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Nicht weiter über den EU Ausstieg schweigen!

Selbst ÖGB-Chef Foglar klagt mittlerweile, dass “die EU-Kommission Europa zu einer neoliberalen Spielwiese” macht. Wenn wir ernsthaft von der Überwindung des Neoliberalismus reden wollen, dürfen wir nicht weiter über den EU-Austritt schweigen.

Solidar-Werstatt, Linz

Wir brauchen solidarische und kooperative Rahmenbedingungen, wenn wir einen Ausweg aus der neoliberalen Sackgasse, also der entfesselten Konkurrenz- und Konzernmacht, finden wollen. Das geht aber nur, wenn wir die Rahmenbedingungen, die in Form der EU gezimmert wurden, abschütteln. Denn die EU hat nichts mit einer demokratischen, sozialen und friedlichen Integration der Länder und Völker dieses Kontinents zu tun. Sie ist das Gegenteil: Sie ist der Versuch der Macht- und Konzerneliten, die sozialen Errungenschaften, die auf der Ebene der einzelnen Nationalstaaten erkämpft wurden, flächendeckend zurückzurollen, und ihre Entstehung auf europäischer Ebene von vornherein zu unterbinden.

Grundlage für dieses Konkurrenzregimes ist der sog. EU- Binnenmarkt

Die Blaupause dafür wurde bereits im Jahr 1983 vom “European Round Table of Industrialists” (ERT), einer Versammlung der Chefs der 48 mächtigsten europäischen Industriekonzerne, erstellt. Schritt für Schritt wurden die Vorlagen der Großindustrie umgesetzt und die Staaten durch EU-Verträge in ein neoliberales Konkurrenzregime gezwängt, das die Freiheit von Kapital und Warenverkehr zur obersten aller Spielregeln macht. Alle EU-Staaten verpflichten sich zu einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ heißt es nicht weniger als ein halbes Dutzend Mal in den EU-Grundlagenverträgen. Wer für eine solidarische Ökonomie mit starkem öffentlichen Eigentum und Gemeinwirtschaft eintritt, steht außerhalb des berüchtigten EU-„Verfassungsbogens“.

“Bis es kein Zurück mehr gibt”

Selbst ÖGB-Chef Foglar klagt mittlerweile darüber, dass die EU-Kommission Europa „zu einer neo- liberalen Spielwiese“ macht. Um freilich im gleichen Atemzug eine „soziale EU“ zu beschwören. Das klingt schön, verkennt aber die reale Konstruktion der EU. Diese funktioniert wie ein Ventil, das sich nur in eine Richtung öffnet. Denn sobald etwas im Primärrecht der EU verankert ist, können Änderungen nur mehr erreicht werden, wenn gleichzeitig alle 27 Staaten mit Verfassungsmehrheit das auch wollen. Jeder weiß: Ein Zurück ist damit faktisch unmöglich. Selbst für die EU-Mächtigen war es in der Vergangen- heit oft schwer, ihre neoliberalen – und zunehmend militaristischen – Ambitionen in den Beton des EU-Verfassungsrechts zu gießen. Aber sie haben ihre Mitteln dafür: z.B. die Ignorierung von Volksabstimmungen (s. zwei Mal Irland, Frankreich, Niederlande). Oder die verfassungswidrige Verweigerung von Volksabstimmungen (z.B. Österreich). Ansonsten gilt auf EU-Ebene die Methode, die der luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker einmal folgendermaßen beschrieben hat: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ (Spiegel 52/1999) Mit diesen Mitteln wurde die „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, die Kapitalverkehrsfreiheit, der Freihandel nach innen und außen, die Festlegung der Europäischen Zentralbank auf die Interessen der großen Vermögensbesitzer, aber auch die Verpflichtung aller EU-Staaten zur permanenten militärischen Aufrüstung uvm. im EU-Primärrecht einbetoniert.

“Radikalisierung des Neoliberalismus”

Dass auch die darauf beruhenden Richtlinien entsprechend kapitalkonform verlaufen, garantiert die EU-Kommission, die das alleinige Recht auf Gesetzesinitiative hat. Demokratisch nahezu unbelangbar sitzen die Kommissare fest eingebunden in einem Netz von 15.000 Lobbyisten in Brüssel, die zu 70% aus dem Bereich der Großindustrie kommen. Und gerade diese Kommission soll durch die Verschärfung des EU-Stabilitätspaktes noch mehr Macht bekommen, um den EU-Staaten drakonische Spar- und Privatisierungspakete aufzuoktroyieren. Diese reale Verfassung der EU führt zu dem Aberwitz, dass auf die durch die eigene neoliberale Politik wesentlich mitverursachte Wirtschafts- und Finanzkrise nun die EU mit einem Programm der “Radikalisierung des Neoliberalismus” (WU-Ökonom Joachim Becker) antwortet.

Raum für Alternativen zurückerobern.

Als Solidarwerkstatt rufen wir daher auf, die Traumtänzerei zu beenden, schöne Wunschzettel nach Brüssel zu schicken, in denen eine soziale und demokratische EU eingemahnt wird. Der realistische Weg ist der Kampf um den Austritt Österreichs aus der EU. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit nationaler Borniertheit zu tun. Der Ausbruch aus dem neoliberalen Korsett ist die Voraussetzung dafür, sich einen politischen Raum zurückzuerobern, wo Alternativen zum Neoliberalismus durchgesetzt und ein Solidarstaat Luft zum Atmen hat. Erst der Ausbruch aus der EU schafft Raum für den dringenden Ausbau des Sozial- und Bildungsstaates und für eine internationalistische Politik, wo sich Staaten auf Augenhöhe begegnen, statt in demütigende neokoloniale Abhängigkeiten zu geraten, wie das derzeit sogar innerhalb der EU mit Ländern wie Griechenland, Irland oder Portugal passiert. Die EU ist – wie grün-alternative GewerkschafterInnen es vor kurzem formuliert haben - der Marsch in einen „autoritären Kapitalismus“.

Die Machteliten haben die Frage des EU-Austritts tabuisiert. Mit gutem Grund. Denn sie wissen: Solange emanzipative Bewegungen dieser Frage ausweichen, wird sich ihre Energie im neoliberalen EU-Gefüge totlaufen. Der Austritt aus der EU ist schwer, keine Frage. Aber die Veränderung der EU wäre – siehe oben - schwer hoch 27. Wer mit der Exponentialrechnung vertraut ist, weiß dass selbst eine kleine Zahl hoch 27 zu astronomischen Größen führt. Wenn wir ernsthaft von der Überwindung des Neoliberalismus reden wollen, dürfen wir nicht weiter über den Austritt aus der EU schweigen. Werkstatt-Blatt 1/2011, S. 11

Kasten: Wenig bemerkt van der Offentlichkeit wurde beim EU-Gipfel im Marz 2011 die nachste EU-Neoliberalismus-Lawine losgetreten. Hauptziel ist es, die EU-Staaten noch starker unter Druck zu bringen, im Sozialbereich zu kürzen, die Lohne zu senken und offentliches Eigentum zu privatisieren. Um das zu erreichen, soll der sog. "Stabilitatspakt" erheblich verschärft werden: Ab sofort sollen Strafzahlungen nicht nur bei Überschreiten des 3%-Defizitkriteriums erfolgen, sondern auch, wenn die Gesamtverschuldung über 60% des BIP ausmacht. Dann müssen nach einer sog. "Zwanzigstelregelung" Jahr für Jahr Sparbudgets geschnürt werden. Für Österreich, das bei einer Gesamtverschuldung knapp über 70% liegt, hiesse das, dass die nächsten 20 Jahre jedes Jahr milliardenschwere Spar- bzw. Belastungspakete ins Haus stehen. Kammt ein Land diesen Vorgaben nicht nach, drohen empfindliche Strafzahlungen in der Höhe von 0,2% des BIP. (im Fall von Osterreich wären das rd. 600 Millionen Euro).

Darüber hinaus soll die EU-Kommission das Recht zum Eingriff in die nationale Wirtschaftspolitik und zum Verhängen von Strafen auch bei sog. "mangelnder Wettbewerbsfähigkeit" erhalten. Damit kann die EU-Kommission zum ersten Mal direkten Druck auf Lohne und Sozialleistungen ausüben. Eine neue Abstimmungsregel im EU-Rat sorgt dafür, dass die Strafen auch tatsachlich verhängt werden. Wennder EU-Rat innerhalb von 10 Tagen nicht mit qualifizierter Mehrheit den Strafforderungen der Kommission widerspricht, treten diese automatisch in Kraft. Schliesslich soIl die Politik, die der Internationale Wahrungsfonds gegenüber verschuldeten Entwicklungslandern - mit oft verheerenden Wirkungen für die betroffenen Lander - praktiziert hat, nun innerhalb der EU Nachahmung erfahren. Es soll ein pennanenter "EU-Schutzschirm" (EMF) eingerichtet werden, der - falls die Wahrungsunion in Gefahr gerät - an überschuldete Staaten, Kredite vergibt und diese an "äusserst strikte Auflagen "knüpft. Im Klartext: In den betroffenen Landern wird - sieheGriechenland, Irland, Portugal - die Demokratie weitgehend ausser Kraft gesetzt, die EU-Kommission diktiert die Wirtschafts-, Sozial- und Lohnpolitik. Geschützt werden mit diesem Schutzschirm nicht die Menschen, sondern die Profite der grossen Bank- und Industriekonzerne -zu Lasten der Steuerzahlerlnnen. Osterreich muss dafür 2,783 Mid. Euro einzahlen. Werktstatt-Blatt 1/2011.


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