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Der SP-«Aufbruch in ein soziales und demokratisches Europa»

Am 9. Mai 2022 wurde vom SP-Präsidium ein Papier zur von der SP gewünschten EU-Politik der Schweiz verabschiedet und in der zweiten Mai-Hälfte veröffentlicht. Die Positionen sind nicht neu, aber teilweise widersprüchlicher geworden. Viel Wunschdenken, Ausblendung von Problemen und Verklärung von EU-Wirklichkeiten sind anzutreffen. Da taucht etwa immer wieder ziemlich aufdringlich und völlig unkritisch die übliche Ideologie vom «EU-Friedensprojekt» auf. Vom unfriedlichen Wirken mancher EU-Länder in Afrika z.B. liest man entsprechend im Papier nichts. Es wird das orwellsche Redensart vom Souveränitätsgewinn durch eine EU-Beitritt wiederholt – dabei möchte man den EU-Beitritt unter Wahrung des Lohnschutzes in der Schweiz, obwohl die EU in diesem Bereich sicher keine Ausnahmen bezüglich Rolle und Rechtssprechungsbereichs des EU-Gerichtshofes akzeptieren wird. Jon Pult, redaktioneller Co-Leiter des Berichtes, ist Präsident der Alpeninitiative. Auch diese würde bei einem EU-Beitritt fallen – es würden höchstens ein paar Übergangsjahre gewährt. Zum Thema «Alpeninitiative» steht im Papier allerdings nichts. So viel zum Souveränitätsgewinn bei einem Beitritt.

von Paul Ruppen

Das Papier beginnt damit, dass das «europäische Selbstverständnis» der SP betont wird. «Europa» wird als die «Erweiterung unserer politischen Heimat» beschworen. Der Internationalismus hört also offenbar an den Grenzen «Europas» auf, wobei wie üblich Europa mit der EU verwechselt wird. Der Weltbezug wird dann doch manchmal kurz hergestellt: «Als Sozialdemokrat:innen setzen wir uns auf allen Kontinenten für eine Weltordnung ein, die Freiheit und Gleichheit für alle Menschen ermöglicht und in der die Staaten in Frieden und auf der Basis des Völkerrechts zusammenarbeiten». Es stellt sich die Frage, wie das «europäische Selbstverständnis» mit dieser Weltorientierung zusammenhängt, vor allem wenn man die weltweite Politik der EU in Betracht zieht, die man durchaus als Vorstufe traditioneller Grossmachtpolitik verstehen kann.

Wie üblich und zutreffend wird betont, dass Politik zunehmend auf inter- und supranationaler Ebene stattfindet: «In einer wirtschaftlich immer stärker vernetzten Welt verkleinern sich die Handlungsspielräume von Nationalstaaten, gehen aber nicht vollends verloren. Es wird weiterhin politische Handlungsfelder geben, die nationalstaatlich geprägt und entschieden werden. Dies ist aber kein Argument, die europäische Integration in den Politikfeldern jenseits des Nationalstaates abzulehnen oder aktiv durch ‘Nichtbindung’ mit anderen Staaten zur Schwächung der Lösungssuche beizutragen. Um einen echten Beitrag zur Bewältigung der grossen Herausforderungen unserer Zeit – soziale Ungleichheit, Klimakatastrophe, Digitalisierung sowie Bewahrung von Frieden und Demokratie – zu leisten, muss darum unsere sozialdemokratische Handlungsperspektive eine globale sein.» Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit wird allerdings von kaum jemand bestritten. Streitpunkte sind vielmehr die Formen und die Inhalte der Zusammenarbeit. Bei den Formen der Zusammenarbeit geht es um die demokratische Kontrolle dieser Zusammenarbeit, die im Rahmen der EU nicht gegeben ist. Es geht zudem um eine globale Zusammenarbeit, die Blockbildung zwecks Satellisierung schwächerer Länder vermeiden sollte. Die EU-Position der Sozialdemokraten steht im Gegensatz zur Forderung nach Demokratie und Frieden, da die EU einerseits undemokratisch und andererseits ein Blockbildungsprojekt ist und damit die gleichberechtigte globale wie auch europäische Zusammenarbeit zwischen den Staaten gefährdet.

Im Papier wird berechtigter Weise die «Illusion [kritisiert], dass die Ausweitung der Marktlogik auf die ganze Welt automatisch zu mehr Frieden und Demokratie führen würde. Diese Phase in der Geschichte des Kapitalismus hat jedoch vor allem den Aufstieg Chinas und seines autoritären Gesellschaftsmodells beschleunigt. Sie hat auch die lohnabhängigen Klassen in den westlichen demokratischen Ländern geschwächt, die Ungleichheit verstärkt und die ökologische Zerstörung des Planeten beschleunigt. Diese Entwicklungen haben die Demokratien unter Druck gesetzt und schaffen einen Nährboden für antidemokratische und rechtsextreme Kräfte, auch in Europa.» Es darf aber darauf hingewiesen werden, dass die EU zu den Kräften gehört, die Entfesselung der «Marktlogik» am schärfsten forciert.

Es wird dann im Papier der folgende EU-fremde Traum formuliert: «Ein soziales, demokratisches und ökologisches Europa, das von den Illusionen des allmächtigen Marktes abrückt, ist ein entscheidendes Bollwerk gegen die gefährlichen Entwicklungen der Globalisierung sowie alter und neuer Imperialismen. Es liegt daher in der Verantwortung der Sozialdemokratie überall auf dem Kontinent, das politische Projekt der europäischen Integration zu stärken, indem mit dem neoliberalen Modell gebrochen und für ganz Europa eine soziale und ökologische Reformagenda durchgesetzt wird.» Diese Vision ist einerseits jenseits aller Kräfteverhältnisse in der realexistierenden EU sowie der Gestaltungsmöglichkeiten angesichts schwer veränderbarer Verträge. Andererseits ist sie geschichtsblind: der Sozialist Delors trieb in enger Zusammenarbeit mit den EU-Multis das neoliberale Binnenmarktprojekt voran (gut dokumentiert im Buch «Konzern Europa (2003): Die unkontrollierte Macht der Unternehmen, Zürich: Rotpunktverlag). Es sei an die sozialdemokratischen Deregulierungs-Politiken von Schröder und Blair erinnert. Die EU-Verträge in ihrer jetzigen Form sind vor allem auch unter wesentlicher Mitwirkung der «europäischen» Sozialdemokratie entstanden.

Im Dritten Kapitel der Schrift wird die sozialpolitische Entwicklung der EU nach Maastricht aus der Sicht der Verfasser und Verfasserinnen beschrieben («aus sozialdemokratischer Sicht»): «Fundament des 1993 geschaffenen Binnenmarktes sind die vier Grundfreiheiten des freien Warenverkehrs, der Dienstleistungsfreiheit, des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs und der Personenfreizügigkeit. Während die drei zuerst genannten Freiheiten rein wirtschaftlicher Natur sind, ist die Personenfreizügigkeit auch ein grundlegendes Freiheitsrecht europäischer Bürger:innen. Sie gewährt allen Europäer:innen das Recht, sich überall in Europa niederzulassen und auf dem Arbeitsmarkt jedes Landes gleiche Rechte wie die einheimische Bevölkerung zu erhalten. Mit der Personenfreizügigkeit ist in Europa grenzüberschreitende Mobilität ein Freiheitsrecht für alle geworden. Gleichzeitig erhöhen Freizügigkeit und grenzüberschreitende Dienstleistungsfreiheit ohne flankierende Schutzpolitik für gute Löhne und faire Arbeitsbedingungen den Konkurrenzkampf auf den Arbeitsmärkten und verstärken den Lohndruck nach unten. Per se ist die europäische Personenfreizügigkeit eine soziale Errungenschaft – ohne begleitende Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik kann sie aber Ungleichheiten und soziale Probleme verschärfen.» Hier fällt die Vermengung von Europa und EU besonders krass ins Auge. Es ist ja nicht der Fall, dass alle europäischen Länder die volle Freizügigkeit geniessen. Es wird auch nicht klar, ob man die Freizügigkeit als Vorrecht der «Europäer:innen» betrachtet, oder ob wenigstens langfristig eine weltweite Freizügigkeit anvisiert wird. Wird Freizügigkeit als fundamentales Menschenrecht betrachtet oder letztlich auf «Europa» beschränkt gedacht? Durch den Text wird jedenfalls deutlich, dass auch für die Verfasserinnen und Verfasser Freizügigkeit eine Form der Arbeitsmarktderegulierung darstellen kann. Trotz des «Konkurrenzkampf auf den Arbeitsmärkten und verstärktem den Lohndruck» diagnostiziert das Papier für die Zeit zwischen 1997-2005 eine erste, «soziale Periode» der EU.

In einer zweiten Phase sei die soziale Dimension der EU dann unter Druck geraten: «was zur Periode der sozialen Rückschritte von 2005-2015 führte. Erstens kamen mit der grossen EU-Erweiterung um die Länder Mittel- und Osteuropas (2004, 2007 und 2013) dreizehn neue Mitgliedstaaten hinzu, die einen grossen wirtschaftlichen Aufhol-bedarf hatten. Der zweite Faktor war die globale Finanzkrise, die 2007/2008 begann und sich schnell in vielen EU-Mitgliedsstaaten zu einer Staatsschuldenkrise entwickelte. Es rächte sich nun, dass die Währungsunion nicht durch eine parallele Koordination der Wirt-schafts- und Fiskalpolitiken ergänzt worden war. Dieser Konstruktionsfehler der europäischen Wirtschaftsverfassung ermöglichte es, dass die Interessen der deutschen und französischen Banken höher gewichtet wurden als die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen in Griechenland und anderen Teilen Südeuropas.» «Während die neoliberale Politik der EU während der Finanzkrise auf die Stabilität des Euros abzielte, kamen die Mitgliedsstaaten zum Teil unter massiven Druck, ihre öffentlichen Ausgaben zu reduzieren, wobei die Sozialpolitik meistens das erste Opfer war. Im Falle Griechenlands wurde gar die aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds bestehende «Troika» eingesetzt, die das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Griech:innen weitgehend aushebelte. Die EZB förderte gleichzeitig in allen finanziell in Bedrängnis geratenen Staaten Strukturreformen, welche von Sparzwängen geleitet waren und oftmals mit den Bedürfnissen der Bevölkerung nach höheren öffentlichen Ausgaben für Sozialprogramme oder Investitionen für die Modernisierung der Volkswirtschaften kollidierten. Die Empfehlungen der EZB waren zudem häufig mit der Forderung nach Liberalisierung und Deregulierung der Arbeitsmärkte verbunden.3 Die verheerenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser neoliberalen Austeritätspolitik sind bekannt.» Dem gilt es eigentlich wenig hinzufügen – man kann nur seinem Erstaunen darüber Ausdruck geben, dass man die Zukunftsaussichten der EU dann so rosig zeichnet (s.o). In diesem Zusammenhang wird auch die Kritik der Gewerkschaften am Europäischen Gerichtshof übernommen. «Zugleich begann der Europäische Gerichtshof (EuGH) [] eines der Grundprinzipien der europäischen Personenfreizügigkeit und damit des sozialen Elements des Binnenmarktes in Frage zu stellen: die Gleichbehandlung zwischen ständigen Arbeitenden und entsandten Arbeitenden aus anderen Mitgliedstaaten (Vor-Orts-Prinzip: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort). In vier wegweisenden Urteilen (Laval und Viking im Jahr 2007; Rüffert und Luxemburg im Jahr 2008) räumte der EuGH den Marktfreiheiten Vorrang vor der Gleichberechtigung aller Arbeitenden ein. Diese Fälle erlaubten de facto Sozialdumping innerhalb eines Landes zwischen Arbeitenden unterschiedlicher Herkunft. Aus politischer Sicht muss festgehalten werden, dass diese Urteilserie bis heute die soziale Glaubwürdigkeit der Europäischen Union untergräbt. Als Reaktion auf die berechtigte Kritik von Seiten der Gewerkschaften und der Rechtswissenschaft passte der EuGH seine Rechtsprechung im Jahr 2015 an (Elektrobudowa; Regiopost), ohne jedoch den Grundsatz der Urteile Viking und Laval – nämlich, dass kollektive Massnahmen von Arbeitenden die Freizügigkeitsrechte der Unternehmen im Binnenmarkt respektieren müssen – über Bord zu werfen.»

Im Abschnitt über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU versuchen sich die Verfasser und Verfasserinnen dann als EU-Versteher. «Nach der Ablehnung des EWR-Beitritts bot die EU Hand für sektorielle Verhandlungen. Zentral für dieses Entgegenkommen war die Erwartung, dass der schrittweise Beitritt zum Binnenmarkt den Weg zur Vollmitgliedschaft der Schweiz ebnen würde. Spätestens als der Bundesrat 2006 den EU-Beitritt von einem strategischen Ziel zu einer Option unter anderen degradierte, veränderten sich die Rahmenbedingungen fundamental. Seiter fordert die EU ein institutionelles Fundament für die sektorielle Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt. Zur definitiven Verhärtung der Wahrnehmung der Schweiz durch die EU trug 2016 schliesslich der Rückzug des schweizerischen Beitrittsgesuchs bei, das seit 1992 in Brüssel schlummerte. Das bestärkte die EU darin, die Homogenität des EU-Rechts gefährdet zu sehen, wenn die Schweiz dessen Weiterentwicklung nur punktuell nachvollzieht und sich der EU-Rechtsprechung entzieht.» Da wird also der versuchte EU-Rechtsimperialimus dadurch gerechtfertigt, dass die EU die Homogenität des EU-Rechts gefährdet sehe.

Und so geht es weiter – es werden typische EU-Sprachregelungen übernommen: «Der Spielraum und Wille der EU-Kommission, einem am Binnenmarkt sektoriell mitwirkenden Drittstaat Privilegien zu gewähren, die kein einziger Mitgliedstaat besitzt, hat sich seither verkleinert.». Als ob auf Gegenseitigkeit beruhende Abkommen ein Privileg für eine der Seiten wäre! Die Sanktionen der EU nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen werden nicht etwa als solche kritisiert, sondern verständnisvoll als Ausfluss des Unwillens der Kommission hingestellt, angebliche «Privilegien» von Drittstaaten zu akzeptieren. Es heisst dann, der bilaterale Weg stosse an «strukturelle Grenzen» – wobei diese Grenzen allerdings politisch und Produkt des Machtungleichgewichtes zwischen der EU und der Schweiz sind, sowie des Willens der EU, ihre Gesetzgebung auf geographisch nahe Staaten auszudehnen.

Bezüglich der Souveränitätsfrage werden die üblichen orwellschen Sprachregelungen übernommen: die sehr exekutivlastige Mitsprache der Schweiz nach einem EU-Beitritt bei einer ungefähren «Abstimmungsmacht» von 3% wird als Souveränitätsgewinn hingestellt. Souveränität ist allerdings kein Wert an sich, sondern Grundbedingung für die demokratische Selbstbestimmung von Bevölkerungen. Für «Souveränitätsgewinne» zu Lasten der Stimmberechtigten und zugunsten vor allem der Exekutive zu plädieren, ist demokratisch sehr fragwürdig. Interessant ist auch, wie sich die sozialdemokratischen Verfasserinnen und Verfasser plötzlich mit «der Schweiz» identifizieren, die sie sonst oft und oft auch berechtigter weise kritisieren. Dabei wirkt jede Hierarchiestufe in politischen Systemen wie ein Filter: auf die nächsthöhere Stufe gelangen nur Interessen und Inhalte, die auf der tieferen Stufe eine Mehrheit gefunden haben. «Die Schweiz» wird auf der EU-Ebene gewiss nicht ein sozialdemokratische Politik verfolgen.

Bezüglich der allfälligen Erosion der Reichweite der Bilateralen Verträge wird von grossen Herausforderungen für die Schweizer Exportwirtschaft gewarnt. Das ist immerhin umstritten – die Unternehmen können ja – eventuell mit staatlicher Hilfe – die Produkte im EU-Raum zertifizieren lassen. Die Schweiz kann in unbedenklichen Bereichen diese Zertifizierungen anerkennen. Die Mehrkosten halten sich für ein exportstarkes Land wie die Schweiz im tragbaren Rahmen.

Gegen Schluss des Papiers werden verschiedene Szenarien diskutiert und abgewogen. Freihandel statt sektorieller Zutritt zum Binnenmarkt wird als Rückschritt betrachtet. Dabei ist ein Freihandelsszenario wohl die wahrscheinlichste Entwicklung – angesichts der Starrheit der EU einerseits und der Bedenken auf Schweizer Seite gegenüber der Rolle des EuGHs, befürchtetem Lohndumping (Gewerkschaften) und Nutzung der Sozialwerke durch Bürgerinnen und Bürger von EU-Ländern (Bürgerliche Opposition - Unionsbürgerrichtlinie) andererseits. Interessant ist, dass sie den EWR nicht rundum ablehnen, obwohl er bezüglich Lohnschutz ebenso schlecht abschneidet wie der Rahmenvertrag. Trotz der von ihnen anerkannten Nachteile des EWR betrachten sie diesen im Vergleich zur «Erosion des bilateralen Wegs» oder eines Rückzugs auf Freihandel als besser.

Von den Autoren werden manchmal auch wirkliche oder angebliche Fortschritte der EU (gegenüber der Schweiz) erwähnt und als Argument für einen Beitritt angeführt. Solche Argumentationen sind aus demokratischer Sicht allerdings fragwürdig, haben in der Schweiz doch auch die Sozialdemokraten die Möglichkeit via Volksabstimmung Fortschritte anzustossen. Wenn die Mehrheit der Stimmberechtigen diese nicht wünschen, solche Regelungen via Brüssel einzuführen zu wollen, ist eine vom demokratischen Standpunkt ausgesehen fragwürdig. Nun, die SP wies immer schon – neben demokratischen – elitistische Strömungen auf, die im Augenblick wieder mal die Übermacht haben.

Zum Schluss skizzieren die Autoren eine Art Strategie für den EU-Beitritt. Zuerst möchten sie vertrauensbildende Massnahmen der Schweiz. Es ist allerdings nicht ersichtlich, was diese bringen sollen. Die Standpunkte sind klar und die gegensätzlichen Ansichten bestehen nicht in einem Vertrauensproblem sondern in unvereinbaren Interessen. Dann möchten sie ein auf 5 Jahre befristetes Stabilisierungsabkommen, um die Teilnahme an Horizon Europa, Erasmus+ und ähnlichen Programmen zu sichern. Später sollten dann Verhandlungen zu institutionellen Fragen erfolgen. Zuletzt möchten sie ein «Europa-Gesetz»:

«Ein Europa-Gesetz sollte drei Elemente enthalten: Erstens einen Grundsatzentscheid, auf welcher europäischen Integrationsstufe sich die Schweiz einreihen will. Für die SP ist klar, dass mindestens die sektorielle Teilnahme am Binnenmarkt sowie an den EU-Kooperations-abkommen garantiert werden muss. Im Minimum muss der der erodierende Status Quo durch einen institutionellen Rahmen stabilisiert werden. Zweitens müssen prozessuale Fragen geklärt werden, damit beispielsweise eindeutig wird, welches Staatsorgan für die Anpassung des Verhandlungsmandats oder für einen allfälligen Verhandlungsabbruchs zu-ständig ist. Drittens müssen materielle Aspekte geklärt werden.» Das sind angesichts des bisherigen Verhandlungsverlaufs und den starren Forderungen der EU wohl Tagträumereien. Ein guter Teil der Widersprüche des Papiers lässt sich durch die verschiedenen Strömungen in der SP verstehen. Nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenvertrag, der durch die Gewerkschaften berechtigter weise mitverursacht wurde, waren die rechtsliberale staatsnahe Mittelschichts-SP-Basis unzufrieden. Das Papier soll nun wohl die Gemüter beruhigen, wobei dies wohl nur bedingt gelingen wird. Die EU-Sektion der SP (so was gibt es!!) kritisiert das Papier scharf. Diese Gruppe will ohne wenn und aber in die EU und sie wirft den Verfassern vor, die Basis darüber täuschen zu wollen, dass ohne Abstriche etwa beim Lohnschutz eine weitere Integration in den EU-Prozess nicht möglich ist (https://sp-ps-section.eu/wp-content/uploads/2022/05/Brief_30-05-2022.pdf, sp-ps-section.EU, STELLUNGNAHME DER SEKTION ZUM EUROPA-PAPIER DER SP SCHWEIZ).

https://www.sp-ps.ch/sites/default/files/documents/220524_europa-papier_zuhanden_der_zustaendigen_sp-gremien_d.pdf


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