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Die EU ist nicht umweltfreundlich



von Jonas Sjöstedt, EU-Parlamentarier

Die Umwelt wird oft als Argument für die Mitgliedschaft in der EU angeführt. Es trifft sicher zu: die Lösung der meisten Umweltprobleme ist auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Daraus kann man jedoch nicht schliessen, dass die EU-Mitgliedschaft zu einer besseren Umweltpolitik führt.

Der Einfluss der EU auf die Umweltpolitik hat viele Gesichter. Es gibt da einerseits das progressive Gesicht: einige EU-Gesetze zum Schutze der Umwelt, die in allen fünfzehn Mitgliedstaaten umzusetzen sind - etwa die Regulierung des Ausstosses von schädlichen Substanzen. Diese Gesetzgebung erfolgt in der Form von Richtlinien. Die EU setzt damit verbindliche Minimalstandards, welche die Länder nicht unterschreiten dürfen. Die entsprechenden Richtlinien bedeuteten - zumindest auf dem Papier - für etliche EU-Mitgliedländer eine Verbesserung des Umweltschutzes, besonders in Südeuropa. Es muss allerdings bemerkt werden, dass die EU vor allem auf diesem Gebiete beachtliche Vollzugsdefizite zu verzeichnen hat: ein Grossteil der Klagen der EU-Kommission, die vor dem EU-Gerichtshof landeten, betreffen den Schlendrian der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der EU-Umwelt-Gesetzgebung.

Der Handel mit und die Produktion von Gütern steht am Anfang fast aller Umweltprobleme - man denke an Autos, Chemikalien, Nahrungsmittelzusätze und Lastwagentransporte. Der freie Warenverkehr hat in der EU klaren Vorrang vor Umweltproblemen. Ein Mitgliedstaat kann aus Umweltschutzgründen keine strengeren Normen für Importgüter einführen, da dies als Behinderung des freien Warenverkehrs betrachtet wird. So werden die Mitgliedstaaten aktiv daran gehindert, die Umwelt wirksam zu schützen und eine nachhaltige Entwicklung anzustreben. Seit Schweden 1995 Mitglied der EU wurde, wirkte der EU-Binnenmarkt in Schweden schon mehrmals als Hebel für die Durchsetzung weniger strenger Umwelt-Regulierungen. Der Binnenmarkt führt somit in manchen Ländern zu tieferen Umweltstandards. Ein einzelner US-Gliedstaat hat auf diesem Gebiet mehr Freiheiten als EU-Mitgliedstaaten! Die Schweiz hätte eine einmalige Gelegenheit, im Umweltsektor eine führende Rolle zu spielen, da sie nicht durch EU-Regulierungen im Handlungsspielraum begrenzt ist. Im Ständigen Umweltausschuss des EU-Parlamentes, dem ich angehöre, wird die Schweiz oft als positives Beispiel angeführt. Diese Rolle könnte die Schweiz im Falle eines EU-Beitrittes nicht mehr spielen.

Die Politik der EU auf den Gebieten des Warentransportes und der Landwirtschaft schafft neue Umweltprobleme. Schon oft wurden Projekte, die durch die Strukturfonds der EU finanziert wurden, für ihre umweltschädigende Wirkung kritisiert. Durch die EU-Mitgliedschaft finanziert ein Land umweltfeindliche Aktivitäten der EU. Die Transportpolitik der EU gründet auf dem Prinzip des freien Warenverkehrs und beinhaltet ein substantielles Wachstum des Lastwagenverkehrs. Als unabhängiger Staat kann die Schweiz die Bedingungen des Transitlastwagenverkehrs mit der EU aushandeln. Ist die Schweiz jedoch EU-Mitglied, so werden diese Fragen in Brüssel entschieden.

Die EU-Agrarpolitik fördert die Grossproduktion. Diese Produktionsweise hat negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Die EU-Investitions-Bank wurde - abgesehen für ihren Mangel an Transparenz - vor allem auch heftig für die Finanzierung von Projekten kritisiert, welche die Umwelt im grossen Stil zerstörten - nicht nur in der EU selber, sondern auch in den Ländern, die der EU beitreten wollen.

Die EU spricht auf internationaler Ebene zunehmend mit einer Stimme, wenn es um Zusammenarbeit in Umweltfragen geht. Ein einzelner Mitgliedstaat kann keine weitergehende Vorschläge mehr einbringen. Wir brauchen heute jedoch dringend ein industrialisiertes Land, das in der internationalen Umweltzusammenarbeit als treibende Kraft wirkt.

Aus meiner Sicht gibt es keine Argumente für die Schweiz, aus Gründen des Umweltschutzes Mitglied der EU zu werden. Wenn die Schweiz den Mut aufbringt, eine ehrgeizige Umweltpolitik zu verfolgen und fortschrittliche Forderungen auf dem internationalen Parkett einzubringen, würde die Schweiz für die Umwelt mehr ausserhalb als innerhalb der EU bewirken.

Jonas Sjöstedt, EU-Parlamentarier der schwedischen Linkspartei Vänsterpartiet, Koordinator der GUE/NGL-Fraktion des EU-Parlamentes (Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke), Mitglied im ständigen Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik des EU-Parlamentes


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