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JEFTA – das EU-Handelsabkommen mit Japan

Die Europäische Kommission ist im Namen aller EU-BürgerInnen für die Aushandlung von Handelsabkommen zuständig. Bis Ende 2017 sollen die Verhandlungen für das Abkommen mit Japan abgeschlossen werden (Japan-European Union Free Trade Agreement – JEFTA). Dieses Abkommen legt die Grundlagen für regulatorische Kooperation zwischen der EU und Japan.

Von Lora Verheecke, Alessa Hartmann und Max Bank (Herausgeben von AITEC: aitec.reseau-ipam.org, PowerShift www.power-shift.de, Corporate Europe Observatory: www.corporateeurope.org, LobbyControl: www.lobbycontrol.de)

Bei der neuen Generation von Handelsabkommen im 21. Jahrhundert geht es nicht länger allein darum, Zölle abzubauen. Mit diesen Abkommen sollen vielmehr die Unterschiede bei Regulierungen und Gesetzen abgebaut werden, die zwischen den Handelspartnern bestehen und die als „Handelshemmnisse“ betrachtet werden. Was Handelsexperten und große Konzerne häufig als „Handelshemmnisse“ bezeichnen, sind in Wirklichkeit oft Standards, um beispielsweise Luft und unsere Lebensmittel vor Schadstoffen zu schützen, oder um die katastrophalen Folgen der Klimakrise zu verhindern. Durch regulatorische Kooperation geraten ebendiese Standards in Gefahr.

Weshalb sollten gerade HandelsbürokratInnen darüber entscheiden, welche Regelungen zwischen der EU und Japan „harmonisiert“ werden sollen? Bei Handelsverhandlungen steht das Gemeinwohl häufig nur an zweiter Stelle. Die Harmonisierung ist an sich kein schlechtes Verfahren – durch Harmonisierung können auch Vorteile entstehen, wie beispielsweise bei der Zusammenarbeit in Klimafragen. Probleme entstehen vor allem in der Umsetzung. Im Rahmen eines Handelsabkommens bedeutet regulatorische Kooperation, dass die Entscheidung darüber, ob ein Gesetz angepasst oder verändert wird und welche Form neue Gesetze annehmen, bereits sehr früh im Gesetzgebungsprozess gefällt wird – und zwar in enger Zusammenarbeit von HandelstechnokratInnen und UnternehmensvertreterInnen. Somit erhalten Konzerne erheblichen Einfluss auf Gesetzgebung.

Ein Beispiel hierfür ist die Harmonisierung datenschutzrechtlicher Regelungen zwischen Japan und der EU: In der Europäischen Union gelten gewisse Beschränkungen für den Umgang mit persönlichen Daten, die Unternehmen im Internet erheben. Dabei ist japanischen Unternehmen besonders eine Datenschutzvorschrift ein Dorn im Auge: die Lokalisierungsanforderungen für Daten von EU-BürgerInnen, die laut Verordnung auf Servern innerhalb der EU gespeichert werden müssen. Wäre JEFTA nun schon in Kraft getreten, bevor die EU diese Verordnung beschlossen hätte, wäre es für die EU deutlich schwerer, Datenschutzgesetze zu verabschieden, die sich von denen in Japan stark unterscheiden.

Es ist also keineswegs überraschend, dass regulatorische Kooperation vonseiten großer Unternehmen viel Applaus erfährt. Durch sie können Gesetze verhindert oder verändert werden, wenn sie den Interessen von Konzernen entgegenstehen – etwa in Fällen, wo sich Gesetze negativ auf ihre Gewinnspanne auswirken. Dies gilt insbesondere auch für Gesetze in den Bereichen der öffentlichen Gesundheit oder des Klimaschutzes – nicht zuletzt auch für die Schadstoffemissionen von Automobilen. Im Rahmen der regulatorischen Kooperation schaffen Europäische Kommission und japanische Regierung durch neue Gremien und Arbeitsgruppen eine Möglichkeit für VertreterInnen großer Unternehmen, künftige Gesetzgebung zu kommentieren, lange bevor das Europäische Parlament oder die japanische Nationalversammlung darauf Einfluss nehmen können.

Weder BürgerInnen noch kleine und mittelständische Unternehmen haben die Möglichkeit, die Gesetzgebung auf diese Art zu beeinflussen, da sie meist nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, um Lobbying in intransparenten internationalen Gremien zu betreiben. Es werden also vor allem große Konzerne sein, die von diesem erheblichen Lobbyingvorteil profitieren und ihren Einfluss auf künftige Gesetzgebung und bereits bestehende Gesetze in der EU und in Japan ausüben werden. Wie der größte japanische Industrieverband Keidanren 2015 klarstellte, „sollten japanische Unternehmen, die in der EU aktiv sind, bereits von einem frühen Zeitpunkt an engagiert bei der Erarbeitung von Gesetzgebung mitwirken.“ Das könnte die Gesundheit von BürgerInnen in Gefahr bringen. Der EU-Japan Business Round Table, ein Verband für große Unternehmen in der EU und Japan, etwa hat die EU aufgefordert, keine Regulierungen zu potentiell krebserregenden hormonaktiven Chemikalien zu erlassen. Es gibt jedoch erhebliche wissenschaftlich basierte Zweifel an der Unbedenklichkeit solcher Chemikalien.

Darüber hinaus erhalten UnternehmensvertreterInnen die Möglichkeit Änderungsvorschläge für bestehende Gesetzgebung in Japan und der EU zu formulieren. Diese Vorschläge werden herangezogen, wenn Vorschriften und Standards aktualisiert werden. Der Vorschlag der EU-Kommission weist klar darauf hin, dass mithilfe dieser Änderungsvorschläge „unnötige Belastungen“ beseitigt werden sollen. BusinessEurope, der wichtigste europäische Arbeitgeberverband, hat bereits in der Vergangenheit EU-Richtlinien zu sauberer Luft sowie die Finanztransaktionssteuer als „unnötig belastend“ bezeichnet. Ebenso erhalten große Konzerne im Rahmen von JEFTA die Möglichkeit, gesetzliche Schutzmaßnahmen in den Bereichen Umwelt und Soziales sowie finanzielle Absicherungen zu verwässern. Es zählt dabei in erster Linie die Behauptung, diese Schutzstandards seien „unnötige Belastungen für den Handel“.

Regulatorische Kooperation nach dem Vorbild von JEFTA könnte sich negativ auf unsere demokratischen Strukturen auswirken, weil große Unternehmen zu einem sehr frühen Zeitpunkt erheblichen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess, insbesondere im Bereich Verbraucherschutz in der EU und Japan, erhalten. Sie werden deutlich früher eingebunden als ParlamentarierInnen. Um sicherzustellen, dass diese „Zusammenarbeit“ nicht von großen Konzernen und ihren Interessen dominiert wird, sollten solche Verfahren nicht Teil von Handelsabkommen sein.

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Durch regulatorische Kooperation wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Anzahl zugelassener Pestizide erhöht wird. Denn regulatorische Kooperation erhöht den Lobbydruck auf Japan und die Europäische Union, ihre Schwellenwerte für Pestizide auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner anzugleichen. Diese Position findet sich sehr deutlich bei europäischen und japanischen Lobbygruppen, wie dem EU-Japan Business Round Table: „Um den internationalen Handel zu erleichtern, sollten übermäßige Schutzmaßnahmen im Bereich Lebensmittelsicherheit vermieden werden“.


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