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EU als Konzernmacht Nr. 1

In den letzten Jahren ist es zu einschneidenden Veränderungen in den globalen ökonomischen Kräfteverhältnissen gekommen. Die EU hat die USA als Konzernmacht Nr. 1 abgelöst. Die EU- Machteliten drängen danach, den globalen Kampf um Absatz-, Kapital- und Rohstoffmärkte militärisch abzusichern.

Konzernmacht Nr. 1

Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin „Fortune“ veröffentlicht jährliche eine Liste der 500 größten Konzerne. Aus dieser Liste geht hervor, dass im Zeitraum 2004 bis 2008, die EU-Konzerne zu den mächtigsten aufgestiegen sind, während die US-amerikanischen und japanischen deutliche Positionsverluste hinnehmen mussten. Gewachsen ist auch der Einfluss der chinesischen Großunternehmen, allerdings von einem ausgesprochen niedrigen Niveau aus (siehe Tabelle). Mit 172 unter den Top 500, die einen Umsatz von 38,8 % der Top 500 erwirtschaften, haben die Konzerne der EU-Staaten von 2004 bis 2008 noch einmal leicht zugelegt und damit eindeutig die Führung übernommen, da gleichzeitig die Zahl der US-amerikanischen Konzerne, die es unter die Top 500 geschafft haben (von 178 auf 140), und deren Umsatzanteil (von 36,8% auf 30,1%) erheblich gesunken sind. Das Gewicht der Konzerne steigt auch innerhalb der EU-Ökonomie deutlich an. Der addierte Umsatz der EU-Top 500-Konzerne machte 2004 57% des Bruttoinlandsprodukts aller EU-Staaten aus, 2009 waren es bereits 78%.

Handelsmacht Nr. 1

Auch beim Warenexport hat die EU ihre Spitzenposition verteidigt. Mit einem Anteil von rund 18% (EU als Block gegenüber dem Rest der Welt) hat sie seit 2000 die USA klar abgehängt, die damals noch gleichauf waren, seither auf rund 12% zurückgefallen sind, und mittlerweile bereits vom aufstrebenden China überholt wurden. Freilich stehen diesen Erfolgen im Warenexport wachsende handelspolitische Disparitäten innerhalb des EU-Raums gegenüber (s. Kasten „Wachsende deutsche Dominanz“).

Kapitalexportmacht Nr. 1

Nirgendwo kommt die Überlegenheit der EU-Konzerne so konzentriert zum Ausdruck wie beim Kapitalexport. Die Statistiken der UNCTAD zu den ausländischen Direktinvestitionen, die sowohl „green- field“-Investitionen (Bau neuer Anlagen) als auch Fusionen und Übernahmen enthalten, enthüllen bemerkenswerte Positionsverschiebungen zwischen den Großmächten in den letzten Jahren. Seit 2004 haben die Nettokapitalexportüberschüsse der EU-Konzerne bei den ausländischen Direktinvestitionen geradezu explosionsartig abgehoben. Sie übertreffen im Jahr 2007 die US-amerikanischen um das vier- und die japanischen um das sechsfache.

Entsprechend kräftig entwickelten sich auch die Nettokapitalerträge, also jener Betrag, um den die Gewinnrückflüsse in den EU-Raum (für Kapitalexport) die Gewinnabflüsse aus dem EU-Raum (für Kapitalimport) überragen. Diese Nettokapitalerträge sind von 3 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf 83 Milliarden Euro im Jahr 2006 angestiegen.

Geradezu übermächtig ist die Position der – vor allem deutschen und französischen – Infrastrukturkonzerne (Energie-, Elektrizitäts-, Wasser-, Erdgasversorgung, Transport, Telekommunikation). In diesem Bereich kommen die EU-Konzerne innerhalb der 100 größten Transnationalen Konzerne (TNK) der Welt auf satte 64%, deren Anteil am Auslandsvermögen beläuft sich sogar auf fast 77%. Hier liegen die materiellen Gründe, warum die EU-Kommission mittlerweile zur aggressivsten Kraft für Privatisierung und Liberalisierung der öffentlichen Dienste sowohl innerhalb der EU als auch auf globaler Ebene aufgestiegen ist.

Rüstungsexportmacht Nr. 1

Auch in einer weiteren höchst zweifelhaften Liga haben es die EU-Staaten an die Spitze gebracht: beim Rüstungsexport. Ab 2006 haben auch hier die EU-Rüstungskonzerne ihre Rivalen in den USA und Russland überflügelt. Eine großer Anteil an dieser „poleposition des Todes“ tragen die wachsenden Rüstungsgeschäfte mit Ländern der sogenannten „3. Welt“. Eine von der US- Regierung regelmäßig publizierte Liste der Rüstungsexportverträge zeigt, dass alleine die vier größten EU-Staaten (BRD, Frankreich, Großbritannien, Italien) ihren Anteil an den Rüstungsexportverträgen mit Ländern der „3. Welt“ von 18,5% im Jahr 2006 auf 32% im Jahr 2007 steigern konnten und damit auch hier die USA (29%) und Russland (23%) hinter sich ließen. Die EU-Staaten sind zum größten Waffenexporteur in die Krisen- und Kriegsregionen des Nahen Ostens und dort wiederum vor allem für Feudaldiktaturen wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geworden.

Rohstoffimporteur Nr. 1

Doch nicht nur beim Export von Waren, Waffen und Kapital stehen die EU-Staaten an der Spitze, auch beim Import strategischer Rohstoffe. Der Anteil der EU am globalen Rohölimport betrug 2007 28,3% (vor den USA mit 22,5%, Japan mit 9,4% und China mit 7,3 %), beim Anteil an den weltweiten Erdgasimporten 35,2% (vor den USA mit 14,2%, Japan mit 9,6% und der Ukraine mit 5,4%). Und last but not least ist die EU auch die Heimat der stärksten Atomindustrie. Auch hier steht die EU mit einem Anteil von 32,4% am weltweiten Uranverbrauch knapp vor den USA (30,9%) und deutlich vor anderen (Japan 10,1%, Russland 5,8%) an der Spitze.

„Notfalls mit robusten Mitteln“.

Die Hamburger Zeitschrift „griephan global security“, die sich als Schnittstelle zwischen Konzerninteressen und Sicherheitspolitik zu profilieren versucht, benennt den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und militärischer „Machtprojektion“ ungeschminkt: „Zurzeit ist eines der größten Risiken, dass die gegenwärtig Ausgeschlossenen irgendwann Gehör finden und ihren Einfluss dann auf nationaler Ebene wieder geltend machen. Daraus entsteht sowohl für globale Unternehmen als auch für Investoren eine Herausforderung: Wie schützt man globale Unternehmensstrukturen in einer Zeit, wo sich das 'Länderrisiko' im weitesten Sinne verschärft? Unternehmen müssen (sich) gegen politische und soziale Unruhen in den Nationalstaaten schützen.“ (Herbst 2007)

Venezuela und Bolivien haben gezeigt, dass sich die „Ausgeschlossenen“ mit Hilfe der Mittel ihres Staates – Verstaatlichung, Schutz der eigenen Märkte, Nutzung des Rohstoffreichtums zur Armutsbekämpfung – gegen die Macht von Konzernen zur Wehr setzen können. Dieses „Länderrisiko“ soll mit allen – auch militärischen – Mitteln eliminiert werden. Deshalb ermahnt das „EU-Institut für Sicherheitsstudien“ im sog. „European Defence Paper“ (2004) die EU-Machthaber, alles dafür zu tun, „militarische Eskalationsdominanz“ zu erlangen, denn nur so könnten „Kriege in einem anspruchsvollen Szenario geführt und gewonnen“ werden. Daran wird derzeit fieberhaft gearbeitet. Die nötigenfalls gewaltsame Sicherung der Absatz- und Kapitalmärkte, der Handelswege und Rohstoffquellen ist einer der Hauptgründe, warum sich die Eliten der großen europäischen Nationalstaaten zum Machtblock EU zusammengeschlossen haben. EU- Kommissar Verheugen: „Ich habe den Mut auszusprechen, was das Gebot der Stunde ist: Nämlich, dass sich Europa etablieren muss als eine Weltmacht, die einen Geltungsanspruch erhebt“, den es „notfalls mit robusten Mitteln zu schützen gilt.“ (in: Int. Politik 1/2005) Der frühere Generaltruppeninspekteur der deutschen Bundeswehr Klaus Naumann brachte das bereits Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die EU mit dem Vertrag von Maastricht aus der Taufe gehoben wurde, preußisch knapp auf den Punkt: „Es gelten nur mehr zwei Währungen in der Welt: wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen.“ (Spiegel, 18.1.93)

Wachsende deutsche Dominanz

Auch innerhalb der EU haben sich die wirtschaftlichen Gewichte deutlich verschoben – zu Gunsten der Großen. Der Umsatzvorsprung der deutschen Industriekonzerne (unter den Top 500) gegenüber den zweit platzierten französischen stieg zwischen 2004 und 2008 zwar nur geringfügig von 16 auf 17%, gegenüber den drittplazierten Briten jedoch von 65% auf 82%. Die viertplazierten italienischen Industriekonzerne werden von den deutschen umsatzmäßig um 350% übertroffen, besonders die aggressive Handelspolitik der BRD macht den anderen EU-Staaten zu schaffen. Von 1997 bis 2007 wuchs der deutsche Außenhandelsüberschuss um das Dreifache, von plus 60Mrd. auf plus 194 Mrd. Euro. Bei den anderen großen EU-Staaten explodierten dagegen in diesem Zeitraum die Handelsbilanzdefizite: in Frankreich von plus 16 auf minus 50 Mrd., in Italien von plus 26 auf minus 10 Mrd., in Spanien von minus 13 auf minus 99 Mrd. und in Großbritannien von minus 24 auf minus 134 Mrd. Euro. Auch bei den Rüstungsexporten hat sich die deutsche Kriegswaffenindustrie mittlerweile vor ihre französischen und britischen Rivalen geschoben. Die Zeche für das deutsche Exportwunder zahlten die Arbeitnehmerinnen im eigenen Land! Für die es seit 15Jahren keine Reallohnerhöhungen mehr gibt. In der BRD ging die Lohnquote seit den 90er Jahren deutlich starker zurück als in den anderen großen EU-Staaten.

Guernica 3/2009, Werkstatt Frieden & Solidarität, Linz, www.werkstatt.or.at


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