Übersicht Dossiers Europäische Union Brexit Der Brexit und die SchweizDie Brexit-Abstimmung Grossbritanniens interessierte in der Schweiz breite Bevölkerungskreise. Viele sind der Meinung, dass die Entscheidung Folgen für die Schweiz sowohl in wirtschaftlicherer als auch in politischer Hinsicht haben wird. Dabei wird der Brexit von knappen Mehrheiten der Schweizer Bevölkerung eher als Chance gesehen – bezüglich der wirtschaftlichen wie auch der politischen Auswirkungen. Man geht mehrheitlich davon aus, dass die Verhandlungsposition der Schweiz der EU gegenüber durch den Brexit gestärkt wurde.
von Paul Ruppen
Die Schweiz steckt in schwierigen Verhandlungen mit der EU. Seit einigen Jahren blockiert die EU die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge mit der Forderung nach einem Rahmenabkommen, mittels dessen die Schweiz im Bereiche der bilateralen Verträge die Fortführung des Binnenmarktrechtes übernehmen müsste. Im Streitfall soll der EU-Gerichtshof verbindlich entscheiden können. Eine solche Vorlage hat in der Schweiz vor der stimmberechtigten Bevölkerung allerdings wohl keine Chance. Hinzu kommen die Diskussionen bezüglich der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative, die für die EWR-Einwanderung Kontingente und Obergrenzen verlangt. Eine wortgetreue Umsetzung des Verfassungsartikels ist mit den Bilateralen Verträgen I (s. z.B. https://www.eda.admin.ch/dea/en/home/bilaterale-abkommen.html ) nicht verträglich. Die Hoffnungen mancher Schweizerinnen und Schweizer sind in diesem Umfeld zu sehen. Da Gross-Britannien ebenfalls Mühe mit einer als zu gross betrachteten Einwanderung bekundet, in Verhandlungen mit der EU aber als relativ grosser Staat ein viel grösseres Gewicht als die Schweiz hat, wird von manchen Leuten offenbar erhofft, dass Grossbritannien für die Schweiz eine Bresche schlagen wird, so dass sowohl ein möglichst freier Zugang zum EU-EWR-Binnenmarkt verbleibt als auch der politische Spielraum z.B. auf dem Gebiet der Einwanderungspolitik grösser wird.
Die Geschäftswelt, die politischen „Eliten“ und die euronationalen Medien sehen dagegen eher die kurzfristigen Nachteile des Brexits. Sie fürchten oder geben vor zu befürchten, dass die EU in den Verhandlungen nun erst recht unflexibel reagiere – vor allem auch, um in Hinblick auf die Brexit-Verhandlungen mit Grossbritannien nicht Präzedenzfälle zu schaffen. Auch die kurzfristigen wirtschaftlichen Folgen werden negativ eingeschätzt. Die historisch tiefen Zinsen blieben noch länger tief, da der Franken wegen des schwächelnden Pfundes und der Unsicherheiten des Brexits sowie dessen Auswirkungen auf die Entwicklung der EU gestärkt würde. Negativzinsen würden deshalb in der Schweiz noch länger zum Alltag gehören werden. Befürchtet werden deshalb Einbussen für Sparer und Pensionskassen und für all jene Unternehmen, die aufgrund ihres Geschäfts hohe Bargeldbestände halten müssen. Der starke Franken hat gemäss diesen Befürchtungen Einbussen im Export und im Tourismus zur Folge. Grossbritannien ist Abnehmer von 6 Prozent der Schweizer Exporte. Sie werden auf Grund des Sinkens des Pfundes für Briten teurer. Auch Ferien in den Schweizer Bergen werden für Briten teurer – was die Tourismusindustrie der Schweiz, die nach langen Boomjahren kleinere Brötchen backen muss, nicht erfreut.
Die unterschiedlichen Sichtweisen der politische, ökonomischen und medialen „Eliten“ und des Gros der Bevölkerung erklärt sich vor allem durch die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der EU-Integration. Während die stimmberechtigte Bevölkerung durch Integration vor allem Machtverluste auf politischen Gebiet und zusätzliche Konkurrenz auf den Arbeitsmärkten befürchtet, profitieren die „Eliten“ von diesen Verlusten der Gesamtbevölkerung. Die EU-Skepsis der stimmberechtigten Bevölkerung der Schweiz – im Augenblick befürworten noch etwa 10% einen EU-Beitritt - erklärt sich zu einem guten Teil durch die politischen Institutionen der direkten Demokratie, die durch die teilweise oder vollständige Integration in die EU vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet massiv beschränkt würden. Die Instrumente der direkten Demokratie bewirken, dass eine EU-Beitritte der Schweiz vor allem die Einflussmöglichkeiten der stimmberechtigten Bevölkerung beschneidet. Zudem haben sie eine gewissen Einfluss auf die politische Kultur der Schweiz. Die Bevölkerung möchte die Dinge möglichst nahe bei sich regeln und misstraut Grossgebilden wie der EU. (Artikel geschrieben für das Jahrbuch 2017 der norwegischen EU-kritischen Bewegung Nei til EU: Norton Harper (red): BETYDNINGEN AV BREXIT Storbritannias vei ut av EU og den nye situasjonen for europeisk samarbeid, Schweigaards gate 34 B
0191 Oslo, www.neitileu.no.
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