etwa Deutschland, Grossbritannien und den USA nicht direkt anwendbar, sondern erfordern eine nationale Rechtsumsetzung. Diese Hürde scheint den Zugang solcher Länder zu Handelsabkommen nicht massiv behindert zu haben. NZZ, 8. April 2015, S. 23

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