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Respekt für das Irische Nein!



Die drei irischen EU-Parlamentarier, die gegen den Vertrag von Nizza eintraten, Patricia McKenna, Nuala Ahern und Dana Rosemary Scallon, in Zusammenarbeit mit der National Platform, Irland, und der SOS Demokratie Gruppe im EU-Parlament entwarfen im Zuge der offensichtlichen Absicht der EU und der irischen Regierung, das Votum des irischen Volkes zu übergehen, einen Fünf-Punkte-Plan für eine demokratischere, bevölkerungsorientiertere EU. Dieser Plan wurde dem EU-Kommissions-Präsidenten Romano Prodi anlässlich eines Treffens in Dublin am 22. Juni 01 vorgelegt. Bei dieser Gelegenheit wurde Prodi auch über die Gründe des irischen Neins informiert.

SOS Demokratie umfasst EU-Parlamentarier aus verschiedenen Fraktionen, die den gegenwärtigen Trends der EU zum Zentralismus, der Erosion der Demokratie in den Mitgliedstaaten und dem Versuch, die EU in eine Supermacht unter Deutsch-Französischer Hegemonie zu machen, entgegentreten. Der Fünf-Punkte-Plan umfasst:

1. Die EU-Erweiterung soll fortgeführt werden

Verhandlungen über die EU-Erweiterung sollen jetzt intensiviert werden. Sie sollen flexibler werden, damit möglichst viele Länder 2004 zum Beitritt bereit sind. Die Stimmenverhältnisse im EU-Rat und die Vertretungen im EU-Parlament könnten der Erweiterungserklärung, die dem Nizza-Vertrag beigefügt wurde, entsprechen. Diese war nicht legaler Teil des Vertrags und wurde deshalb durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Irlands nicht verworfen. Die ersten fünf Beitrittskandidaten, die für den Beitritt bereit sind, sollten der EU unter den Bestimmungen des Amsterdamer Vertrages beitreten.

2. Ein neuer, vereinfachter EU-Vertrag

Die Ratifikation des Nizza-Vertrages durch die übrigen EU-Staaten sollte sofort gestoppt werden, da es rechtlich nicht möglich ist, einen EU-Vertrag mit weniger als 15 Unterschriften zu ratifizieren und da ein verbindliches irisches Referendum durch die übrigen EU-Staaten, die sich "demokratisch" nennen, zu respektieren ist. Statt einer illegalen Fortführung der Ratifikationsrunde sollten die EU-Regierungen die europäischen Völker und Parlamente dazu einladen, eine öffentliche Debatte über einen neuen, vereinfachten grundlegenden EU-Vertrag zu eröffnen.

3. Eine schlankere, weniger zentralisierte, bevölkerungsorientiertere EU

Das Nein Irlands war nicht ein spezifisch irisches Nein. Es hätte in jedem EU-Land ein Nein geben können - wenn die Politiker es gewagt hätten, ihre Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum zu konsultieren. Das irische "Nein" war ein europäisches Nein zu einem Vertrag, der die demokratische, europäische Zusammenarbeit gefährdet. Der Nizza-Vertrag würde noch mehr Macht in Brüssel zentralisieren, obwohl weniger denn ein Fünftel der EU-Europäer es vorziehen, von Brüssel aus regiert zu werden - statt auf lokaler, regionaler und Landesebene. Nizza würde den EU-Club der Gleichen in Erstklass- und Zweitklass-Mitglieder aufteilen.

Der nächste EU-Vertrag sollte einen klaren Kompetenzkatalog für eine schlankere, weniger zentralisierte, bevölkerungsorientierte EU aufweisen. Brüssel soll sich auf klar eingegrenzte Themen konzentrieren, welche die Landesgrenzen überschreiten und welche die Parlamente der Mitgliedländer nicht wirksam angehen können. Wenn die Länder ein Sachgebiet nicht vollständig und ausschliesslich regeln können, haben die Wählerinnen und Wähler durch internationale Zusammenarbeit nichts zu verlieren und alles zu gewinnen.

4. Offene Entscheidverfahren

Die EU-Legislation findet hinter geschlossenen Türen statt. Von nun an müssen alle Verhandlungen über EU-Gesetze öffentlich stattfinden. Alle Unterlagen und Dokumente von EU-Zusammenkünften müssen für die Bürgerinnen und Bürger frei zugänglich sein. Der EU-Rechnungshof , der EU-Ombudsmann und spezielle Ausschüsse des EU-Parlamentes müssen vollen Zugang zu alle Bereichen der EU-Verwaltung haben - ohne jegliche Einschränkungen.

5. Eine demokratische EU

Der nächste EU-Vertrag muss in einem Unten-Nach-Oben-Prozess entstehen. Die Bürgerinnen und Bürger sind einzubeziehen. Das Auferlegungsverfahren durch Eliten ist nicht akzeptabel. Verhandlungen müssen mit Diskussionen in den Parlamenten der Mitgliedstaaten und in speziellen öffentlichen Diskussionsforen beginnen. Für das Endresultat muss in jedem Land ein verbindliches Referendum stattfinden.

Die EU kann nicht mehr durch Beamte und Minister hinter verschlossenen Türen in Brüssel regiert werden. Alle EU-Gesetze gehören den Elektoraten der EU. Die EU-Eliten dürfen nicht das irische Volk ausboten, indem sie "dänische Zuckergebäcke" in Form von leeren politischen Erklärungen zu einem Nizza-Vertrag hinzufügen, der vom Irischen Volk verworfen wurde.

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