Die EU ist sehr am Stopfen schweizerischer Steuerschlupflöcher interessiert. Die ökologisch engangierten Kreise in der Schweiz sollten dieses Interesse als Fauspfand nutzen, um für die Einführung einer wirksamen LSVA in den EU-Ländern Druck auzuüben.
Von Christian Thomas, Zürich
Das Karussell der Europa-Spekulationen wurde nach der Abstimmung sofort auf Hochtouren hochgefahren. Es war erstaunlich, dass die EU-Beitritts-Befürworter zuerst einen so grossen Optimismus verbreiteten, obwohl die bilateralen Verträge etwa 24'000 weniger Ja-Stimmen erzielt haben als der EWR - und dies obwohl, wie der Meinungsforscher Claude Longchamps sagt, 10 bis 15% der Ja-Stimmen in der festen Hoffnung abgegeben worden sind, dass damit weitere Schritte in Richtung Brüssel abgewendet werden können. Wohl wahr, dass die Nein Stimmen viel weniger waren als beim EWR, doch warum hat die Stimmbeteiligung nur 48% betragen, während sie beim EWR bei 79% gelegen hatte? Wahrscheinlich sind sich viele Leute nicht schlüssig gewesen, ob ihnen die Verträge mehr nützen als schaden. Diese Leute mochten die Frage nicht intuitiv oder emotional entscheiden, weil das emotionale Potential der als technisch verkauften Verträge viel geringer gewesen ist als es das des EWR war oder eines EU-Beitrittes wäre. So gesehen sind die 67.2% Ja-Stimmen alles andere als ein überwälitigender Sieg der Euro-Turbos. Vielleicht hat aber ihr forsches Vorgehen erst recht bewirkt, dass sich vorläufig in Sachen EU-Beitritt nicht viel bewegen wird.
Es war zwar zu erwarten, aber wir haben es uns doch nicht vorgestellt, dass die Presse das Forum für direkte Demokratie so krass ignorieren würde, obwohl wir mit der Web-Adresse des Europa-Magazines im Abstimmungsbüchlein erwähnt worden sind. Es passt nun mal nicht ins links-rechts-Schema der breiten Öffentlichkeit, dass es Leute gibt, die EU-kritisch denken, aber mit Rechts-Nationalismus nichts am Hut haben. Die NZZ nannte die Gegner der Bilateralen "einen bunt zusammengewürfelten Haufen", spekuliert über die Hintermänner der rechtsaussen-Grüpplein, bemühte sich aber nicht, sich im Internet über das Europa-Magazin zu informieren, um über die argumentativ wohl gewichtigste Gegnerschaft der Bilateralen Auskunft geben zu können.
Ausblick: Als nächstes will die EU von der Schweiz eine Lockerung des Bankgeheimnisses, denn Luxemburg wird dazu nur Hand bieten, wenn die Schweiz auch gezwungen wird, bei der internationalen Steuerfahndung mitzumachen. Das wird in der Schweiz noch zu reden geben und wahrscheinlich relativ bald zu einem neuen referendumspflichtigen bilateralen Vertrag führen.
Die Schweizer Steuerhinterzieher werden nicht zu faul sein, um an die Urne zu gehen. Wenn sich die Schweiz dafür nicht wenigstens eine griffige europäische LSVA einhandelt, und damit einige Hundert Millionen an Transit-Subventionen einspart, wer soll dann das Anliegen der EU an den Schweizer Urnen unterstützen?
Niemand, der nicht selbst Schwarzgeld hortet oder daran verdient, kann gerechterweise gegen ein Entgegenkommen gegenüber der EU sein, doch wenn die Schweiz einfach klein beigibt, verschenkt sie ein beträchtliches Steuersubstrat ohne Gegenleistung der EU. Darum gilt es, die Gunst der Stunde zu nutzen: Die EU hat in Aussicht gestellt, dass auch in unseren Nachbarländern eine LSVA eingeführt wird, doch so wie die Dinge stehen, wird dies am St. Nimmerleinstag geschehen, wenn die Schweiz nicht auch lernt, Druck aufzusetzen: Stopfen der Steuerschlupflöcher gegen eine europäische LSVA: Dreckgeld gegen Dreckluft. Das würde uns zwar keine Steuereinnahmen bescheren. Es würde jedoch unsere Ausgaben für den von uns gezwungenermassen mit 300 Franken subventionierten Transit von jedem einzelnen Lastwagen verringern. So könnten die Bahnkosten der Realität angepasst werden, ohne dass die Güter allesamt von der Bahn auf die Strasse abwandern und die teuren Bahntunnel leer stehen würden. Nur wenn sich alle ökologisch bewussten Kreise in der Schweiz konsequent gegen ein Stopfen der Steuerschupflöcher wehren, solange die EU die versprochene LSVA einführt, ist es möglich, die EU zur Einführung der versprochenen Steuer zu bewegen, denn die Steuerschlupflöcher sind bald das einzige handfeste und von der EU heiss begehrte Verhandlungspfand, das die Schweiz noch hat.
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