Übersicht Dossiers Europäische Union Politische Parteien, Verbände, Bewegungen und die EU „The long global war“ und die Schweizer Linke„Erhaltung und Ausbau der riesigen Militärmaschinerie lassen nur einen Schluss zu: mit ihr sollen wichtige Rohstoffgebiete und strategische Schlüsselgebiete dieser Erde kontrolliert und schlussendlich die Weltherrschaft erlangt und erhalten werden.“ (Albert A. Stahel, Professor an der Militärakademie der Universität Zürich, in: ASMZ, 6 / 2006)
Von Josef Lang, Historiker, Nationalrat Alternative Kanton Zug, Vertreter der Grünen Fraktion in der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK); GSoA-Vorstand
Es war ausgerechnet die von der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG)
herausgegebene Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift (ASMZ), welche den im Februar 2006 vom USamerikanischen Verteidigungsministerium veröffentlichten „Quadrennial Defense Review Report“ (QDR) am kritischsten vorstellte. Der Report selber spricht über weite Teile ungeheuchelten Klartext. So hält dessen Herausgeber, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, unter dem Titel „The Long War“ unmissverständlich fest, worum es bei diesem geht: „Dieser lange globale Krieg dient dazu, unsere Nation und ihre Interessen auf dem ganzen Globus auf Jahre hinaus zu verteidigen.“ Der neue Doppelbegriff „long and global war“ soll den bisherigen Begriff „war on terror“ ablösen, der wegen dem Irak-Krieg, Abu Gharib, Guantanamo, Haditha und so weiter in Verruf geraten ist.
Zum lang dauernden und welt umfassenden Krieg gehören auch humanitäre Aktionen. Im QDR steht darüber in knappem Englisch: „They also demonstrate the goodwill and compassion ot the United States“. Oberstleutnant Stahel meint dazu in der ASMZ ebenso lakonisch: „Zu den weiteren Massnahmen gehört die humanitäre Hilfe, die sich im Sinne der Public Relations gut einsetzen lässt.“
Blut für Öl
Übrigens sprechen auch die Strategiepapiere der Nato und der Europäischen Union (EU) eine viel ehrlichere Sprache, als man aufgrund der öffentlichen Rhetorik über „Menschenrechte“, „Demokratie“ und „Friedensförderung“ annehmen könnte. So ist in einer von den EU-Regierungen vor zwei Jahren beim EU-finanzierten Institute for Security Studies (ISS) in Auftrag gegebenen Studie zu lesen: „Künftige regionale Konflikte könnten europäische Interessen tangieren (…), indem europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Beispielsweise durch Unterbrechung der Ölversorgung und/oder einer massiven Erhöhung der Energiekosten, der Störung der Handels- und Warenströme.“ Wie das konkret vor sich gehen könnte, illustriert folgendes Szenario: „In einem Land x, das an den Indischen Ozean grenzt, haben antiwestliche Kräfte die Macht erlangt und benutzen Öl als Waffe, vertreiben Westler und greifen westliche Interessen an.“ Ziel sei es, „das besetzte Gebiet zu befreien und die Kontrolle über einige der Ölinstallationen, Pipelines und Häfen des Landes x zu erhalten.“ Da die EU, die für solche Operationen eine Eingreiftruppe von bis zu 69'000 Soldaten und kleinere Kampfverbände namens „battle groups“ aufbaut, nicht damit rechnet, dass die UNO diese Neuauflage der altkolonialistischen Kanonenbootpolitik sanktionieren wird, verzichtete sie beispielsweise in der gescheiterten Verfassung wohlweislich auf ein UNO-Mandat.
Wechselt man von den häufig für die interne Meinungsbildung bestimmten Papieren der Militärs und ihrer Mächte zu den „humanitär-militärischen“ Positionstexten (links-)helvetischer Provenienz, geht es einem wie bei einem abrupten Wechsel von der Theorie- zur Märchenstunde, wo das Wünschen das Sagen hat. Wer nach bald fünf Jahren Afghanistankrieg, nach gut drei Jahren Irakkrieg und nach fast sieben Jahren Kosovo-Besetzung immer noch glaubt, es ginge beim militärischen Interventionismus um Demokratie, Kampf gegen Terror oder Verteidigung der Menschenrechte, setzt sich mindestens nicht dem Verdacht aus, Realpolitikerin oder Realpolitiker zu sein. Nehmen wir als Beispiel den Kosovo, der seit dem völkerrechtswidrigen Nato-Krieg unter den Augen der sogenannten Schutztruppen praktisch zigeunerfrei gesäubert wurde. Von den einst 130'000 Roma wurden seit 1999 mehr als 100'000 vertrieben und verdrängt. Da sie im Unterschied zur serbischen Minderheit über keine Macht verfügen, dürfen sie nicht einmal an den von der Schweiz angeregten Statusverhandlungen teilnehmen.
Das Militärische verschlingt das Humanitäre
Das Tragische an der humanitär-militärischen Symbiose ist die Tatsache, dass das Militär das Humanitäre verschlingt. So sahen sich die Médecins sans Frontières vor zwei Jahren veranlasst, Afghanistan zu verlassen, nachdem sie 24 Jahre lang unter den Sowjets, den Warlords und den Taliban gewirkt hatten. Die USA, aber auch die Nato verunmöglichten mit ihrer Vereinnahmung des Humanitären dem angesehenen und unabhängigen Hilfswerk das Arbeiten. Als junge Tadschiken, die bislang als „prowestlich“ galten, anfangs Juni 2006 nach einem von einem US-Konvoi provozierten Verkehrsunfall in Kabul nicht nur die Militärs, sondern auch die zivilen Nichtregierungsorganisationen (NGO) angriffen, rächte sich deren mangelnde Distanz zu den Besatzungstruppen. Für die deutsche Historikerin und Friedensforscherin Corinna Hauswedell steht „heute“ fest, „dass die Dilemmata und Ambivalenzen, die mit der begrifflichen Ausweitung von Sicherheit auf nichtmilitärische Felder einerseits und mit der Strapazierung eines humanitären Interventionsethos andererseits einhergehen, unterschätzt wurden.“ Unter anderem weist die Autorin darauf hin, dass die Verbindung unterschiedlicher Sicherheitsdiskurse zur Folge hat, dass „der klassische Sicherheitssektor des Militärs wie ein Magnet auch die nichtmilitärischen Aufgabenfelder“ an sich zieht. Und dass „unter Berufung auf humanitären Handlungsbedarf eine völkerrechtliche Beliebigkeit“ einreisst, „die militärischen Lösungen den Vorrang vor den mühsameren zivilen, vor allem präventiven Strategien einräumt“.
Heute muss festgestellt werden, dass das „humanitäre Interventionsethos“ mitverantwortlich ist für die neuen Rekordausgaben zugunsten des Militarismus. Im Jahre 2005 überstiegen die weltweiten Ausgaben für Armeen und Kriegsmaterial erstmals seit Ende des Kalten Krieges die Marke von 1 Billion US-Dollar. 40 bis 60 Milliarden, also rund ein Zwanzigstel davon, wären laut der Weltbank nötig, um die Milleniumsziele der UNO zu erreichen und die Armut auf der Welt zu halbieren.
Die Hauptziele des globalen Neomilitarismus
Der globale Neomilitarismus, der den Kalten Krieg ablöste, verfolgt, wie ein nüchterner Blick auf die letzten zehn Jahre ergibt, sechs Hauptziele. Das erste ist die Sicherung der Rohstoffquellen und – routen. Das zweite ist die strategische Kontrolle über die beiden aufsteigenden Wirtschaftsmächte China und Indien. Wenn es gelingt, über eine globale Hegemonie die Eliten der beiden Ländern, die selber nur über wenige Rohstoffe verfügen, einzubinden und notfalls zu erpressen, ist es möglich, von deren Massenheeren billiger Arbeitskräfte zu profitieren. Drittens geht es darum, Migrationsströme mit militärischen Mitteln abzufangen. Genau so begründete anfangs Juli 2006 der VBS-Botschafter Raimund Kunz die Entsendung von Schweizer Soldaten nach Afrika. Eine der grössten Völkerwanderungen in der Geschichte der Menschheit, die auf uns zukommt, wird durch den Klimawandel verursacht werden. Das Pentagon berücksichtigt bereits heute entsprechende Szenarien bei seinen Planungen. Der vierte in der Schweiz besonders leicht sichtbare Beweggrund für Auslandeinsätze liegt in der Relegitimierung von Armeen, die seit dem Ende des Kalten Kriegs unter einem grossen Sinndefizit leiden. Der fünfte sind die Profite der Rüstungskonzerne. So wurde in den 1990er Jahren der für die Osterweiterung der Nato zuständige US-Ausschuss vom Vizepräsidenten des Rüstungskonzerns Lockheed Martin präsidiert. Last but not least dient die Militarisierung der Aussenpolitik und die damit verbundene Spannungsstrategie der innenpolitischen Disziplinierung von Gesellschaften, die immer komplexer und unübersichtlicher werden. Die Angst vor dem Zerfall von Gesellschaften und der Drang, jene über starke Feindbilder zu bannen, gehört zu den konservativen Urreflexen.
Das wichtigste neue Feindbild nach dem Untergang der Sowjetunion ist der Islam. Wie früher der Antikommunismus dient die Muslimfeindlichkeit der Festigung der bürgerlich-kapitalistischen Macht im Inland und deren Ausweitung im Ausland. Die Islamophobie, wie der Judenhass eine alte abendländisches Erblast, verbindet sich gerade bei den klassischen Trägern des Antisemitismus mit einer unkritischen Unterstützung Israels. In ihren Augen trägt Israel ähnlich wie bis vor wenigen Jahren Südafrika „the White Man’s Burden“ („ die Last des weissen Mannes“) in einem dem Abendland „feindlich“ gesinnten Umfeld. Das Tragikokomische an dieser Konstellation liegt darin, dass bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Juden den konservativen Abendländern als Abkömmlinge, wenn nicht Agenten eines fremden Morgenlandes galten.
Nato-Sonderbund entmachtet UNO-Völkerbund
Der Übergang von dem durch die Auflösung des Warschauer Paktes im Juli 1991 endgültig überholten antikommunistischen Altmilitarismus zum globalen Neomilitarismus ist ein kurzer Rückblick wert. Die Implosion der Sowjetunion hatte für die USA und ihre Nato zwei Folgen: Einerseits war letztere von der Legitimationskrise aller Armeen besonders betroffen, weil sie ihre Existenz immer mit der des Warschauer Paktes begründet hatte. Andererseits bot sie den USA die Chance, die militärische Macht imperial auszuweiten. Zur Bannung der Gefahr wie zur Wahrung der Chance sollte sich der grossserbische Tyrann Milosevic gleichsam als diabolus ex machina erweisen. Am Anfang des Balkankrieges standen eine UNO und eine OSZE, die dank ihrer Rolle bei der friedlichen Auflösung des Ostblocks ein hohes Ansehen genossen, was sie für die Nato um so gefährlicher machte. Am Schluss standen im Frühjahr 1999 der völkerrechtswidrige Kosovokrieg, die Verwandlung der Nato in ein globales Offensivbündnis und die Marginalisierung der UNO. Der USamerikanische Sicherheitsexperte Robert Kagan schrieb im neokonservativen Kultbuch „Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung“, dass „die Existenzfähigkeit des Bündnisses“ zu den „Hauptzielen der amerikanischen Intervention“ im Kosovo geführt hat, „so wie die Erhaltung der Allianz ein Hauptmotiv der früheren Intervention der USA in Bosnien“ gewesen ist. In Begriffen der Schweizergeschichte ausgedrückt: Der Sonderbund des reichen Nordwestens dieses Planeten hat innert eines Jahrzehnts den Bund der Völker militärisch ausgebootet.
Der völkerrechtswidrige Irakkrieg vier Jahre später ist eine Folge dieser Fehlentwicklung.
Deren Schlüsselmoment war der Bosnienkrieg 1992 bis 1995. Bereits im Mai 1992 erteilte die Nato der Forderung von UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali, die UNO mit ausreichenden Kapazitäten für Operationen unter Führung des Sicherheitsrates auszustatten, im Geheimdokument „MC 327“ eine klare Absage. Dieses vom Nato-Militärausschuss ausgearbeitete Konzept beinhaltete im Wesentlichen vier Punkte: a) Interventionen nur, wo es um eigene Interessen geht (also nicht in Ruanda); b) völlige militärische und politische Kontrolle über den Einsatz durch die Nato; c) von Nato-Staaten gewonnene Aufklärungserkenntnisse werden nicht an die UNO weiter gegeben; c) die Nato bestimmt, wann und zu welchen Bedingungen ein vom Sicherheitsrat beschlossener Einsatz beendet wird. In dieser zynischen Logik lag der Hauptgrund für das vermeintliche „Versagen der UNO“ bei der Verteidigung der dem Dayton-Abkommen ohnehin im Wege stehenden muslimischen Enklaven wie Srebrenica und Zepa.
Militärgesetz und UBS-Geheimspende
Dass selbst Linke die Lüge vom „Versagen der UNO“ glaubten und deshalb die Nato unterstützten, hat auch damit zu tun, dass sie sich in ihrer Mehrheit vor und nach den Interventionen herzlich wenig um die Menschen und die Wirklichkeiten auf dem Balkan kümmerten. Wo bleibt heute der Protest der „humanitären InterventionistInnen“ gegen die ethnische Säuberung der Roma aus dem Kosovo? Dass 60 Prozent der Linken im Juni 2001 für die militärischen Auslandeinsätze stimmten und damit für die knappe Annahme der Gesetzesrevision den Ausschlag gaben, ist – abgesehen vom innenpolitischen Anti-Blocher-Reflex – nur mit dem Balkankrieg erklärbar. Nach dem Irakkrieg und vor allem unter dem Eindruck der Antikriegsbewegung hätte das Gesetz in der Linken und damit an der Urne nicht mehr den Hauch einer Chance.
Das ändert nichts daran, dass das Ja zur Militarisierung der Aussenpolitik zu den grössten politischen Irrtümern der Linken dieses Landes seit dem Zweiten Weltkrieg gehört. Es ist bezeichnend, war er verbunden mit einem der bedenklichsten ethischen Fehltritte. Die Annahme der 100'000-Franken-Geheimspende einer Grossbank durch das linke Ja-Lager, aus deren Reihen kurz zuvor im Nationalrat die Deklaration aller Parteispenden über 5'000 Franken verlangt worden war, wurde bis heute nicht kritisch verarbeitet. Auch die Frage, worin das Interesse einer Union Banque Suisse liegt, Schweizer Truppen ins Ausland zu entsenden, wurde bislang nie ernsthaft diskutiert.
Die Schweiz und ein Teil der Linken haben sich mit dem Ja zu militärischen Auslandeinsätzen zu Gefangenen des „long global war“ gemacht. Ein Beispiel dafür ist das, was der freisinnige Ständerat Dick Marty, EU-Sonderermittler in Sachen CIA-Flüge und Geheimgefängnisse, den „servilen Gehorsam“ des Bundesrats gegenüber den USA nennt. Interessant ist auch die Beobachtung, welche die beiden Sonntagsblick-Redaktoren Beat Jost und Sandro Brotz nach der Publikation des „ägyptischen Fax“ gemacht haben: „Völlige Funkstille herrscht dagegen bei der SP, die in der Vergangenheit im Kampf gegen Schnüffelstaat, Geheimdienste und Armee stets die Musik gemacht hatte. Jetzt verhält sie sich auffallend ruhig.“
Die weitgehende, dank Einzelkämpfern nicht vollständige Funkstille passt bestens zum Antrag der SPS-Geschäftsleitung, die Volksinitiative für ein Verbot der Kriegsmaterialexporte nicht zu unterstützen. Das ausschlaggebende Argument hatte gelautet, die Schweiz dürfe ihren „Partnern“ nicht die Waffen verweigern. Der wichtigste Waffenkäufer Deutschland braucht sie heute in Afghanistan und morgen in anderen für die Rohstoff-Sicherung vitalen Gegenden, beispielsweise im Sudan oder am Indischen Ozean. Dänemark, das die Verbindung von globalem Neomilitarismus und Muslimfeindlichkeit besonders stark verkörpert und das inzwischen zum wichtigsten Kriegsmaterialkunden der Schweiz aufgestiegen ist, braucht die Waffen im Irak.
EU-Ausnahme nur für Franken, nicht auch für Frieden?
Die haushohe Unterstützung der Volksinitiative durch die Delegiertenversammlung vom 24. Juni in Delémont zeigt, dass der SP-Basis eine zivile Friedenspolitik wichtiger ist, als die indirekte oder direkte Unterstützung des „war on terror“. Bereits die Ablehnung des für Auslandeinsätze notwendigen Transportflugzeuges durch die grosse Mehrheit der SP-Fraktion im Nationalrat im letzten Jahr, was zum erstmaligen Absturz des ganzen Rüstungsprogramms führte, zeigte, dass sich die Kräfteverhältnisse und die Stimmung stark geändert hatten. Dies ist um so wichtiger, als es nur mit einer Mehrheit von SP-Fraktion und SP-Basis gelingen wird, die viel weiter gehenden Pläne und Absichten von Armeespitze und VBS zu durchkreuzen. Diese wollen mit Schweizer Truppen an Nato- und EU-Einsätzen in Afghanistan, Afrika und andernorts mitmachen. Dazu müssen sie sich von lästigen Fesseln, die sie damals aus abstimmungstaktischen Gründen akzeptieren mussten, befreien. In einem ersten Schritt wollen sie die damals hoch gehaltene Freiwilligkeit abschaffen und damit die Wehrpflicht ausweiten. Die SP müsste ihr militärpolitisches Ziel, die Abschaffung der Wehrpflicht, verraten, um dem Ausland-Obligatorium zur Mehrheit zu verhelfen. In einem zweiten Schritt wollen sie das UNO-Mandat für Auslandeinsätze abschaffen, weil sich weder die Nato noch die EU daran halten. Und drittens wollen die Militärs und ihre PolitikerInnen das Verbot auf die Beteiligung an eigentlichen Kampfhandlungen aufheben. Hier könnte die argumentative Logik, wie sie besonders stark von der Sicherheitspolitischen Sprecherin der SP vertreten wird, gefährlich werden. Dass es nämlich „unsolidarisch“ sei, den Einsatz von Truppen beispielsweise in Afrika anderen zu überlassen. Im Feld würde sich sehr schnell die nächste Frage stellen: Ist es „solidarisch“, wenn die Schweizer Soldaten sich immer dann zurückziehen, wenn es zu Kampf- und Kriegshandlungen kommt?
Für die Linke stellt sich noch eine weitere Frage: Ein EU-Beitritt der Schweiz hat in den nächsten Jahrzehnten nur dann die Chance, eine Mehrheit zu finden, wenn die Beteiligung von Schweizer Soldaten an Kriegen ausgeschlossen werden kann. Dies kann aber nur glaubwürdig versprochen werden, wenn die Schweiz, insbesondere die EU-Befürwortenden, schon heute zum wachsenden EU-Militarismus auf Distanz gehen. Und der Schweizer Armee die Mittel und die Rechte verweigern, die sie zur Beteiligung an EU-Battle Groups und anderen Eingreiftruppen befähigen würde. Nicht nur der Franken ist im Falle eines EU-Beitritts eine Ausnahme wert. Der Frieden ist es erst recht!
Albert A. Stahel, der den globalen Neomilitarismus als kühler Analytiker beobachtet, beendet seinen Beitrag im Organ der Schweizerischen Offiziersgesellschaft mit folgendem Aufruf: „Sollten wir beispielsweise bei diesem ‚grand design’ als Mitläufer agieren, so ist dies nicht nur zu bedauern, sondern auch zu verurteilen.“ Damit würden wir „dem Ansehen der humanitären Schweiz in der Welt einen Bärendienst“ erweisen. Tatsächlich macht es von einem menschlichen Standpunkt aus mehr Sinn, wenn ein Land, das seit 158 Jahren keinen Krieg mehr erleiden musste, der Welt das Friedens- statt das Kriegshandwerk zur Verfügung stellt. Ein Kriegshandwerk, das ohnehin bloss ein Teil jenes „long global war“ wäre, in dem es um Sicherung von Rohstoffen und Garantierung von Macht geht.
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