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Demokratisiert die Demokratie



Die Zeit ist reif für Reformen, die Politik offenbar nicht. Das Neue hat zuwenig Chancen. In dieser Ausgabe (Seite 17 bis 19) schlagen wir vor: -Wagt mehr Demokratie - direkte Demokratie. Viele mögen sich entrüsten: Die wahre Demokratie sei repräsentativ, man benötige keine weitere Einmischung des Volkes. Wer dieses Credo in Frage stellt, bekommt es mit den Staatsrechtlern zu tun und mit den Volksvertretern, die ihre Macht verteidigen. Dabei fühlen auch sie sich ohnmächtig, wenn sie neue Ideen durchsetzen wollen. Es fehlen die richtigen Verfahren. Und so könnte moderne Demokratie aussehen: Stellen Sie sich vor, eine Gruppe von Bürgern will zum Beispiel Steuern auf den Naturverbrauch einführen. Für eine bundesweite Volksabstimmung braucht sie, sagen wir, eine halbe Million Unterschriften. Die Gruppe findet Verbündete, sie formuliert einen verständlichen Gesetzesvorschlag. Nun beginnt das Sammeln der Autogramme: auf der Straße, auf Veranstaltungen, in Parteien, im Familienkreis. Hat die Gruppe diese erste Hürde überwunden, reicht sie den Text bei einer unabhängigen Behörde ein, die ihn auf seine Rechtmäßigkeit überprüft. Sodann entscheidet der Bundestag, ob er dem Text zustimmt oder Ablehnung empfiehlt - oder ob er in Konkurrenz zur Bürgergruppe einen eigenen Gesetzesvorschlag erarbeitet, über den das Volk ebenfalls abstimmen wird.

Ein anstrengender Prozess, gewiss, der aber zu millionenfacher Diskussion führt, zu neuen Einsichten vermutlich, zu politischem Bewusstsein bestimmt. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt - die Mehrheit hat gesprochen. Das Votum und seine Folgen werden weithin akzeptiert.

Die Liste der Reformen ist lang, über die das Volk debattieren und befinden könnte. Die Subventionen, das Gesundheitssystem, die Bildung oder die Kernenergie, der Euro - und die Rechtschreibreform. Neuerungen fielen nicht wie Manna oder Trockenbrot vom Himmel.

Direkte Demokratie funktioniert dann, wenn sie der Gesellschaft Zeit und Raum zur Diskussion läßt; die Parlamente in Bund und Ländern müssen beteiligt werden, sie sollen ihren Sachsichten und ihre Koinpromißfähigkeit einsetzen; wer weiß, vielleicht müßten die Bürger ihre Vertreter wieder zu schätzen.

So wäre Direktdemokratie ein großer Schritt auf dem Reformweg. Die Bürger könnten ihre Ideen in die Politik tragen; Deutschland wäre offener für politische und soziale Erfindungen. All das setzt Vertrauen in die Menschen voraus - und ausgerechnet in die Deutschen. Dieses Vertrauen ist heute gerechtfertigt. Und: Die Vernunft der Bürger wächst, wo niemand sich als Objekt undurchsichtiger Politik und fremder Institutionen fühlt.

Zum Schluß eine Drohung: Dies ist erst ein Anfang. Die ZEIT-Reformwerkstatt sucht Wege zu Innovationen - gesellschaftlichen wie technischen. Oder soll die Republik bleiben, wie sie ist?

Uwe Jean Heuser, Gero von Randow

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