Am 21 Mai stimmen wir über die Bilateralen Verträge ab. Unsere Kritik richtet sich in erster Linie gegen das Landverkehrsabkommen. Doch auch andere Punkte des Verhandlungsergebnisses sind sehr fragwürdig . Wie ein roter Faden zieht sich durch die sieben Verträge der Geist der Deregulierung und der verschärften Anwendung der WTO-Regeln zu Lasten der politisch und wirtschaftlich schwachen Bevölkerungsgruppen und Regionen.
von Luzius Theiler
Das Verkehrsabkommen mit der EU ist völlig unakzeptabel weil:
· die vom Volk beschlossene Alpeninitiative praktisch ausser Kraft gesetzt wird
· die 28-Tonnen-Limite aufgehoben wird
· die mit der EU ausgehandelte Transitgebühr viel zu niedrig ist, um den Verkehr auf die Schiene zu verlagern
· die 3 Milliarden zusätzlicher Subventionen an den Güterfernverkehr das Prinzip der Kostenwahrheit verhöhnt und auf Kosten der lokalen Wirtschaft das unökologisch Hin- und Herkarren von Gütern und lebenden Tieren kreuz und quer durch Europa fördert.
"Die Konzessionen an die EU im Landverkehrsabkommen belasten Mensch und Umwelt in einem unerträglichen Mass und sind ein gewaltiger Rückschritt für eine ökologische Verkehrspolitik in der Schweiz und Europa". ("echo" der Alpenitiative vom 5. Februar 1999)
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Gemäss der gutgeheissenen Alpen-Initiative müsste der alpenüberquerende Lastwagenverkehr bis im Jahre 2004 auf die Schiene verlegt werden. Bereits heute verkehren 1, 2 Millionen LKW's auf den Alpenrouten. Das Landverkehrsabkommen brächte eine Zunahme auf 2 Millionen oder noch mehr. Wohl beschloss die Bundesversammlung, dass ab dem Jahre 2009 "nur" noch 650 000 Lastwagen die Alpen überqueren dürfen. Bundesrat Leuenberger machte jedoch diesen Parlamentsentscheid sogleich zur Makulatur, indem er erklärte: "Ich gebe keine Garantien ab" .Selten wurden unsere Volksvertreter von einem Bundesrat so lächerlich gemacht !
Mit der Drohung, ein "Nein" zu den Bilateralen Verträgen würde unser Verhältnis zur EU gestört und der Wirtschaft Schaden zugefügt, wurden die Umweltverbände zum Teil erfolgreich eingeschüchtert. Um so mehr ist es an uns, die Folgen der Bilateralen Verträge aufzuzeigen.
Auch die übrigen sechs bilateralen Abkommen enthalten zahlreiche problematische Punkte
Luftverkehrsabkommen: Die hahnebüchenen Konzessionen beim Gütertransitverkehr werden mit den Vorteilen des Luftverkehrsabkommens begründet. Diese nutzen jedoch nur der Swissair. Die eingegangene Verpflichtung zur totalen Liberalisierung des Luftverkehrs bedeutet eine noch stärkere Förderung der umweltfeindlichen Kurzstreckenfliegerei auf Kosten Hunderttausender lärmgeplagter und von Unfällen bedrohter Flughafen- und Flugschneisenanwohner.
Personenverkehrsabkommen
Das Abkommen ist stark auf die gut ausgebildete, wohlhabende, flexible und vorwiegend männliche Bevölkerung ausgerichtet. Arbeitslose dürfen nur während dreier Monate unter Bezug von Arbeitslosenentschädigung eine Stelle im Ausland suchen. Ausbildungsplätze in der EU sind für Schweizerinnen und Schweizer nicht garantiert.
Forschung
Mit dem Forschungsabkommen wird die Schweiz in die von der Atomwirtschaft und der Biotechnologie dominierte EU-Forschung eingebunden und muss auch für Projekte mitzahlen, die von der Schweiz abgelehnt werden oder für die in der Schweiz kein Interesse besteht. Die Kosten des Abkommens (über 200 Millionen Franken pro Jahr) werden in dem vom Spardruck betroffenen Schweizer Bildungswesen fehlen.
Öffentliches Beschaffungswesen
Das Abkommen dehnt den Geltungsbereich der WTO-Abkommen auf die Gemeinden und auf öffentlich-rechtliche Körperschaften (Bahn, Post, Wasserversorgung etc) aus. Jedes Schulhaus muss künftig in der EU ausgeschrieben werden. Massgebend ist grundsätzlich das billigste Angebot. Örtliche Unternehmen, die für Qualität und für den späteren Unterhalt des Werkes bürgen, verlieren so ihre Existenzgrundlage.
Technische Handelshemnisse
Dass Normen, wie etwa Stecker, vereinheitlicht werden, ist sicher positiv. Dass aber die Qualitäts- und Sicherheitsprüfung nur noch an einem Ort erfolgen muss, birgt die Gefahr einer Senkung des Standards der Prüfungen in sich. Oder man meldet Produkte in den Ländern an, wo die Prüfungen am largesten durchgeführt werden...
Landwirtschaft
Ähnliche Befürchtungen gelten in Bezug auf das Landwirtschaftsabkommen: Die technischen Vorschriften der einzelnen Länder z.B in den Bereichen biologische Landwirtschaft, und Pflanzenschutz sowie die Qualitätsnormen für Früchte und Gemüse sollen als "gleichwertig" anerkannt werden, was sie aber in der Praxis nicht sind. Qualitativ hochstehende Bioprodukte werden benachteiligt. Ganz allgemein wird die schweizerische Landwirtschaft einem noch stärkeren Konkurrenzdruck ausgesetzt, das Sterben von Bauernhöfen wird sich beschleunigen.
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