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EU- Strukturförderung in den Ziel-1-Gebieten der Bundesrepublik



Alles Neu macht der Mai (so eine alte deutsche Volksweisheit) die wohl Pate stand bei der Hoffnung, in der neuen Förderperiode (2000 - 2006) im Rahmen der EU-Strukturfondspolitik würde endlich mit neuen, nachhaltigen Besen gekehrt. Aber weit gefehlt. Zwar weisen die entsprechenden EU Richtlinien (Strukturfondsförderung) auf eine neue, bessere Zeit - Amsterdam und Maastricht sei Dank - doch in den betroffenen Regionen der Bundesrepublik hält man es dann doch mit Altbackenem und Bekanntem. Die Milliardenpleite der Erschließung unnötiger Gewerbegebiete auf der Grünen Wiese ist kaum unter den Teppich gekehrt, da mehren sich die Zeichen, daß auch in der neuen Förderperiode die gleiche Fehler gemacht werden wie in den zurückliegenden Jahren.

Oliver Wendenkampf, BUND - Geschäftsführer in Sachsen - Anhalt und Mitglied in den regionalen Begleitausschüssen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsenanhalt

Die operationellen Programme (Grundlage der Strukturfondsinterventionen) der ostdeutschen Bundesländer (Ziel-1) zeigen, daß die Verantwortlichen in den Wirtschaft-, Sozial- und Landwirtschaftsministerien der betroffenen Länder nichts dazu gelernt haben. Und statt zumindest ein klein wenig auf Autobahnen zu verzichten und die Schienenwege zu stärken, setzt man im deutschen Osten immer noch auf die sagenumwobenen Heilsbringer "industrielle Kerne" und "Großprojekte": Gewerbegebiete für die erwarteten Großinvestoren aus dem reichen Westen statt der Förderung des einheimischen Handwerks und der eigenständigen Regionalentwicklung. Dabei setzen insbesondere die federführenden Wirtschaftsministerien in Dresden, Erfurt, Potsdam, Schwerin und Magdeburg auf die mangelnde Durchsetzungskraft der EU-Kommission.

Und die EU - Kommission? Sie spielt dieses schamlose Spiel offensichtlich mit. Oder ist sie tatsächlich so durchsetzungsschwach wie erhofft, oder gar nur ein Spielball mächtiger Interessenvertreter? Die operationellen Programme jedenfalls, die darlegen, wie die einzelnen Bundesländer den Geldsegen aus Brüssel einsetzen wollen, bedürfen zwar der Genehmigung der Kommission, scheinen aber von der Forderung nach Nachhaltigkeit in den Strukturfondsrichtlinien völlig unbefleckt. Zwar ist bislang erst eines der Programme - für Mecklenburg-Vorpommern - durch die EU-Kommission genehmigt worden und wird von dieser gar als vorbildlich gepriesen. Dennoch ist dort mit Ausnahme des Bahnanschlusses des Rostocker Hafens kein einziges Schienenprojekt zur Förderung vorgesehen - wohl aber Autobahnen und Landstraßen.

City-Logistik-Systeme, Flächenbahn und ÖPNV-Anbindungen scheinen in den Köpfen der Verkehrs- und WirtschaftspolitikerInnen Schwerins allerdings nicht vorzukommen, was in Brüssel offensichtlich niemanden stört. Auch Gewerbegebieten auf der Grünen Wiese winken in Mecklenburg-Vorpommern (wie in den anderen Neuen Bundesländern) weiterhin Finanzspritzen aus Brüssel. Ein kleiner Trost allerdings bleibt, zumindest in Mecklenburg-Vorpommern. Der guten Zusammenarbeit zwischen Umweltministerien und Umweltverbänden (leider nur in diesem Zusammenhang) ist es zu verdanken, daß die Nachhaltigkeitskriterien des BUND - über das Umweltministerium - Eingang gefunden haben in das operationelle Programm des Landes. Auch die Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner, die nun erstmals stimmberechtigt und mit fast ebenso vielen Stimmen im neuen regionalen Begleitausschuß vertreten sind wie die Landesverwaltung, ist zumindest formal in Zukunft besser geregelt als in der zurückliegenden Förderperiode (Nicht freiwillig allerdings, sondern eher den Vorgaben der bereits genannten Richtlinien entsprechend).

Glaubt man den Hinweisen aus den Wirtschaftsministerien der anderen Ostdeutschen Bundesländer, hat sich Minister Eggert (MV) da allerdings ohne Not zu weit vorgewagt. In Sachsen-Anhalt fehlt z.B. die stärkere Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner, Nachhaltigkeitskriterien werden gerade mal im Umweltministerium und hier nur für einen Teilbereich der EU-Strukturförderung diskutiert (ohne freilich bislang Eingang in das operationelle Programm gefunden zu haben). Der Förderbereich Umwelt wird prozentual gekürzt und zum überwiegenden Teil auf die Rekultivierung von Bergbaufolgelandschaften und die Sanierung maroder Abwasserzweckverbände hin orientiert. Von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen oder der Unterstützung des sogenannten lebenslangen Lernens ist kaum die Rede.

Und dennoch geht man in Sachsen - Anhalt davon aus, dass das operationelle Programm in diesen Tagen durch die EU-Kommission bewilligt und noch in diesem Jahr die erhofften Milliarden ausgezahlt werden. Vor diesem Hintergrund sind auch schon diverse Großprojekte - vorzeitig versteht sich - bewilligt worden. So z.B. eine großes Spanplattenwerk auf der grünen Wiese im Nordwesten des Landes. Das betreffende Unternehmen zieht aus Niedersachsen lediglich 50 km nach Osten - und schon fließen die Fördermittel. Die Tatsache, daß sich auch die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Brandenburg mit einer ähnlichen - weit hinter den EU-Strukturfondsrichtlinien zurück bleibenden - Politik berechtigte Hoffnung auf Mittel aus Brüssel machen, zeigt wie zahnlos der Tiger (oder das Kätzchen) EU-Kommission mittlerweile geworden ist - oder immer noch ist. Aber vielleicht täuscht dieser Eindruck ja auch und die Kommission erweist sich als durchsetzungsstärker als erwartet - oder erhofft.

Ein Missverständnis?

Die Meinung der Vertreter vieler Umweltverbände, der Amsterdamer Vertrag hätte die Nachhaltigkeit (in ihrem Sinne) gestärkt, scheint auf reinem Wunschdenken zu ruhen. Eine Lektüre der entsprechenden Passagen des Amsterdamer Vertrages legt eher die Interpretation nahe, dass unter Nachhaltigkeit in der EU vor allem beständiges Wachstum verstanden wird. Entsprechend ist das Verhalten der EU-Kommission bei der Vergabe von Strukturfonds-Geldern durchaus konsistent. Die nachstehende Passage aus dem Amsterdamer Vertrag zeigt deutlich, dass "Nachhaltigkeit" in der Passage auftaucht, wo es nur um Wirtschaft geht, während die Umwelt erst später, gleichsam als Hilfskraft des ständigen Wirtschaftswachstums behandelt wird: "Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 3 a genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern." (Artikel 2 des Amsterdamer Vertrages).


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