Der Vertrag von Amsterdam verstärkt die militärische Dimension der EU. Im Vertrag von Maastricht (Artikel J.4) ist davon die Rede, "auf längere Sicht eine gemeinsame Verteidigungspolitik festzulegen, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte". Im Vertrag von Amsterdam (Artikel J.7) hingegen heißt es: "... schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik ... die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der Europäische Rat dies beschließt". Das bedeutet, daß die EU ohne Änderung des EU-Vertrags eine gemeinsame Verteidigung errichten kann und dies weder die Einberufung einer neuen Regierungskonferenz noch die Durchführung einer eingehenden öffentlichen Debatte über diese sehr wichtige Frage erfordert. In Anbetracht des Grundsatzes der Flexibilität (Artikel K.12), wonach es auch einer einzelnen Gruppe von interessierten Mitgliedsstaaten möglich ist, untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit einzugehen, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die gemeinsame Verteidigung Wirklichkeit wird.
von Ulla Klötzer, Vorsitzende der finnischen "Alternative zur EU"
Integration der WEU erleichtert
Einige Regierungsvertreter haben es auf der Regierungskonferenz zum Amsterdamer Vertrag als einen Erfolg betrachtet, daß die Westeuropäische Union (WEU) im Vertrag von Amsterdam nicht in die EU integriert wurde. In Artikel J.7 indessen ist festgelegt, daß die Union und die WEU im Hinblick auf die Möglichkeit einer Integration der WEU in die Union eine engere institutionelle Zusammenarbeit pflegen können, falls der Europäische Rat dies beschließt. Für diese wichtige Frage ist weder die Einberufung einer erneuten Regierungskonferenz noch eine öffentliche Debatte vorgesehen.
Aufnahme von Elementen der "Petersberger Erklärung"
Im Vertrag von Amsterdam wurden die Aufgaben für gemeinsame Aktionen festgelegt. Dabei wurden die Aktionsformen der "Petersberger Erklärung" (19. Juni, 1992) übernommen. Es geht unter anderem um humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben, andererseits aber um Kampfeinsätze bei Krisenbewältigung, einschließlich "friedensschaffender Maßnahmen". Dies beinhaltet auch ein bewaffnetes Eingreifen und aktive Kriegsteilnahme. Die EU übernimmt hiermit Aufgaben, die in der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, wobei nirgends festgelegt ist, daß die "friedenschaffenden Maßnahmen" der EU nur durchgeführt werden können, nachdem der UN-Sicherheitsrat dies beschlossen hat. Es besteht also die große Gefahr, daß es Unklarheiten über die Rollenverteilung in diesen äusserst kritischen Fragen geben wird.
Verstärkung der gemeinsamen Aussenpolitik
Die Beschlüsse über übergeordnete strategische Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik werden formell einstimmig im Europäischen Rat gefaßt. Ein Land kann jedoch mitteilen, daß es sich der Stimme enthalten möchte, ohne die anderen zu behindern (sogenannte "konstruktive Stimmenthaltung"). In diesem Fall ist es nicht verpflichtet, den Beschluß selber durchzuführen, akzeptiert jedoch, daß der Beschluß für die Union bindend ist. Die Beschlüsse über außenpolitische, nicht-militärische gemeinsame Aktionen können mit qualifizierter Mehrheit im Rat gefaßt werden. Zur Durchführung einer gemeinsamen außenpolitischen Aktion oder Handlung werden 62 der 87 Stimmen von mindestens 10 Mitgliedstaaten benötigt. Erklärt ein Mitgliedsland bei einer Ratssitzung der Aussenminister, daß es aus wichtigen Gründen der nationalen Politik, die es ausführlich zu erläutern hat, ein Veto einlegen will, so erfolgt kein gemeinsamer Beschluß. Das Traktandum wird an den Europäischen Rat weitergeben, wo das Land sein Veto wiederholen muß.
Im Vertrag von Amsterdam wird auch der Grundsatz bestärkt, wonach die EU in außen- und sicherheitspolitischen Fragen mit einer Stimme sprechen sollte. "Die Mitgliedsstaaten unterstützen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität" (Artikel J 1.2). "Die gemeinsamen Aktionen sind für die Mitgliedsstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend" (Artikel J 4.3). "Die Mitgliedsstaaten koordinieren ihr Handeln in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen (Artikel J 9.1)."
Insgesamt wird die EU auf dem internationalen politischen Parkett eine bedeutendere Rolle spielen, da sie fortan durch einen Generalsekretär, einen "Hohen Vertreter" repräsentiert wird, der die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU nach außen hin wahrnimmt. Zu dessen Unterstützung wird eine "Strategieplanungs- und Frühwarneinheit" eingerichtet, die über kurz oder lang zum Außenministerium der EU werden könnte.
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