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Im Vergleich zum EU-Recht bietet das schweizerische Gleichstellungsgesetz mehrheitlich keine Neuerungen. Es lehnt sich weitgehend an die vor Jahren erlassenen Richtlinien zur Lohngleichheit (RL 75/117/EWG) und zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Erwerbsleben (RL 76/207/EWG) an. Einzig bei der Beweislasterleichterung realisiert die schweizerische Regelung eine Regelung, um die in der EU seit Jahren gestritten wird. Als wirkliches Novum kann die Einführung des Verbandsklage- und Beschwerderechts im Gleichstellungsgesetz bezeichnet werden. Dieses fehlt in der EU-Gesetzgebung. Ganz schlechte Karten haben Frauen in der Schweiz punkto Mutterschutz. Trotz mehrerer Anläufe ist es nicht gelungen, den seit Jahren bestehenden Verfassungsauftrag zur Einrichtung einer Mutterschaftsversicherung zu erfüllen. Hier stehen die Frauen in der Schweiz klar im Schatten ihrer Kolleginnen in der EU. In allen EU-Staaten existieren gesetzliche Mutterschutzregelungen in Form von Mutterschaftsversicherungen, welche teilweise erheblich weitergehen als das schweizerische Recht.
von Ruth Voggensperger
Seit Ablehnung des EWR-Beitritts durch Volk und Stände vor fünf Jahren haben sich die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen in der Schweiz und in Europa verschlechtert und der seit Jahren schleichende Sozialabbau
macht die europäischen Defizite gerade im Bereich der Gleichstellung sichtbarer als in anderen Bereichen:
Standortkonkurrenzprobleme ziehen Schliessungen, Restrukturierung und Auslagerung von Firmen nach sich.
Frauen sind von der damit verbundenen Arbeitslosigkeit besonders betroffen. Im öffentlichen Dienst haben
Reorganisationsprozesse Hochkonjunktur. Für die Mobilität von Frauen unabdingbare Rahmenbedingungen
wie qualifizierte Kinderbetreuungseinrichtungen und Tagesschulen werden abgebaut oder massiv verteuert. Die
Durchsetzung von rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich an der weiblichen
Lebensbiographie orientiert, wird zunehmend schwieriger. Profitmaximierung ist angesagt und da können die
Frauen eben weniger mithalten als die Männer. Der Prozess in Richtung Geschlechterdemokratie läuft harziger
denn je und - wie mir scheint - bei uns noch harziger als in der EU. Trotzdem müssen wir
EU-Befürworterinnen uns fragen: Müssen wir den Kritikerinnen des EU-Binnenraumes nachträglich Recht
geben? Was hat sich seit der Abstimmung über den EWR-Beitritts in Sachen Gleichstellung getan? Gibt es
andere frauenpolitische Strategien als die Integration?
Im folgenden werde ich einen kurzen, etwas rudimentären Überblick über die wichtigsten Entwicklungen des
Gleichstellungsrechts in der Schweiz seit 1991 mit Blick auf die EU-Regelungen geben,
"Chriecht es Schnäggli..."- Neuere Entwicklungen in der schweizerischen Gleichstellungspolitik
Im rechtlichen Bereich sind vor allem drei wichtige Neuerungen zu nennen, welche die tatsächliche
Gleichstellung der Geschlechter vorantreiben sollen: die Einführung des Bundesgesetzes über die
Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz), das seit kurzem ratifizierte UNO-Übereinkommen
von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und verschiedene Reformen im Bereich
der Sozialversicherungen.
Gleichstellungsgesetz
Die wichtigste Neuerung auf Gesetzesebene ist zweifelsohne das Gleichstellungsgesetz, das am 1. Juli 1996
nach jahrelangem Tauziehen und vor allem im Blick auf die Annäherung der Schweiz an die EU in Kraft gesetzt
worden ist. Das Gesetz konkretisiert Art. 4 Abs. 2 der Bundesverfassung und regelt die Gleichstellung von
Frau und Mann im Erwerbsleben, insbesondere die bessere Durchsetzbarkeit des Lohngleichheitsanspruchs. Es
gilt für alle privaten und öffentlichen Arbeitsverhältnisse in Bund, Kantonen und Gemeinden. Wichtigste
Eckpfeiler sind die Statuierung eines direkten und indirekten Diskriminierungsverbots auch im Bereich der
sexuellen Belästigung; Klage- und Entschädigungsansprüche der Betroffenen, eine (teilweise eingeschränkte)
Beweislasterleichterung, die Einräumung eines Verbandsklage- und Beschwerderechts sowie der Schutz der
Betroffenen vor Rachekündigungen.
Im Vegleich zum EU-Recht bietet das Gesetz mehrheitlich keine Novitäten. Es lehnt sich weitgehend an die vor
Jahren erlassenen Richtlinien zur Lohngleichheit (RL 75/117/EWG) und zur Gleichbehandlung von Frauen und
Männern im Erwerbsleben (RL 76/207/EWG) an. Einzig bei der Beweislasterleichterung greift die
schweizerische Regelung einer seit Jahren hängigen Richtlinie vor, welche neu unter dem Sozialprotokoll
verabschiedet werden soll. Im Bereich der sexuellen Belästigung existieren keine verbindlichen Richtlinien,
sondern nur Empfehlungen der Kommission von 1991 über den Schutz der Würde der Frauen und Männer am
Arbeitsplatz. Die im Anhang dazu enthaltenen Verhaltensrichtlinien zuhanden der Sozialpartner nützen den
Betrieben u.U. aber mehr als eine blosse gesetzliche Regelung. Als wirkliches Novum kann die Einführung
des Verbandsklage- und Beschwerderechts im Gleichstellungsgesetz bezeichnet werden. Dies vor allem, um
Lohnungleichheiten auf kollektiver Ebene anzugehen. Umstritten war in der parlamentarischen Vorberatung vor
allem der Vorschlag, dass neben den Gewerkschaften auch Organisationen, welche gemäss ihren Statuten die
Gleichstellung fördern, klageberechtigt sind. Damit wurde zum ersten Mal die zentrale Rolle von
Frauenorganisationen für die tatsächliche Geschlechtergleichstellung anerkannt. Zu berfürchten ist allerdings,
dass es ihnen an den nötigen finanziellen Mitteln fehlt. Bis heute sind mir nur Klagen durch Berufsverbände
bekannt. Im EU-Recht bestehen keine Vorschriften für die Mitgliedstaaten, Klagerechte von Verbänden oder
Behörden einzuführen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich jedoch in einigen Mitgliedstaaten
kollektiv durch Gewerkschaften vertreten lassen. Erwähnen möchte ich überdies die Verpflichtung der
Kantone, einfache und kostenlose vorgerichtliche Schlichtungsverfahren für Streitigkeiten aus dem privaten
Arbeitsverhältnis einzuführen. Der Grund dafür war vor allem, die benachteiligten Frauen zu motivieren, gegen
ihre Arbeitgeber ausserhalb eines gerichtlichen Verfahrens vorzugehen und vor Rachediskriminierungen zu
schützen. Einige Kantone haben das Schlichtungsverfahren obligatorisch erklärt und auf öffentliche
Arbeitsverhältnisse ausgedehnt.
Keine Chancen hatten ein im ursprünglichen Entwurf vorgeschlagenes Behördeklagerecht sowie eine
weitergehende Untersuchungskompetenz für das Eidg. Gleichstellungsbüro, wie dies z.B. bei der Equal
Opportunities Commission in Grossbritannien der Fall ist. Aber auch auf kantonaler Ebene ist die Delegation
von effizienten Untersuchungs- und Kontrollkompetenzen an staatlichen Gleichstellungsstellen praktisch
ausgeblieben.
Das UNO-Übereinkommen
Seit ein paar Monaten ist das UNO- Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau nun auch in der Schweiz ratifiziert. Es verbietet ausdrücklich die Diskriminierung
von Frauen und verpflichtet die vertragsschliessenden Staaten zu sofortigen Massnahmen zur Herstellung der
materiellen Chancengleichheit und zur Überwindung der sozialen Benachteiligung von Frauen. Besonderes
Gewicht wird auf die Neukonzeption von Familien gelegt werden, welche eine veränderte Rollenteilung
herbeiführen. Die Spannweite des Übereinkommens liest sich wie ein Märchen: In sämtlichen Lebensbereichen
sollen Frauen den Männern gleichgestellt werden: von der Bekämpfung der Gewalt bis hin zur Teilhabe am
Wirtschaftsleben. Nicht minder märchenhaft liest sich die bundesrätliche Botschaft in Bezug auf die
Übereinstimmung des Übereinkommens mit der Situation der Frauen in der Schweiz. Ihm zufolge genügt die
schweizerische Rechtsordnung den Anforderungen des Übereinkommens in weiten Teilen. Tatsache ist, dass
die meisten Bestimmungen rein programmatischer Natur sind und dass den Vertragsstaaten beim Erlass von
Massnahmen ein grosser Handlungsspielraum zusteht. Immerhin ist zu beachten, dass das Übereinkommen
Bestandteil des schweizerischen Rechts geworden ist und für die rechtssetzende und rechtsanwendende
Behörde Geltung hat. Erst die Zukunft wird aber zeigen, ob griffige Massnahmen zur Beseitigung von
Diskriminierungen gestützt auf das Übereinkommen ergriffen werden oder nicht. Einen nicht sehr
vielversprechenden Anfang hat der Bundesrat dieses Jahr gemacht, indem er die von Frauenseite lancierte
Volksinitative für eine gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden (Initiative 3. März) ohne
Gegenvorschlag zur Ablehnung empfiehlt. Dies, obschon Art. 7 des Übereinkommens die Vertragsstaaten dazu
verpflichtet, den Frauen das gleiche Recht bei "der Ausarbeitung der Regierungspolitik und deren
Durchführung sowie auf die Bekleidung der öffentlichen Ämter und auf Wahrnehmung aller öffentlichen
Aufgaben auf allen Ebenen staatlicher Tätigkeiten" zu gewährleisten. Darüber hinaus existieren Empfehlungen
des für die Überwachung des Überinkommens zuständigen Ausschusses für die Beseitigung der
Diskriminierung der Frau für die Einführung von Zielvorgaben. Der Bundesrat gibt in seiner nicht sehr
scharfsinnigen Begründung zu, dass Frauen in allen Bundesbehörden klar untervertreten sind und
Quotenregelungen im politischen Bereich je nach Ausgestaltung mit Art. 4 Abs. 2 BV vereinbar sind. Trotzdem
lehnt er die Einführung einer Quote als ein zu massiver Eingriff ab und hofft auf eine "langsame aber stetige"
Annäherung der Frauenanteile. Quotenregelungen in der Politik fallen nicht unter den Anwendungsbereich der
EU. Hingegen existieren Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Bezug auf die
gleichberechtigte Mitwirkung im politischen Leben (Empfehlung 1229 (1994) für die Gleichberechtigung von
Mann und Frau, verabschiedet am 24. Januar 1994).
Zu erheblichen Rechtsunsicherheiten auch in der Schweiz hat ein 1995 gefälltes Urteil des EuGH geführt,
wonach positive Massnahmen im Erwerbsleben, die Frauen bei der Anstellung und Beförderung automatisch
bevorzugen, nicht durch die Gleichbehandlungsrichtlinie gedeckt sind (Urteil vom 17. Oktober 1995, Rs.
450/93 Kalanke gegen Freie Hansestadt Bremen). Das Urteil, das einen klaren Rückschritt für die tatsächliche
Gleichstellung der Frau im Erwerbsleben bedeutet, wird automatisch Einfluss auf die positiven Massnahmen
zugunsten der Frauen in der Schweiz haben.
Sozialversicherungen
Im Bereich der sozialen Sicherheit der Frauen möchte ich einige wenige Neuerungen hervorheben. Mit der vor
allem auch in Frauenkreisen umstrittenen 10. AHV-Revision werden individuelle und zivilstandsunabhängige
Renten eingeführt. Das sog. Einkommenssplitting ersetzt das bisherige Ehepaarkonzept, d.h., statt der
Ehepaarrente erhalten nun auch verheiratete Frauen eine eigenständige Rente. Die während der Ehe einbezahlten
Beiträge werden hälftig auf beide Konten aufgeteilt. Seit anfangs Jahr werden Erziehungs- und
Betreuungsgutschriften gewährt. Im gleichen Zug wurde das Rentenalter der Frauen auf 64 erhöht. Dennoch
kann nicht von einem umfassenden Systemwechsel gesprochen werden, da Männer in jedem Fall
beitragspflichtig sind und nur sie gewisse Leistungen auslösen können, selbst wenn sie nicht erwerbstätig, also
z.B. Hausmänner sind. Zudem beträgt die maximale Ehepaarrente nach wie vor das 1.5fache der einfachen
Rente. Die Erwerbstätigkeit der verheirateten Frauen lohnt sich also nur solange, bis die maximale Ehepaarrente
erreicht wird. Modellvergleiche in der Europäischen Union zeigen jedoch trotz den von der EG verabschiedeten
Richtlinien zur Gleichbehandlung von Frau und Mann in den sozialen Sicherungssystemen (insbesondere RL
79/7/EWGV und 86/378) erhebliche Unterschiede in den Mitgliedstaaten.
Ganz schlechte Karten haben Frauen in der Schweiz punkto Mutterschutz. Trotz mehrerer Anläufe ist es nicht
gelungen, den seit Jahren bestehenden Verfassungsauftrag zur Einrichtung einer Mutterschaftsversicherung zu
erfüllen. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Modelle werden von der Arbeitgeberseite vehement bekämpft
und eine Ergänzung der Mutterschaftsversicherung durch ein umfassendes Angebot an staatlichen
Kinderbetreuungsangeboten und Tageschulen steht nicht einmal zur Diskussion. Hier stehen die Frauen in der
Schweiz klar im Schatten ihrer Kolleginnen in der EU. In allen EU-Staaten existieren gesetzliche
Mutterschutzregelungen in Form von Mutterschaftsversicherungen, welche teilweise erheblich weitergehen als
das schweizerische Recht. Insbesondere sind es zwei Richtlinien, welche die Mitgliedstaaten zur Regelung des
Mutterschutzes verpflichten (RL 86/613/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung
von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbsarbeit ausüben, sowie über die Mutterschaft; RL
92/85/EWG über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen
am Arbeitsplatz). Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang auch ein im Rahmen des sozialen Dialogs
(Art. 2 des Sozialabkommens) von der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ausgehandeltes Rahmenabkommen
zum Elternurlaub (Framework Agreement on Parental Leave vom 14. Dezember 1995). Dieses schlägt den
Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern Minimalstandards für die Einführung eines Elternurlaubs vor.
Schlussbetrachtung: Die Axt im Hause erspart die Zimmerin nicht
Die Schweiz hat in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den letzten Jahren Fortschritte
gemacht. In vielen Bereichen sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schaffung einer kohärenten
Gleichstellungspolitik gegeben und im beruflichen Bereich existieren konkrete Instrumente zur Durchsetzung
der tatsächlichen Gleichstellung. Dennoch kämpfen wir Frauen in der Schweiz immer noch mit kürzeren Ellen
als unsere Kolleginnen in der EU. Diesen steht ein grösseres (rechtliches) Instrumentarium zur Verfügung -
angefangen von Richtlinien bis hin zu konkreten Empfehlungen, Rahmenabkommen, Aktionsprogrammen und
Förderprogrammen. Zudem hat sich der Europäische Gerichtshof in seiner jahrelangen Rechtsprechung
bemüht, auf die Wirksamkeit der Gleichberechtigung zu achten und hat eine Reihe von beachtlichen Urteilen
gefällt. Die EU stellt ein vergleichsweise grösseres Etat für Frauenforschung und -förderung zur Verfügung
und die berufliche Weiterbildung wird für die Entwicklung des EU-Binnenmarktes von zentraler Bedeutung
sein. An diesen Errungenschaften nehmen wir Frauen in der Schweiz nicht teil. Noch immer kämpfen wir für
die minimalsten Rahmenbedingungen, um Familie und Beruf einigermassen unbeschadet unter einen Hut zu
bringen. Wir kämpfen für Tagesschulen, ja sogar für Blockzeiten, für einheitliche Schulsysteme, für
vorschulische Betreuungseinrichtungen, für die Anerkennung unserer beruflichen Abschlüsse in allen
Kantonen, für die steuerliche Anrechnung ausserhäuslicher Betreuungskosten, für die Akzeptanz des
Elternurlaubs, für flexiblere Arbeitszeiten ... usw. Noch immer erwarten Männer (und Frauen!) von uns
Frauen doppelte Leistung für die gleiche Position. Noch immer erbringen wir ein vielfaches an Haus-,
Betreuungs- und ausserhäuslicher Freiwilligenarbeit als Männer. Für ein Vergelt's Gott oder vielleicht auch
nicht.
Viel schlimmer wiegt jedoch die unerträgliche Selbstgefälligkeit, mit der Politiker, Verwaltungsräte,
Personalverantwortliche und Vorgesetzte die hart erkämpften minimalen Fortschritte in der Gleichstellung
zuzugestehen. Das gesellschaftliche Misstrauen gegenüber der Aufhebung der klassisch patriarchal
ausgerichteten Geschlechterordnung und der damit verbundenen Rollenteilung scheint bei uns tatsächlich
grösser zu sein als in den fortschrittlicheren europäischen Ländern. Eine kürzlich veröffentlichte Studie kommt
zum Schluss, dass die tatsächliche Integration der Frau in Beruf in der Schweiz weder wirtschaftlich noch
politische erwünscht ist, viel schlimmer noch, dass sich eine Erwerbstätigkeit für Schweizer Frauen gar nicht
lohnt. Vor diesem Hintergrund und aufgrund meiner praktischen Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte
befürworte ich den EU-Beitritt der Schweiz. Integration bietet die Möglichkeit, von unseren Nachbarinnen und
Nachbarn zu lernen. Nur durch den Erfahrungsaustausch, durch Mitgestaltung und direkte Einflussnahme
lassen sich auf Dauer Verbesserungen für Frauen erreichen und - wenn vielleicht auch nicht der Balken - dann
zumindest kleinere oder grössere Splitter im Auge unserer Nation entfernen.
Das Mehrebenensystem in der EU fordert die Zusammenarbeit aller Ebenen. Das heisst, dass
Frauenorganisationen weitaus stärker in allen Entscheidprozessen aller Ebenen miteinbezogen werden müssen.
Die Möglichkeiten des sozialen Dialogs im Rahmen des Sozialabkommens sollen verstärkt für Frauenanliegen
genützte werden können. Zu fordern ist auf EU-Ebene, dass Gleichstellungsanliegen, welche von der
nationalen, regionalen und örtlichen (das hiesse für die Schweiz auch kantonale und Gemeindeebene)
Regierungen innerhalb einer angemessenen Frist nicht effektiv umgesetzt werden, von der EU in Angriff
genommen werden sollten. Mit dieser subsidiären Kompetenzübertragung wird der Druck auf Regierungen,
mehr für die Umsetzung ihrer Normen zu tun, erheblich verstärkt. Gleichstellungsrechte sind
Gesellschaftsrechte, Menschenrechte. Erst dann haben wir eine Demokratie, wenn wir eine
Geschlechterdemokratie haben. Das Grundrecht auf Gleichbehandlung sollte deshalb in einem europäischen
Grundrechtskatalog festgeschrieben werden, der für staatliche Behörden und zwischen Privaten Geltung hat.
Aber nicht nur auf europäischer Ebene, auch auf internationaler Ebene ist eine verstärkte Zusammenarbeit
nötig. Mit der Ratifikation des UNO-Übereinkommens von 1979 zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau ist ein erster Schritt getan. Der Beitritt der Schweiz zur UNO ist nichts als eine
logische Konsequenz aus dieser Ratifikation! Zimmern wir mit an einer geschlechterdemokratischen Welt.
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Weiterführende Literaturhinweise
• Baumann K. et al.: Sozialpolitk - Arena des Geschlechterkampfes, Feministische Arbeitshefte zur Politik, H.3, Zürich, 1995 • Baumann, H.: Von nationalstaatlichen zu europäischen Arbeits- und Sozialbeziehungen, Basler Schriften zur Europäischen Integration, 11/1995 • Hausammann Ch./Schläppi E.: Menschenrechte und Frauenrechte: Das UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und seine Bedeutung für die Schweiz, in: AJP 1/1995 • Klett, K./Yersin, D.: Die Gleichstellung von Frau und Mann als rechtspolitischer Auftrag, FS für M. Bigler-Eggenberger, Basel, 1993 • Merz., M.: Lohnt es sich für Schweizer Frauen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen? Zürich, 1996 • Pauer-Studer, H.: Frauenarbeit und Geschlechtergerechtigkeit, in: Arbeit - Arbeitslosigkeit, Rechtsphilosophische Hefte, Bd. 5, Frankfurt am Main, 1996 • Piepenschneider, M. (Hrsg.): Frauenpolitik in der Europäischen Union, Baden-Baden, 1996 • Rafael, N./Siegwart, K. et al.: Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im europäischen und schweizerischen Recht, Bern, 1997 • Ruth, H., Schaad, J. et al.: Arbeitszeit und Arbeitslosigkeit, Zürich 1995 • Schwander Y./Schaffhauser R. (Hrsg.): Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann, St. Gallen, 1996 • Vaubel, R.: Social Regulation and Market Integration: A Critique and Public-Choice Analysis of the Social Chapter, in: Aussenwirtschaft, H.1, Zürich 1995
Anteil der Frauen im Nationalrat 1995: 21,5%; Anteil der Frauen im Ständerat: 17,5%; Bundesrat: 14,3%; Anteil der Frauen im Bundesgericht: 13,3%.
Vgl. Schunter-Kleemann, Susanne: Alterssicherung von Frauen: ein Vergleich grundlegender Modelle in der Europäischen Union, in Frauenpolitik in der Europäischen Union, Baden-Baden 1996, S. 91ff.
Auf die Frage, ob dieses Misstrauen historisch bedingt ist, kann aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden.
Merz, Michaela: Lohnt es sich für Schweizer Frauen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen? Auswirkungen institutioneller Rahmenbedingeun auf die Entscheidung zwischen Familie und Beruf, Zürich, 1996
Juristin, Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenfragen der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau, vorm. Leiterin des Gleichstellungsbüros des Kantons Basel-Landschaft
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