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Militarisierung der EU und Wandlungen des Geschlechterregimes



von Susanne Schunter-Kleemann, Bremen

Die Beschlüsse der letzten Dekade haben die Richtung angezeigt, in die sich die europäische Sicherheitspolitik in Zukunft bewegen soll. Es geht um die "kraftvolle Selbstdarstellung" der Union als "Führungs- und Ordnungsmacht in Europa", die machtpolitischen Ansprüchen Russlands, aber auch der USA Paroli bieten soll. Seit Amsterdam (1997) wurden wesentliche Aufgaben der Westeuropäische Union (WEU) in die EU integriert. Die WEU-Staaten einigten sich darauf, dass ihre militärischen Einheiten bei "friedenserhaltenden Aufgaben" antreten dürfen. Den zögernden, noch dem Neutralitätsdenken verhafteten EU-Ländern wird immer wieder die Waffenbrüderschaft angetragen. Und 1999 hat man den "Zivilisationsauftrag Europas" in einem ganz archaischen Sinn interpretiert. Das Jahrhundert endet, wie es begonnen hat, mit dem Krieg auf dem Balkan. Wenn auch als Begleitmusik das Lied der Menschenrechte intoniert wurde, so ist kaum zu übersehen, dass es auch um wohlverstandene Eigeninteressen der Westeuropäer ging. Damit scheint die 50-jährige Periode der "Zivilisierung Europas" nun ihrem Ende zuzugehen.

Die fortschreitende Militarisierung der EU hat zu einer paradoxen Neuerung des Geschlechterverhältnisses beigetragen. Die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)zum Dienst an der Waffe passt sich flexibel den neuen EU-Aufgaben an. Die Richter urteilten, dass Frauen nicht länger vom bewaffneten Wehrdienst ausgeschlossen werden dürfen. In der deutschen Praxis sahen sie einen Verstoss sowohl gegen die Gleichbehandlung der Geschlechter als auch gegen die Freiheit der Berufswahl. Diesen Grundrechten der deutschen Verfassung will das EuGH-Urteil Nachachtung verschaffen, indem es die Waffengleichheit der Geschlechter nach den gleichen Kriterien beurteilt, die für die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt gelten. Der europaweit gefeierte "Emanzipationserfolg" wurde bezeichnenderweise vom deutschen Bundeswehrverband durchgekämpft, der schon seit 20 Jahren gegen das Dienstverbot für Frauen an den Waffen antritt. Dieser trug die Kosten des Verfahrens. Auch das Medienecho auf das EuGH-Urteil ist einhellig. Das zweite Geschlecht wird angesichts einer dramatisch zurückgehenden Wehrbereitschaft als eine unausgeschöpfte Leistungsreserve angesehen. Man zeigt sich erfreut, dass die Truppe nun ihren Nachwuchsbedarf aus einem viel grösseren Bewerberinnenpotential decken kann. Schliesslich wird erhofft, dass der erwartete Zustrom von Frauen zur Bundeswehr auch deren sinkenden Attraktivität begegnet. "Denn ein höherer Anteil von Frauen dient der gewollten gesellschaftlichen Verankerung der Bundeswehr viel mehr als das zwangsweise Rekrutieren junger Männer, von denen mittlerweile jeder Zweite den zivilen Ersatzdienst vorzieht".

Mit diesem prekären Urteil werden die krassen Ungleichzeitigkeiten der Geschlechtergleichstellung durch die EU-Gremien weiter verschärft. Die Weiblichkeit darf in einem weiteren gesellschaftlichen Kernbereich, dem Kriegshandwerk, in die Reserve einrücken. Leitbild des blind gewordenen Egalitätsprinzips, so wie es die EuGH-Richter vertreten, ist einmal mehr die aufstiegswillige Frau, "die ihren Mann steht". Die ausstehenden und drängenden Fragen einer sozialrechtlichen und steuerlichen Gleichstellung, die alleine den Frauen ökonomische Unabhängigkeit garantieren könnten, bleiben weiterhin unerledigt.

Prof. Dr. Susanne Schunter-Kleemann, Hochschule Bremen, Wissenschaftliche Einheit Frauenstudien und Frauenforschung.


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