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Uno-Beitritt - ja aber



Die Frage des UNO-Beitritts wird im Augenblick auch von Leuten aufgegriffen, die in den letzten Jahren das Wort "Öffnung" desavouiert haben, indem sie Öffnung auf den EU-Beitritt reduzierten. So verstanden bedeutet Öffnung nur die substantielle Einschränkung der direkten Demokratie und die zusätzliche Liberalisierung des Binnenmarktes "Schweiz" mit entsprechendem Druck auf Löhne und Strukturen. Diese "Öffner" möchten nun den Schweizerinnen und Schweizern das, was sie unter "Öffnung" verstehen, schmackhaft machen, indem sie zuerst den UNO-Beitritt propagieren * gleichsam als vorgängige, didaktisch aufbereitete Vorübung für den EU-Beitritt. Über notwendige Reformen der UNO, über ein Pflichtenheft für den Bundesrat für den Fall eines UNO-Beitritts muss aus dieser Perspektive heraus nicht diskutiert werden. Solches wäre aber nötig, wenn ein UNO-Beitritt der Schweiz dieser und der restlichen Staatenwelt etwas bringen soll. Ohne klare Zielvorgaben für den Bundesrat, sich für eine rechtliche Einbindung der Grossmächte und für eine aktive Demokratie-, Menschen- und Minderheitspolitik einzusetzen, werden wir den UNO-Beitritt zwar bejahen, ohne jedoch in Begeisterungsstürme auszubrechen * überall dabei sein zu wollen, mag zwar sozialpsychologisch verständlich sein, ist aber kein politisches Programm.

Die Redaktion (nach Vernehmlassung mit dem Vorstand des Forums für direkte Demokratie)

UNO - die starke Stellung der Grossmächte

Die Notwendigkeit einer Organisation wie der UNO ist unbestritten. Die Staatenwelt braucht unbedingt eine weltumfassende Organisation, • die verbindliche Regelungen für die friedliche Konfliktlösung bereitstellt und deren Achtung gewährleistet,
• welche die Menschen- und Minderheitenrechte international absichert
• die einen Rahmen für die Schaffung eines internationalen Regelwerkes für Mindestnormen im Sozial- und Umweltbereich bereitstellt.


Von einer wirksamen Wahrnehmung dieser Aufgaben ist die UNO aber noch weit entfernt. Es ist ihr bisher nicht gelungen, internationale Konflikte einem Lösungsverfahren zuzuführen, das nicht willkürlich ist. Grossmächte wie die USA vermögen es immer wieder, die UNO für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Als beispielsweise Indonesien in den 70er Jahren Osttimor besetzte, wurde dies durch eine UNO-Resolution zwar verurteilt. Da die Interessen keiner Grossmacht tangiert waren, hatte dies allerdings keine weiteren Folgen und Osttimor wird immer noch von Indonesien militärisch besetzt. Ganz anders im Falle Kuweits. Da die Erdölinteressen der USA und der EU tangiert waren, wurden mediengerecht militärische Sanktionen durchgesetzt. Solche Willkür * wie sie etwa auch gegenüber den Palästinensern geübt wird * ist nicht akzeptabel.

Die offensichtlichen Mängel rechtfertigen allerdings nicht die Forderung nach der Gründung einer alternativen Organisation. Jeder Versuch, die notwendige Zusammenarbeit der Staaten zwecks Sicherung von Frieden und Menschenrechten zu organisieren, ist darauf angewiesen, die Grossmächte einzubinden. Da diese an einer Verminderung ihres Handlungsspielraumes kein Interesse haben und glauben, weiterhin Interessenpolitik zu ihrem alleinigen Nutzen betreiben zu können, ist und bleibt dieses Unterfangen schwierig. Dieses Problem würde sich jedoch in jeder Organisation mit den Zielen der UNO stellen. Deshalb stellt eine Alternative zur UNO keine dar und man muss sich in der UNO für eine rechtliche Einbindung der Grossmächte zwecks Eindämmung der Willkür einsetzen. Die Verminderung der Instrumentalisierung der UNO durch die Grossmächte wird nur über einen langen historischen Prozess möglich sein, an dessen Anfang wir erst stehen. Wenn die Schweiz diesbezüglich durch ihren Beitritt einen Beitrag leisten würde, wäre ein Beitritt sehr zu begrüssen. Eine Schweiz, die den Beitritt jedoch nur sucht, um im Kartell der Industriestaaten zwecks Sicherung der eigenen Interessen effizienter mitspielen zu können, ist für diese Perspektive uninteressant. Die UNO leistet unbestreitbar viel Wichtiges in ihren Unterorganisationen (FAO, UNESCO, UNEP, UN ECE, etc). Da die Schweiz an diesen beteiligt ist, vermögen diese Leistungen der UNO einen Beitritt der Schweiz nicht unbedingt zusätzlich zu motivieren. Ein wirklicher Mehrwert bezüglich der Werte, die wir vertreten, müsste schon hinzukommen, um Begeisterung aufkommen zu lassen.

UNO versus EU

Der UNO-Beitritt ist mit dem EU-Beitritt nicht vergleichbar. Während die EU einerseits ein Blockbildungsprojekt darstellt, um die Macht der westeuropäischen Industriestaaten zu sichern und die innerstaatliche Demokratie für die westeuropäischen "Eliten" unschädlich zu machen, hat die UNO eine globale Mission mit starker Ausrichtung auf Entwicklung, Frieden, Menschenrechte und ökologische Problembewältigung. In dieser Betrachtungsweise drücken der Wunsch nach einem EU- und der nach einem UNO-Beitritt diametral entgegengesetzte Werte aus. Dies gilt auch bezüglich etlicher Folgen dieser beiden Optionen. Der EU-Beitritt würde die direkte und die parlamentarische Demokratie in der Schweiz in zentralen Bereichen zur leeren Hülle aushöhlen. Die Demokratie ist bei einem UNO-Beitritt nicht im geringsten gefährdet. Der EU-Beitritt sichert durch die Unterzeichung der EU-Verträge eine neo-liberale und monetaristische Wirtschaftspolitik quasi verfassungsmässig ab, während die UNO eine solche Verengung wirtschaftspolitischer Optionen nicht vorschreibt. Der EU-Beitritt stellt einen Schritt hin zur Teilhabe an westeuropäischer Grossmachtpolitik dar * durch den Amsterdamervertrag wurde die Fusion von Westeuropäischer Union, dem militärischen Arm der EU in spe * und der EU vorangetrieben. Ein UNO-Beitritt verhindert eine Neutralitätspolitik zugunsten von Menschen- und Minderheitenrechten keineswegs.

Flankierende Massnahmen

Die vorangegangenen Überlegungen legen eine positive Haltung zum UNO-Beitritt nahe. Mit einigen flankierenden Massnahmen kann ein UNO-Beitritt sogar zu einem wesentlichen Schritt der Schweizer Aussenpolitik in eine positive Richtung werden: - Der Bundesrat erhält ein verfassungsmässiges Mandat, die Demokratie in der UNO zu stärken. Dazu sind folgende Massnahmen anzustreben: Einsatz für den vermehrten Einbezug der Nicht-Regierungsorganisationen auf allen Ebenen. Eintreten für die Partizipation der Bevölkerungen bei der Ausarbeitung von internationalem Regelwerk. Eintreten für den öffentlichen Zugang zu allen relevanten Informationen. • Der Bundesrat wird verplichtet, eine aktive Menschen- und Minderheitsrechtepolitik zu verfolgen.
• Der Bundesrat wird zur Neutralität und Blockfreiheit verpflichtet, wobei die Neutralität nicht wie bisher an den wirtschaftlichen Interessen der Schweizer Exportwirtschaft, sondern an einer aktiven Menschen- und Minderheitsrechtepolitik zu orientieren ist.
• Der Bundesrat wird verpflichtet, sich für die Eindämmung der Willkür, die durch den Einfluss der Grossmächte in der UNO entsteht, einzusetzen: Gleichberechtigung der Staaten im Rahmen der UNO-Satzungen; Einschränkung des Vetorechtes; Einrichtung eines unabhängigen Gerichtshofes, der die Einhaltung UNO-konformen Verhaltens der Staaten begutachtet.
• Für die Kontrolle dieser Politik sind Menchanismen wie parlamentarische und gemischte Kommissionen vorzusehen, welche die Öffentlichkeit regelmässig über Erfolge und Misserfolge der bundesrätlichen Anstrengungen informieren.
• Der UNO-Beitritt der Schweiz darf nicht zu lasten der bisherigen finanziellen Beteiligung an Unterorganisationen der UNO (wie FAO, UNESCO, UNEP, etc) gehen.
Nur wenn sich Exponenten aus dem sozialdemokratischen und grünen Lager glaubwürdig für solche flankierende Massnahmen einsetzen, können sie sich vom Verdacht befreien, bei der Forcierung des UNO-Beitritts gehe es ihnen letztlich nur um den von einer demokratischen, sozialen und ökologischen Warte aus gesehen äusserst bedenklichen EU-Beitritt.

Eine sozialpsychologische Betrachtung

Die EU-Beitritts-Propaganda lebt von Pseudo-Argumenten, die vor allem die sozialpsychologische Ebene ansprechen. Die EU-Befürworter lieben etwa Karten, in der die EU-Länder mit einer Farbe ausgemalt sind, und die Schweiz dazwischen als weisser Fleck erscheint. Die Insel-Metaphorik ist sehr beliebt, obwohl die Schweiz als Binnenland nun wirklich keine Insel ist. Es wird von Isolation geredet, obwohl die Schweiz mehr als 700 internationale Verträge abgeschlossen hat (laut Angaben des Bundes) und bei beinahe allen internationalen Organisationen mit von der Partie ist. An für die Schweiz relevanten Organisationen fehlen eigentlich nur die UNO, die EU und die NATO. Da wir der EU und der NATO fernbleiben wollen, wäre es durchaus günstig, der UNO beizutreten, um der EU-Intergrationsideologie, die mit Isolationsängsten operiert, etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Viel Wind wird’s ihnen allerdings nicht nehmen, da die entsprechenden Ängste auch heute schon irrational sind, da sie auf keiner realer Basis ruhen. Sie werden deshalb auch gezüchtet werden, wenn sie noch irrationaler werden.

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