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Der graue Personenverkehr



Fünf Jahre lang funktionierte das bundesrätliche Drei-Kreise-Modell wie ein Dogma, das öffentliches Denken völlig dominierte. Fast alle Akteure der Öffentlichkeit, insbesondere die grossen Parteien, unterwarfen sich dem migrationspolitischen Glaubenssatz, und die grossen Medien präsentierten ihn als unumstössliche Wahrheit. Auch der Arbenzbericht vom letzten Jahr unterwarf sich dem Dogma. Wer es in Frage stellte, riskierte, als Extremist etikettiert zu werden. Dabei ist das Drei-Kreise-Modell eine Mischung aus neoliberaler und rassistischer Migrationsphilosophie. Es entstand unter der Federführung des BIGA und war eigentlich als Grundlage für einen EWR-Beitritt gedacht.

von Anni Lanz, Frauenrat für Aussenpolitik (FrAu), BODS -Bewegung für eine offene, demokratische und solidarische Schweiz, Bern

Der Vorwurf von Rassismus und Ethnozentrismus

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus hat sich nun mit aussergewöhnlicher Zivilcourage diesem Dogma widersetzt. In unmissverständlichen Worten sagt sie: "Nach Meinung der EKR ist das Drei-Kreise-Modell in seiner Grundstruktur rassistisch. Die willkürliche Einteilung der Welt in konzentrische Kreise mit Mittelpunkt Schweiz ist ethno- und eurozentrisch..." Gleichzeitig begrüsst sie die Personenfreizügigkeit im EU-Raum (S. 4), kritisiert jedoch die Stossrichtung der EU-Migrationspolitik, wie sie z.B. im Schengener Abkommen enthalten ist. Sie verurteilt die willkürliche Verbannung von Zuwandernden aus Ex-Jugoslawien aus dem zweiten Kreis sowie die behördliche Diskreditierung ganzer Bevölkerungsgruppen als unechte Flüchtlinge. Der Genfer Rechtsprofessor Auer wiederum stellt fest, dass das Modell nicht nur die Antirassismuskonvention, sondern auch den UNO-Menschenrechtspakt I und den Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung verletzt.

Die fehlende gesetzliche Grundlage der Drei-Kreise-Politik

Die Kommission gegen Rassismus hat sich mit ihrer unverhohlenen Kritik den bundesrätlichen Tadel eingehandelt, "gegen den Bundesrat rassistisch zu sein". Diese heftige Reaktion des Bundesrats weist auf einen grossen Legitimationsmangel unserer Exekutive hin, den Professor Andreas Auer von der Universität Genf in seinem jüngsten Gutachten vom 31. Juli 1996 erneut aufgedeckt hat. Der Bundesrat und die Bundesverwaltung haben in der Migrationspolitik als ausführende Gewalt weitgehend gesetzgeberische Funktionen übernommen, was dem Prinzip der Gewaltenteilung widerspricht. Diese Machtverlagerung in der Migrationspolitik lässt sich übrigens in allen EU-Ländern feststellen. Viele wichtige ausländerpolitische Entscheide, wie eben das Drei-Kreise-Modell, aber auch die Bundesverordnung im AusländerInnenbereich, entbehren der gesetzlichen Grundlage. Zudem sind der dritten Gewalt, der Judikative, im administrativen Bereich sehr enge Grenzen gesetzt. So darf das Bundesgericht bei Rekursen gegen administrative Entscheide keine materiellen, d.h. inhaltlichen Fragen, sondern lediglich solche der Willkür und der Verletzung des Gleichstellungsprinzips überprüfen. Damit beansprucht die Exekutive im Migrationsbereich eine fast unbegrenzte Machtfülle. Dies erfahren wir hautnah etwa in der Praxis zu den sogenannten "Härtefällen" - der Aufenthaltsregelung für langanwesende AusländerInnen oder der pauschalen Wegweisung von langanwesenden ArbeiterInnen aus Ex-Jugoslawien. Immer mehr Zugewanderte erhalten nur noch eine vorläufige Aufnahme und fallen damit diesem Machtbereich zu: Die sogenannten "Gewaltflüchtlinge", wie sie im Asylgesetzrevisions-Entwurf vorkommen, erhalten anstatt einem völkerrechtlich geschützten und gesetzlich abgestützten Status lediglich noch ein "Bleiberecht auf Abruf", das die Bundesexekutive nach nicht festgelegten Kriterien widerrufen kann. Als Ersatz für das Saisonnierstatut hat die Bundesbehörde ebenfalls ein befristetes Aufenthaltsstatut vorgeschlagen. Und die Aufenthaltsbewilligungen nach Art. 13f der BVO, die sogenannten Härtefallbewilligungen, werden seit neuestem entzogen, sobald die "Härtefall"-Person den Arbeitsplatz verliert. Die befristeten Aufenthaltbewilligungen zeichnen sich, neben dem jederzeit drohenden Entzug, durch das Verbot des Familiennachzugs aus. Zugelassen sind fixfertige Arbeitskräfte ohne feste Aufenthaltsbewilligung - ökonomisch nützliche Arbeitsmarktpuffer. Das Aufziehen der Arbeitskräfte und deren Betreuung nach Gebrauch bleibt den Frauen in den Herkunftsländern vorbehalten.

Sowohl die Kommission gegen Rassismus wie auch Auer verurteilen am Drei-Kreise-Modell vor allem den Verstoss gegen die Antirassismusnorm und das Gleichheitsprinzip, indem Zuwandernde aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ungleich behandelt und gewertet werden. Beide kritisieren vor allem die Existenz von drei Kreisen, hätten jedoch unter Umständen nichts gegen zwei Kreise einzuwenden. Ihre Kritik am Drei-Kreisemodell erfasst nur ein begrenztes Spektrum von Aspekten. Es besteht die Gefahr, dass dieselbe Diskriminierungspolitik unter einer anderen Diktion, beispielsweise einer wirtschaftlichen, fortgeführt würde: Dieselben Zulassungs-Präferenzen könnten - statt mit Kriterien der "kulturellen Distanz" - mit solchen der "bewährten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen" zur Schweiz begründet werden.

Unabhängig von der Anzahl der Kreise bleibt ab mehr als einem Kreis jedoch die ethnozentrische Grundstruktur bestehen: Kriterium der Migrationspolitik bilden die wirtschaftlichen Privilegien der Schweiz. Diese werden ohne Berücksichtigung der Interessen der Migrantinnen und Migranten verteidigt.

Die Personenfreizügigkeit mit der EU auf Kosten der übrigen Welt

Bis anhin haben linke Parteien, die Asyl- und Migrationsbewegung sowie die Kirchen gemeinsam das Drei-Kreise-Modell als rassistisch kritisiert. Da dieses Modell nun obsolet geworden und ein Zwei-Kreise-Modell vorgezogen wird, treten migrationspolitische Widersprüche hervor, die bis anhin - insbesondere auch in der EWR-Debatte - verschwiegen worden sind. Die Einführung des freien Personenverkehr mit der EU hat die folgende Konsequenz: Wenn bei ungefähr gleichbleibender Anzahl von Zuwandernden die Menschen aus den EU-Ländern bevorzugt werden und mit entsprechenden Rechtsgarantien bedacht werden, so geht das auf Kosten der Zuwandernden aus den übrigen Ländern. Für die Zuwandernden aus den Südländern aber ist Migration in den meisten Fällen im Gegensatz zu EU-Zuwanderern eine überlebensfrage. Bis anhin haben linke und Zentrumsparteien die folgenden Argumente angeführt, um sich von dieser ungerechten Option zu entlasten:

a) Die Ungerechtigkeit wird durch das Asylrecht aufgewogen. Wer in seinen Menschenrechten verletzt wird, erhält Asyl. Daraus leitet die CVP z.B. ab, dass ArbeitsmigrantInnen nur aus Ländern kommen dürfen, welche die Menschenrechte respektieren, weil die menschenrechtsverletzenden Staaten eben Flüchtlinge produzieren. Diese Argumentation übersieht, dass in der Peripherie Menschenrechtsverletzungen und Verlust der Existenzgrundlage Hand in Hand gehen. Eine befriedigende Menschenrechtssituation setzt einen gewissen Wohlstand voraus.

b) Die EU-EuropäerInnen haben gar keine Lust, in die Schweiz zu kommen. Die Lebenskosten in der Schweiz sind dermassen hoch, dass sie die Lohndifferenz nicht aufwiegen. Eine Personenfreizügigkeit mit dem EU-Raum würde kaum mehr Einwanderung bringen. Erst wenn die Einkommensdifferenz sehr gross ist, sind MigrantInnen bereit, das Los der Emigration auf sich zu nehmen. Diese Argumentation unterschlägt die wirtschaftliche Bedeutung der "unsichtbaren Arbeitsmigration" und stützt damit das Bestreben der Unternehmen, Arbeitskräfte mit geringeren Lohn- und Rechtsansprüchen zu rekrutieren. Durch das Zweikreise-Modell erhalten die Arbeitskräfte des zweiten Kreises weniger Rechtsschutz. Das hat für die Unternehmungen den grossen Vorteil, dass sie abgeschoben werden können, sobald sie nicht mehr gebraucht werden. Zudem sind sie hinsichtlich Entgelt und Sozialleistungen weit billiger als einheimische oder EU-Arbeitskräfte. MigrantInnen aus den Südländern erweisen sich als die flexibelsten und bei weitem nicht immer unqualifiziertesten Arbeitskräfte und sie sind mittlerweile fester Bestandteil modernster Produktionsweisen. Sie tragen erheblich zu den Standortvorteilen der Schweiz bei.

c) Wenn wir uns gegen die Personenfreizügigkeit mit der EU stellen, gewinnen wir nichts und setzen noch die Chancen und Rechtsverbesserungen für portugiesische WanderarbeiterInnen aufs Spiel, sagen z.B. die Grünen. Wohl fügen sie bei, dass die Personenfreizügigkeit nicht mit zusätzlicher Diskriminierung der Nicht-EU-Angehörigen erkauft werden darf. Rechtliche Garantien an Nicht-EU-Angehörige sind aber gesetzlich nicht verbürgt, wenn das Parlament zur Personenfreizügigkeit abstimmen wird. Eine grosse migrationspolitische Gefahr besteht darin, dass CVP, Gewerkschaften, SPS und Grüne den bedeutenden Migrationsbereich zwischen dem völkerrechtlich geschützten des Asyls und dem künftig bilateral geschützten des EU-Personenverkehrs einfach ausblenden.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat sich bis anhin für prekäre Bleiberechte, prekäre Arbeit und die diversen "Niedriglohnarbeitsmärkte - auch sie sind geschlechts- und herkunftsspezifisch segregiert - nur als Gefahr für den "Normallohn"-Arbeitsmarkt interessiert. Er hat schon sehr früh (1990) ein Zwei- und Drei-Kreise-Modell vorgeschlagen, bei welchem ihn nur die Rechtsgarantien der Erstkreis-MigrantInnen und der Gewerkschaftsklientel im zweiten Kreis interessierte.

Der ausgeblendete Teil der Migration nimmt zur Zeit rasch zu: Immer mehr Zuwandernde erhalten, wie anfangs erwähnt, befristete Aufenthaltsbewilligungen, die beliebig entzogen werden können. Frauen bilden hier die Mehrheit, mit einer äusserst vielfältigen Bandbreite prekärer Lebenssituationen. Zu nennen sind hier neben dem Sexgewerbe auch die Hausarbeit, Pflegearbeit, Heimarbeit (z.B. Textilien) und die Reinigungsarbeit. Der übergang vom legalen zum "illegalisierten" Status wird fliessender. Die in Bern und vor allem in Genf sowie in allen Metropolen lebenden Hausangestellten reicher Familien und DiplomatInnen besitzen bestenfalls einen Legitimationsausweis, dessen Gültigkeit von einem Tag auf den anderen erlöschen kann.

Von rechtsbürgerlichen Kreisen werden die rechtlosen MigrantInnen zum Sündenbock für die Unannehmlichkeiten einer Zweidrittelsgesellschaft gemacht, während die Wirtschaftskreise von deren wachsenden Rechtlosigkeit profitieren. Linke Parteien würden ihre Wählergunst, die Gewerkschaft die Mitgliedschaften, die Hilfswerke ihre Spenden aufs Spiel setzen, wenn sie in diesem Bereich politisieren würden. Jene NGOs aber, die sich für MigrantInnen aus diesem Zwischenbereich einsetzen, bringen sich in den Verruf der "Illegalität und Staatsfeindlichkeit". Allenfalls die Kirchen werden sich für mehr Menschlichkeit gegenüber den Rechtlosesten einsetzen.

d) Statt ständig über Zulassungspolitik zu diskutieren, wenden wir uns besser der AusländerInnen-Integrationspolitik zu, die in all den Jahren wohl immer genannt, in die jedoch kaum Ideen und Ressourcen investiert wurden. Dieses Argument erweist sich jedoch als ein Ausweichmanöver, denn Zulassungs- und Integrationspolitik sind - über die an den Ausfenthaltsstatus geknüpften Rechte - aufs engste miteinander verbunden. Die eine Diskussion kann nicht ohne die andere geführt werden.

e) In einem Wirtschaftssystem des freien Güter-, Dienstleistungs- und Kapialverkehrs ist ein regulierter Personenverkehr systemfremd. Dieses Argument basiert auf einer neoliberalen Logik. Die sogenannte vierte Freiheit beruht auf der Vorstellung, dass Migration eine Folge von Angebot und Nachfrage auf den Arbeitsmärkten ist. Arbeitslose haben sich, unbesehen ihrer sozialen Netze und gesellschaftlichen Integration an die Orte des Arbeitsangebots zu begeben. "Menschliche Faktoren", wie etwa gesellschaftliche und familiäre Verpflichtungen, ein stabiles Umfeld für Kinder und Pflegebedürftige, wirken sich im Kräftefeld der grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte hinderlich aus. Menschen werden als isolierte Individuen, die als fixfertige Arbeitskräfte auf die Welt kommen und nach getaner Arbeit spurlos verschwinden, begriffen. Die offizielle Schweiz hängt diesem Konzept in besonderem Masse an, sperrt sie sich u.a. doch gerade wegen dem menschlichen Faktor "Familiennachzug" gegen die Personenfreizügigkeit aus dem EU-Raum.

f) Teilweise ausserhalb der neoliberalen Marktlogik, aber immer noch aus dem alleinigen Blickwinkel eigener Interessen, wird demographisch argumentiert: angesichts künftiger Probleme bei der Bezahlung der Altersfürsorge wird ein wachsender Bedarf von billigen MigrantInnen aus den Südländern festgestellt. Allerdings wäre dieser importierte Ersatz für die Gegenseitigkeitshilfe zwischen den Generationen längerfristig nur dann profitabel, wenn die externen Arbeitskräfte ihr Alter nicht bei uns verbringen werden. Diese Argumentationsweise beruht, wie im vorangehenden Absatz dargelegt, auf der Voraussetzung, dass unsichtbare Frauenarbeit in den Herkunftsländer Arbeitskräfte bereitstellen, die hier, in Ermangelung tragender Sozialstrukturen und an Stelle hiesiger Frauen, die Pflegearbeit verrichten.

Jede gesellschaftliche Interessengruppierung versucht zu begründen, weshalb die von ihr bevorzugten MigrantInnen erleichterte Einwanderungsmöglichkeiten haben müssen: Die Gewerkschaften kämpfen für ihre Gewerkschaftsmitglieder, die Arbeitgeber für hochqualifizierte Arbeitskräfte, die EU-BefürworterInnen für die EU-Angehörigen, die Kirchen für die Hilfsbedürftigsten, die sozial Eingestellten für die am meisten Benachteiligten, die Feministinnen für die am meisten Diskriminierten, insbesondere die Migrantinnen. Es gibt keine neutrale Migrationspoltik. Hinter den jeweiligen Migrationsdiskursen verstecken sich handfeste Interessen oder dann gesellschaftspolitische Parteinahmen, die es aufzudecken gilt.

Alternativansätze

Eine Migrationspolitik, wie sie die Migrantinnen fordern, Migrationsmodelle des sozialen Ausgleichs, oder gemäss den Prinzipien der Entwicklungszusammenarbeit sind durchaus denkbar. Die Schwierigkeit besteht jedoch in deren Realisierbarkeit. Für Forderungen und Modelle dieser Art werden wir kaum BündnispartnerInnen und damit auch kaum Öffentlichkeit finden. Wir werden sehr viele politische überlegungen machen müssen, um aus unserer isolierten Position herauszufinden. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Grossteil unserer potentiellen BündnispartnerInnen keinerlei Rechte besitzen, die Öffentlichkeit meiden müssen oder keinen Zugang dazu haben. Zudem fallen sie als Wählerinnen ausser Betracht.

Alternative Ansätze müssten folgenden Kriterien genügen:

a) Internationale Vernetzung

Die globale Gesellschaft ist nicht nur von den eigenen Interessen her zu betrachten, sondern von der Peripherie her. Nicht Besitzstand- und Privilegienwahrung sollten im Zentrum der Migrationsdebatte stehen, sondern Veränderung hin zu einer demokratisch gestaltbaren, globalen Entwicklung. Gesellschaftliche Veränderungen, die in eine entsprechende Richtung laufen, gehen in der Regel von der Peripherie, von den "Ausgegrenzten" aus.

b) Aufecken solidaritätsverhindernder Mechanismen Aufdeckung der Mechanismen, die in den Zentren die Solidarisierung der Unterprivilegierten mit den MigrantInnen verhindern. So verhindert beispielsweise das Drei-Kreise-Modell der Schweizer Migrationspoltik, dass sich marginalisierte, aber dem Zentrum zugeordnete Einheimische mit den Zugewanderten solidarisieren.

c) Öffentlichkeit für MigrantInnen

Unterstützung von Selbsthilfeprojekten und MigrantInnenorganisationen, besonders hinsichtlich deren Anspruch auf Öffentlichkeit, Einsitznahme in Kommissionen und Expertengremien. Bildung von Aktionsbündnissen unter der Leitung von MigrantInnen.

d) Aufwertung des Politischen

Aufwertung des Politischen gegenüber dem Dominanzanspruch der Wirtschaft. Mit welcher globalisierten demokratischen Politik begegnen wir einer gobalisierten Wirtschaft?

e) Neue Wirtschafts- und Staatsmodelle

Suche nach neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsbeziehungen, die menschen- und gemeinschaftsorientiert sind.

Die Behauptung, dass Systemveränderung von der Peripherie her kommt, mag etwas romantisch tönen. Sie wird jedoch durch die jüngsten Ereignisse in Frankreich bestätigt. Es ist den "sans papiers" durch Organisation und Öffentlichkeitsarbeit gelungen, in der französischsprachigen Bevölkerung einen Meinungsumschwung herbeizuführen. Die ausgeblendeten MigrantInnen sind, wie Madjiguäne Cissé sagt, aus dem Schatten herausgetreten und zeigen die Absurdität der gängigen Migrationspolitik auf. Der Erfolg dieser Bewegung beruht darauf, so Cissé, dass die "sans papiers" selbst deren Kurs bestimmen.

Die MigrantInnen-Konvention

Manchen mögen diese Alternativen reichlich utopisch und unrealistisch vorkommen. Wir haben jedoch ein paar gute politische Instrumente, mit denen wir konkrete Politik machen können. Ich möchte hier die UNO-Konvention zum Schutze der Rechte von WanderarbeiterInnen und ihren Familien erwähnen, eine Konvention, die wir hier in der Schweiz bekannt machen sollten.

Die Migrationskonvention ist interessant, weil sie ein Regelwerk ist, das nicht vom Arbeitsmarkt sondern von den migrierenden Menschen und ihren Grundrechten ausgeht. Sie könnte somit für ein Schweizer Migrationsgesetz eine Basis bilden. Zwar ist sie nicht besonders radikal und macht viele Konzessionen an die Vertragspartner der Einwanderungsländer. Trotzdem schützt sie nicht nur die Grundrechte der MigrantInnen mit Aufenthaltsbewilligungen, sondern auch jene der sich irregulär aufhaltenden MigrantInnen. Dies wird ausdrücklich in der Präambel festgehalten.

Die UNO-Konvention ,über den Schutz und die Rechte aller Wanderarbeiter und dereren Familienmitglieder" vom 25. 2. 91 (A/RES/45/158)

Im ersten Arikel werden zuerst die WanderarbeiterInnen definiert. Ihnen werden dieselben sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte wie den Staatsanghörigen zugesprochen. Ebenso steht ihnen Rechtsgleichheit mit den Staatsangehörigen (nationals) zu (Art.18). Medizinische Versorgung und die Einschulung der Kinder soll unabhängig vom Aufenthaltsstatus erfolgen (Art. 28+30). Die Einheit der Familie soll respektiert und der Familiennachzug erleichtert werden (Art.44). Im Fall einer Scheidung oder beim Tod eines Ehegatten, soll der andere Gatte und die Familienangehörigen die Aufenthaltsbewilligung behalten (Art. 50). In manchen Belangen deckt sich die Migrationskonvention mit den Forderungen von MigrantInnen, sind allerdings in UNO-Manier etwas vage formuliert. Die Konvention kann beim EM bestellt werden (40 Seiten, 8 SFr. + Porto)

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