Übersicht Dossiers Schweiz Schweiz - EU SP-Parteiprogramm – EntwurfBezüglich EU-Politik ist im SP-Parteientwurf der SP nichts neues zu finden. Die EU wird weiterhin als Friedensprojekt verklärt – auf dem Weg zu einer Sozialunion. „Klar: Auf dem Weg zur Demokratisierung der EU und zur Errichtung einer echten Sozial- und Wirtschaftsunion bleibt viel zu tun, neoliberale Konzepte wirken auch in der EU und auf diese ein. Auch Rückschläge sind möglich“. Die neoliberalen Konzepte wirken, gemäss dieser Darstellung, irgendwie am Rande beim hehren „EU-Friedensprojekt“ mit. Eine Analyse der politischen Möglichkeiten, die neoliberalen Konzepte zurückzudrängen, die immerhin quasi verfassungsmässig in den EU-Verträgen festgeschrieben sind, fehlt. Nun, das ist ja nicht verwunderlich, haben uns die Sozialdemokraten in der heiligen Allianz mit den Christdemokraten das rechtsliberale, antidemokratische Neue Europa doch eingebrockt. Da erstaunen dann irreal anmutenden Aussagen wie „Auf der Weltbühne gibt es aber keinen anderen globalen Player, der so klar für die Menschenrechte und für soziale und ökologische Leitplanken der Globalisierung eintritt wie die EU“ nicht mehr.
Weniger erstaunt dann wohl die Aussage: „Die europäische Integration und die Globalisierung der Welt sind daher transnationale Entwicklungen, die dem Charakter der Sozialdemokratie strategisch entsprechen“. Die strategische Ausrichtung etwa des Lissaboner Vertrages? - z.B. die quasi verfassungsmässige Festschreibung von mehr Rüstungsausgaben.
Weiter heisst es „Die nationale Grenze ist als Rahmen für politisches Handeln löchrig geworden und eignet sich nicht für die Lösung der grossen Probleme mit ihren internationalen Dimensionen: Klimawandel, Migrationsbewegungen, Warenhandel und Kapitalverkehr, Finanzspekulation, Massenkommunikation, Kooperationen im Bereich der Wissenschaften, Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechte, Krieg und Frieden. Mehr als je zuvor muss sich sozialdemokratische Politik international orientieren und einbringen“. Die EU hat allerdings den Klimawandel mit ihrer neoliberalen Wachstumspolitik bisher eher verschärft als bekämpft und durch Warenhandel und Kapitalverkehrsliberalisierung Verkehrsprobleme und Finanzspekulation angeheizt. Für Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Massenkommunikation, Kooperationen im Bereich der Wissenschaften, Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte brauchen wir die UNO und den Europarat. Und bezüglich des Friedens hätten wir auf die aufrüstende EU lieber verzichtet.
Im Papier heisst es weiter „Dennoch bleibt der Nationalstaat ein zentraler politischer Handlungsraum. Das gilt vor allem für die Schweiz, die noch (es darf gekichert werden!) nicht der Europäischen Union angehört. Sie hat ihre Position als einer der weltweit führenden Finanzplätze, als Land mit Spitzenforschung und Spitzentechnologie, mit hochqualifizierter Arbeitnehmerschaft, als Volkswirtschaft mit extremer Exportorientierung, als Einwanderungsland, als Sozialstaat, als direkte und föderalistische Demokratie im grossen Ganzen behaupten können. Die internationalen Megatrends zeigen sich aber auch in der Schweiz: der grassierende Neoliberalismus, der einer dramatischen Kräfteverschiebung innerhalb des bürgerlichen Lagers zugunsten der nationalkonservativen Rechten Vorschub leistet, wo Verlierer der Unterschicht und vom sozialen Abstieg bedrohte Mittelschichtsangehörige nun ihr Heil suchen; die Rückkehr des Shareholder-Values und der von ihm ausgehenden extremen Renditeorientierung des Kapitals; die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich; der Frontalangriff auf den Sozialstaat; die steigende Zuwanderung und ihre populistische Bewirtschaftung zulasten der SP; auf der anderen Seite die politische Öffnung des Landes nach aussen, sichtbar geworden im UNO-Beitritt und in den bilateralen Verträgen mit der EU.“ Die entscheidende Gestaltung dieser Entwicklungen durch die EU an diesen Entwicklungen wird unterschlagen.
Ziemlich pathetisch heisst es dann: „Gleichzeitig war die Sozialdemokratie immer Teil einer internationalen Freiheitsbewegung. Seit ihren Anfängen ist sie eine Emanzipationsbewegung der Arbeiterschaft und eine Demokratiebewegung, welche für die Teilhabe aller am Staat kämpft. Sie war es, die in ganz Europa die Ideen der Französischen Revolution und der Revolution von 1848 weiterführte. Demokratiegeschichte ist in Europa von der Geschichte der Sozialdemokratie nicht zu trennen. Sie hat Freiheitsrechte und Demokratie erstritten, das Frauenstimmrecht erkämpft und sich jeder Diktatur und staatlichen oder nichtstaatlichen Unterdrückung widersetzt.“ Es ist unbestreitbar, dass soziale Bewegungen und teilweise die Sozialdemokratie zur Entwicklung der Demokratie in Westeuropa einen wesentlichen Beitrag leisteten. Es ist aber auch unbestreitbar, dass es in der Sozialdemokratie immer wieder elitistisch- und bürokratisch-antidemokratische Tendenzen gab. Diese feiern spätestens seit Ende der 80er Jahr in Form der enthusiastischen Begrüssung des antidemokratischen, neoliberalen EU-Projektes neue Urstände. Die Verdienste früherer Generationen von Sozialdemokraten für die Demokratie werden von der SP heute für den Kampf gegen die Demokratie durch einen EU-Beitritt hemmungslos instrumentalisiert.
„Zur Vereinigungsfreiheit gehört auch das Recht auf kollektive Kampfmassnahmen gegen Arbeitgeberwillkür.“ Von den gewerkschaftsfeindlichen Urteilen des EU-Gerichtshofes haben die Genossen offenbar nichts gehört.
Selbstverständlich wird wieder der Mythos von der Notwendigkeit der „Mitgestaltung“ in der EU beschworen: „Die europäische Integration unter Führung der EU und die Globalisierung der Welt sind historisch bedeutsame Prozesse. Sie gehen mit einem Souveränitätsverlust der Nationalstaaten einher. Die Schweiz als eng mit der EU verbundener, aber ihr noch nicht angehörender Staat erlebt diesen Souveränitätsverlust schleichend und nennt ihn beschönigend «autonomen Nachvollzug». Der Verlust kann nach Ansicht der SP nur durch den Souveränitätsgewinn auf europäischer Ebene kompensiert werden, der mit der EU-Mitgliedschaft verbunden ist.“ Im Entwurf werden an dieser Stelle das wahrscheinliche Stimmengewicht von ca. 3% nicht erwähnt. Es wird nicht erwähnt, wer dann in Brüssel mitredet (Stärkung der Exekutive und der Verwaltung zu Lasten des Parlamentes und der stimmberechtigten Bevölkerung). Eben, wir wissen ja, welche Bevölkerungsschichten die neue Sozialdemokratie verteidigt. Wenigstens wird nicht wie auch schon – dem Leser völlige Naivität unterstellend - behauptet, man könne fehlendes Gewicht durch die Güte der Argumente ersetzen.
http://www.sp-ps.ch/fileadmin/downloads/Medienkonferenzen/2010/100407_mk_parteiprogramm/100407_Entwurf_SP_Parteiprogramm_d.pdf
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