Die SVP-Initiative "gegen die illegale Einwanderung", ist im Gegensatz zum Arbeitsgesetz bisher im Abstimmungskampf fast untergegangen. Gerade die Kopplung der beiden Themen birgt aber eine Gefahr in sich: Die Gefahr nämlich, dass éngste und Sorgen um Arbeitsbedingungen abgewälzt werden auf die Abwehr von Randgruppen wie die Asylsuchenden.
von Silvia Sommer, Asylkoordination Schweiz, Bern
Die Initianten wissen genau, worum es geht
In ihren Argumenten versuchen sie uns weiszumachen, dass es einen "Asylmissbrauch" gebe. Unter
Missbrauch verstehen sie wahrscheinlich, dass der Grossteil der Asylsuchenden ohne gültige Reisepapiere in
die Schweiz einreisen. Sie unterstellen ihnen, dass sie gar keine richtigen Asylgründe hätten, sondern bloss
in die Schweiz kämen, um Arbeit zu finden, sprich: von der Schweiz zu profitieren. Diese Unterstellungen
sind umso trauriger, wenn man weiss, dass ca. 85% der anerkannten Flüchtlinge ohne Papiere in die
Schweiz einreisten, Menschen also, die auf Herz und Nieren geprüft und von den Schweizer Behörden als
asylwürdig befunden wurden. Die vorgeschlagenen Massnahmen der Initianten: Kein Asylsuchender ohne
gültige Papiere hat Anrecht auf ein Asylverfahren. Der Initiative musste nachträglich allerdings eine
Korrektur beigefügt werden, nämlich der Vorbehalt des "Non-Refoulements". Laut Genfer
Flüchtlingskonvention, welche die Schweiz unterschrieben und ratifiziert hat, darf kein Mensch in ein Land
ausgewiesen werden, in welchem ihm Gefahr an Leib und Leben droht. Allerdings wäre, laut Bundesrat
Koller, auch so noch eine besondere Auslegung des Gesetzes notwendig, um die Konvention zu erfüllen.
Die Initianten betonen, dass Verfolgte nach wie vor Asyl bekommen können. Nun ist es aber doch so, dass
gerade die Verfolgten wohl kaum Gelegenheit haben, sich Pässe oder Visa zu beschaffen. Welcher
Verfolgerstaat stellt seinen Verfolgten schon gültige Papiere aus? Eine Flucht geschieht immer aus einer
Notsituation heraus. Wer sich in einer solchen Notsituation keine Papiere beschaffen kann, darf nicht als
"illegal" abgestempelt werden. Es muss in jedem Fall geprüft werden, ob die Fluchtgründe für ein Asyl
ausreichen. Gerade dieser Grundsatz ist bei einer Annahme der Initiative nicht mehr gegeben, das Asyl
würde faktisch abgeschafft.
Das Asylverfahren wird zu einem Wegweisungsverfahren.
Verfolgte, auf deren Begehren nicht eingetreten wird, oder welche ohne Verfahren weggewiesen werden,
können in eine lebensbedrohende Situation kommen. Das "Dubliner"- bzw. das "Schengener"-Abkommen
der EU-Staaten und die verschiedenen Rücknahmeabkommen mit verschiedenen an die EU angrenzenden
Ländern führen dazu, dass Asylsuchenden auch in den übrigen europäischen Staaten kein Asylrecht
garantiert wird. (Siehe dazu den Artikel von Heiner Busch in dieser Ausgabe.) Dazu kommt, dass
Asylsuchende bloss noch ein formales Beschwerderecht haben sollen. Somit sollen auch ihre Rechte
beschnitten werden.
Die Zwangsverwaltung des Einkommens kommt einer Entmündigung gleich
Falls den Asylsuchenden trotz allem ein Asylverfahren zugestanden wird, kommen weitere Einschränkungen
auf sie zu. Sie haben kein Recht, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Sollten sie trotzdem eine Arbeit finden,
wird ihr Lohn vom Bund verwaltet. Den Betroffenen wird bloss noch ein Existenzminimum gewährt, der
Rest des Einkommens wird zurückbehalten für eventuelle Kosten und für die Rückreise bei einer
Wegweisung. Mit dieser Massnahme soll ein Sonder(un)recht für eine kleine Minderheit eingeführt werden.
Sie ist diskriminierend, führt zu einer vollständigen Entmündigung der Betroffenen und zu einer
Abhängigkeit vom Staat, die krank macht und Lebensängste schürt. Gerade Flüchtlinge bedürfen aber
ermutigender und tatkräftiger Unterstützung, damit sie, in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, eines Tages in
ihr Heimatland zurückkehren oder hier als gleichberechtigte Menschen ihren Weg finden können.
Die SVP-Asylinitiative muss unbedingt abgelehnt werden
An der Grossdemonstration der Gewerkschaften vom 26. Oktober verteilte der Schweizerische
Gewerkschaftsbund (SGB) ein Flugblatt mit dem Titel "Wir wollen uns nicht wieder schämen müssen", mit
dem Hinweis also auf die fatale Flüchtlingspolitik der Schweiz während des zweiten Weltkriegs. Es geht
nicht an, dass die Schwächsten unserer Gesellschaft, nämlich die Asylsuchenden für eine verfehlte Sozial-
und Wirtschaftspolitik verantwortlich gemacht werden. Solche Tendenzen von Rechtsaussen-Politikern
müssen erkannt und bekämpft werden. Wer weiss, welche Randgruppe als nächste eine Sündenbockrolle
übernehmen soll, vielleicht die Behinderten oder die Arbeitslosen?
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