Am 27. Mai fand in Luzern die Gründungsversammlung der "Überparteilichen Bewegung für eine neutrale Schweiz ohne EU-/Nato-Beitritt" statt. Die Bewegung wurde von Peter Mattmann-Allamand, Klaus Fischer (beide ehemals Poch, bzw. Grünes Bündnis) und Viktor Rüegg lanciert. Die neue Gruppierung sieht sich als kantonal-luzernisches Projekt, ohne bundesweite Aspirationen. Die Frage einer eigenen Nationalratsliste (ohne Listenverbindung?) wird noch geprüft.
Die Redaktion
Das Forum für direkte Demokratie begrüsst die Schaffung von Vereinen auf kantonaler oder bundesweiter Ebene, die sich in seinem Sinne für eine direktdemokratische Schweiz ausserhalb des westeuropäischen Grossmachtprojekts einsetzen, sofern sie sich ausdrücklich von nationalistischen und rassistischen Tendenzen distanzieren. Im vorliegenden Fall sind u.E. zwei Bedenken anzumelden.
(1) Die neue Bewegung sieht sich als breite Regenbogenformation, die alle Personen ansprechen will, die sich nicht zur AUNS hingezogen fühlen. Hier ist etliche Skepsis anzumelden. Die Argumentationen rechter und linker EU-Kritiker (wobei wir uns der Unschärfe der Begriffe "rechts" und "links" bewusst sind) sind so unterschiedlich, dass bei gemeinsamen Aktionen bezüglich vieler Bereiche (Wirtschaftspolitik, Währungspolitik, Umwelt) nur ein Haufen Widersprüche übrigbleibt. Zudem muss in einer Debatte, in der politische Abgrenzungsmechanismen eine hervorragende Rolle spielen, inhaltlich sorgfältig vorgegangen werden, selbst wenn man die Dominanz von Abgrenzungsmanien in der Politik als schädlich ansieht. Sonst liefert man Euronationalen, die sich selber mit dem Etikett "links" versehen, allzu schnell Beweggründe, die Sache nicht ernst zu nehmen
(2) In ihrem Flugblatt spricht die Bewegung von "z.T. von aussen geschürten Polarisierung unseres Landes". Auf Nachfrage hin wurde erklärt, hiermit sei die Strategie der USA und der Nato gemeint, die Neutralität in Verruf zu bringen, um die Neutralen in den westlichen Block zu integrieren. Die Frage der nachrichtenlosen Konten sei in diesem Sinne von den USA instrumentalisiert worden. Die Idee ist diskussionswürdig, sie müsste aber wohl vorsichtiger ausgedrückt werden und auf dem Hintergrund der Interessen der einheimischen Oberschichten diskutiert werden. Das Merkwürdige an der 2.Welt-Kriegsdebatte bestand ja darin, dass sich "gewöhnliche" Bürgerinnen und Bürger mit den Verfehlungen der Banken und der damaligen Regierung identifizierten und damit glaubten, selbst angegriffen worden zu sein. Dieser Reaktion wurde von den Medien in der Schweiz gestützt, indem die Gleichung "Schweiz = Banken+Regierung = Schweizer Volk" suggeriert wurde. Damit konnte vom medial-politischen Komplex gleich zwei Ziele erreicht werden: ein gewisses, oft durchaus demokratisches Selbstbewusstsein der Bevölkerung konnte destabilisiert werden (wirkliche und vermeintliche Geschichtsmythen aufbrechen!). Zudem konnte man die legitimen Angriffe auf die 'Schweiz der Banken' mit Hilfe der obigen Gleichung in eine Entrüstung ummünzen, die man für die EU-Propaganda instrumentalisieren wollte ("wir" sind angreifbar, weil wir nicht in der EU sind). So wie der Text auf dem Flugblatt der Bewegung daherkommt, könnte leicht der Eindruck entstehen, man würde sich mit der Schweiz als solcher identifizieren.
Die übrigen Zielrichtungen der Bewegung können unseres Erachtens unterstützt werden. Auf dem Flugblatt wird etwa die Belebung und Weiterentwicklung der Neutralität zu einer aktiven Friedenspolitik gefordert. Die Schweiz soll für die Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts und für den Verzicht auf Krieg eintreten, auch wenn befreundete Nationen völkerrechtswidrig Krieg führen. Die Gruppierung vertritt wie das "Forum für direkte Demokratie" ein "demokratisches, horizontales Modell internationaler Beziehungen". "In einem solchen Modell werden alle Länder als gleichberechtigte und souveräne Partner der Weltgemeinschaft akzeptiert. Grossmachtpolitik und Grossmachtansprüchen sollen von der Weltgemeinschaft Grenzen gesetzt werden. Die Schweiz tritt keinem Machtblock bei". Es wird auch eine globale ökologische Entwicklung und eine gerechte Verteilung der Weltressourcen verlangt. Der EU/Nato-Beitritt wird abgelehnt, weil die NATO-Grossmachtpolitik die Kluft zwischen armen und reichen Ländern verfestigt und ausbaut.
Von einigem Interesse ist der Umstand, dass die Gründung der Bewegung einige Wellen hervorrief. Obwohl das Forum z.B. bedeutend mehr Mitglieder hat und seit Jahren beständig arbeitet (Herausgabe des EM), wird dieses konsequent totgeschwiegen. Dies obwohl das EM etwa an alle "rot-grünen" Nationalrätinnen und Nationalräte, an alle kantonalen Umweltverbandssektionen, an alle kantonalen "mitte-links" Parteisektionen und an viele Journalisten und alle wichtigen Tageszeitungen verschickt wird. Offenbar stören die Aktivitäten des Forums niemanden, solange keine Parlamentssitze gefährdet werden. Der Unterschied besteht offensichtlich darin, dass die neue Bewegung eventuell an den Nationalratswahlen teilnehmen will - ohne Listenverbindung. Damit würde der grüne Sitz im Kanton Luzern akut gefährdet. Dieser grüne Sitz ist zudem das Mandat der Fraktionspräsidentin der GPS, Cécile Bühlmann. Die Wogen um die Luzerner Bewegung scheinen zu zeigen, dass Inhalte in der medialen Politik weniger interessieren als Machtverhältnisse in Parlamenten.
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