Der Vertrag von Amsterdam kann zu gewissen Verbesserungen für die Umwelt führen: In den Erwägungsgründen des Vertrags ist jetzt eine nachhaltige Entwicklung als eines der Ziele der EU aufgeführt, die Politik der EU soll durch Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung geprägt sein, für die Umweltartikel 130r und 130s Absatz 1 wird die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments eingeführt, was zu einer besseren Umweltpolitik führen kann, da das Europäische Parlament im Normalfall umweltfreundlicher ausgerichtet ist als der Rat. Dafür wird es entgegen den Erwartungen der Umweltbewegung keine Mehrheitsentscheidung im Rat über Umweltsteuern geben. Auch werden die Umweltorganisationen kein Klagerecht vor dem EG-Gerichtshof erhalten.
von Per Gahrton, schwedischer EU-Parlamentarier, Grüne Partei
In Schweden und in Dänemark trompeteten unkritische Medien bereits am Tag nach dem Gipfel von Amsterdam heraus, daß die sogenannte "Umweltgarantie" (1 1Gemeint ist die Möglichkeit, in einem Land in der Umweltschutzgebung weiter zu gehen als in anderen Ländern, wenn davon der freie Warenverkehr betroffen ist) gestärkt worden sei. Es ist zwar richtig, daß es jetzt einem EU-Land ausdrücklich möglich ist, nationale Vorschriften auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht nur beizubehalten, sondern sogar einzuführen. Die Bedingungen dafür sind aber streng:
• Das Problem, das die nationalen Sondervorschriften begründet, muß für den Mitgliedstaat spezifisch sein. Diese Bedingung ist im Maastricht-Vertrag nicht enthalten, sondern wurde vom EG-Gerichtshof eingeführt, als er Deutschland in dem berühmten Urteil zugestand, Pentachlorphenol (PCP) aufgrund angeblich besonderer Bedingungen zu verbieten. Dieses bewirkt eine besondere Gefährdung der Menschen in Deutschland (u.a. wird auf die Schneemenge in Deutschland hingewiesen). Diese Urteilsbegründung ist nun in den Unionsvertrag eingefügt worden, was gegenüber der früheren Situation eine sehr viel stärkere Einschränkung darstellt. Kann Schweden beispielsweise tatsächlich spezifische Gründe dafür anführen, sein Verbot von mehr als 600 Pflanzenschutzmitteln beizubehalten, die in der EU zugelassen sind, nicht jedoch in Schweden?
• Im Vertrag von Maastricht heißt es, daß Ausnahmeregelungen im Interesse des Umweltschutzes keine verschleierte Handelsbeschränkung darstellen dürfen. Diese Vorschrift bleibt in Kraft. Hinzu kommt die gänzlich neue Vorschrift, daß Ausnahmeregelungen im Umweltinteresse das Funktionieren des Binnenmarktes nicht behindern dürfen. Nach Auffassung der Umweltbewegung kann diese Vorschrift gegen alle im Interesse des Umwelt- und Gesundheitsschutzes beantragten Ausnahmeregelungen angewendet werden.
• Das Kriterium der "wissenschaftlichen Erkenntnisse" wird eingeführt. Die landspezifische Gefährlichkeit eines Stoffes muss wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen werden. Dies ist aber mit dem Vorbeugeprinzip unvereinbar, das auf der sogenannten umgekehrten Beweislast beruht: das Fehlen wissenschaftlicher Beweise für die Ungefährlichkeit chemischer Stoffe kann zu einem Verbot der Stoffe führen.
• Eine zusätzliche Einschränkung besteht darin, daß das durch Sonderregelungen zu lösende Problem "nach dem Erlaß einer Harmonisierungsmaßnahme" entstanden ist. Neue Erkenntnisse oder Beweise, die nach der EU-Entscheidung aufgekommen sind, genügen also nicht. Es ist notwendig, daß konkret ein Problem nach Erlaß der EU-Vorschriften entstanden ist. Wie kann man Schäden vorbeugen, wenn man nur enstandene Problem angehen darf?
Die "Umweltgarantie", die seit der Einheitlichen Akte von 1986 im Vertrag zu finden ist, konnte in gut 10 Jahren lediglich siebenmal in Anspruch genommen werden. Der Vertrag von Amsterdam bekräftigt, daß es keine "Umweltgarantie" in den EU-Vorschriften gibt, sondern nur eine Ausnahmeregelung aus Umweltgründen. Was diese genau beinhaltet, wird nicht in demokratischer Weise entschieden, sondern nach Ermessen der Kommission und des Gerichtshofs.
Durch den Vertrag von Amsterdam wird die EU nicht zu einer umweltfreundlichen Organisation. Seine Auswirkungen auf die einzelnen Länder hängt von den jeweiligen Voraussetzungen ab. Für bestimmte EU-Länder (nicht zuletzt Schweden, Finnland und Österreich) besteht eine Gefahr durch die EU-Forderung, ihre Schutzmaßnahmen nach unten zu harmonisieren. Dagegen können einige ost- und mitteleuropäische Länder gezwungen werden, ihre Umweltvorschriften zu verschärfen, um sie auf EU-Niveau zu bringen. Das Grundproblem ist jedoch nicht das Umweltrecht, sondern die Wirtschaftspolitik. Die Wachstumsorientierung der EU führt unausweichlich zu starken Umweltbelastungen durch Zunahme des Autoverkehrs, durch eine industrialisierte Landwirtschaft, durch eine immer größere Zahl neuer chemischer Stoffe, durch die Biotechnologie usw. Wenn dieses gesellschaftliche Modell auf Ost- und Mitteleuropa ausgeweitet wird, kann die EU-Erweiterung sich insgesamt negativ auswirken,selbst bei einer Verschärfung bestimmter Schutzvorschriften.
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