von Ulla Klötzer, Finnland
Am EU-Gipfel in Nizza im Dezember 2000 beschlossen die EU-Regierungschefs formell eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zum Paket gehört eine Schnelleingreiftruppe von 60'000 Mann, die 2003 bereit stehen soll. Beschlossen wurde auch ein Entscheidungsgremium in Brüssel, präsidiert druch Javier Solana. Die Truppe soll innerhalb von 60 Tagen einsatzfähig sein. Die Einsatzdauer für mindestens ein Jahr ist zu gewährleisten.
Um diese Ziele zu erreichen, müssën die Schnelleingreiftruppen insgesamt 200 000 - 240 000 Mann umfassen. Diese werden durch 400 Militärflugzeuge und 100 Marineschiffe unterstützt. Der Operationsradius beträgt 4'000 Kilometer von den EU-Grenzen weg und umfasst weite Gegbiete Afrikas, des Nahen Ostens und des Kaukasus. Der Beitrag Deutschlands (18 000 Mann), Frankreichs (12 000 Mann) und Grossbritanniens (12 500 Mann) beläuft sich auf ungefähr 70 % der Streitkräfte. Dies zeigt deutlich, wer darüber entscheiden wird, wie, wo und wann die Truppen einzusetzen sind.
Der französische Präsident Jaques Chirac betonte anlässlich einer Pressekonferenz in Nizza, worum es geht: die EU muss "fähig sein, Krisenmanagement zu betreiben, sobald ihre eigenen Interessen tangiert sind”. Dazu braucht die EU zivile und militärische operative Kapazitäten.
Anlässlich eines gemeinsamen EU-US-Gipfels in Washington (18. Dezember 2000), begrüssten die USA das Ergebnis des EU-Gipfels von Nizza. Dieser habe "einen sehr wichtigen Schritt in der Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik markiert." Die Verpflichtungen, welche die EU-Staaten hinsichlich Militärkapazitäten eingegangen sind, würden sowohl die EU als auch den Europäischen Pfeiler der NATO stärken. Die USA begrüssten auch die vorgeschlagenen Konsultations- und Zusammenarbeitsformen mit der NATO, die in Nizza beschlossen wurden. Diese wurden auch vom NATO-Rat im Dezember 2000 wohlwollend aufgenommen. Die USA liessen wissen, dass sie sich darauf freuten, "mit einer Europäischen Union zusammenzuarbeiten, die ihre Rolle spielt und die auf der internationalen Bühne ihre volle Verantwortung übernimmt."
Wie war es möglich, die Europäische Union schleichend zu militarisieren, ohne stürmische Debatten in den Medien und ohne kritische Kommentare der Öffentlichkeit? Wie ist es zu erklären, dass niemand protestiert, wenn ein völkerrechtswidriger Krieg "humanitäre Intervention" genannt wird? Niemand protestiert, wenn die Verwendung von abgereichertem Uran in Munition und Bomben die Zivilbevölkerungen gefährdet, die man angeblich vor Gewalt schützen wollte.
Eine mögliche Antwort auf diese Frage besteht in der extrem undurchsichtigen, europäischen "Sicherheitsarchitektur". Alles überlappt alles: NATO Mitgliedschaft, die ehemalige WEU, die EU, die OSZE, die Partnerschaft für den Frieden, der Europarat, der NATO-Russland Rat, unzählige Komitees, ad-hoc Gruppen, Untergruppen, etc. Wenn ein Land aus irgend einem Grund nicht in einem Gremium mitmachen kann, so findet sich ein anderes, um es zu integrieren. Und die Aktionsdefinitionen können leicht den Umständen angepasst werden, um gewünschte Militäraktionen zu rechtfertigen: "Friedenserhaltung" wird zur "humanitären Intervention" oder zum "Krisenmanagement", je nach Bedürfnissen.
Die EU-Eliten haben sich dem traditionellen Bild einer Super-Macht verschworen, und sie streben deshalb einen starke militärischen Arm an. Es sind die Bevölkerungen Europas, die mit diesem imperialistischen Machtmodell brechen müssen, indem sie eine Debatte quer durch ganz Europa starten: eine Debatte über kulturelle Werte, politische Gewaltfreiheit, alternative Sicherheitsmodelle, ökologischen und wirtschalichen Ausgleich, Gerechtigkeit und Respekt für menschliche Grundwerte.
Ulla Klötzer, Präsidentin der finnischen "Alternative zur EU", Vorstandmitglied der "Europäischen Anti-Maastricht Allianz" (TEAM) und Aktivistin in der Bewegung "Frauen für den Frieden", Finnland.
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