Der Schweizerische Friedensrat SFR ist kritisiert worden, weil er schon früh seine Skepsis gegenüber einem Referendum zur Militärgesetzrevision signalisiert hat (Siehe Andreas Hostettler (SFR) in FriZ 6/99 und die Replik von Nico Lutz (GSoA) in der FriZ 2/00). Die Haltung des SFR ergibt sich weniger aus der Analyse der Vorlage, sondern vor allem aus der Gewichtung der friedenspolitischen Prioritäten der kommenden Jahre.
Von Ruedi Tobler, Präsident des Schweizerischen Friedensrates.
Bedauerlicherweise hat Bundesrat Ogi mit der Teilrevision des Militärgesetzes für die Bewaffnung von Schweizer SoldatInnen im Ausland eine Nebenfrage aus dem Gesamtzusammenhang der Neuorientierung der Sicherheitspolitik herausgebrochen. Dankbar hat die AUNS diesen Vorstoss aufgegriffen und macht daraus eine Schicksalsfrage für das Fortbestehen der neutralen Schweiz. Diesem Zusammenspiel ist es gelungen, die Neuorientierung der Sicherheitspolitik in den Hintergrund und eine militärische Frage in den Vordergrund zu rücken. Sollen wir da mitspielen und mit einem Referendum die Bestätigung liefern, dass die Frage der bewaffneten Auslandeinsätze wichtiger ist als die Diskussion um die Neuausrichtung der Sicherheitspolitik?
Kräfte auf wichtigere Fragen konzentrieren
Der Vorstand des SFR ist der Meinung,
wir sollten unsere Kräfte auf die zahlreichen anstehenden Fragen konzentrieren, die uns wichtiger erscheinen. Aus Platzgründen können diese hier lediglich aufgezählt werden:
o der Beitritt der Schweiz zur UNO;
o die Reform der UNO zur Organisation weltweiter kollektiver Sicherheit und Schutzpatronin der Menschenrechte;
o die Einrichtung der Stiftung solidarische Schweiz;
o die Initiative «Sparen beim Militär und der Gesamtverteidigung - für mehr Frieden und zukunftsgerichtete Arbeitsplätze» (Umverteilungsinitiative);
o die Friedenspolitische Konzeption für eine Politik der Schweiz nach dem Abschied von der obsoleten Neutralität;
o die Frage nach den Formen des Militärdienstes nach der Abschaffung der Wehrpflicht für die Männer?
o die Initiative «Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst»;
o die zweite Initiative «Für eine Schweiz ohne Armee»;
o die friedenspolitischen Perspektiven in der Diskussion um die Neuorientierung der Sicherheitspolitik, ausgehend von den bundesrätlichen Berichten «Sicherheit durch Kooperation» (Juni 1999) und «Über die Menschenrechtspolitik der Schweiz» (Februar 2000).
Unsere Kritik am Referendum
Dies ist keine Distanzierung von den Versuchen, die Teilrevision des Militärgesetzes in den parlamentarischen Verhandlungen zu beeinflussen und zu verbessern. Aber für ein Referendum braucht es mehr als eine mittlere Unzufriedenheit. Was ist,
falls letztlich keiner der nachstehenden Anträge für eine Verbesserung der Vorlage im Ständerat durchkommt?
o Zwingendes Mandat von UNO oder OSZE: Diese Forderung erscheint auch dem SFR als wichtigster Punkt in dieser Debatte. Deren Fehlen in der Vorlage zu einem Vorentscheid bezüglich eines allfälligen Beitritts-Entscheids der Schweiz zur NATO hochzustilisieren, ist jedoch übertrieben. Weder ist mit der Version des Nationalrates ein erster Schritt Richtung NATO vollzogen, noch würde eine einschränkendere Formulierung allein auf ein UNO- und OSZE-Mandat dem NATO-Beitritt einen Riegel schieben. Das Beispiel der bilateralen Verhandlungen mit der EU hat deutlich gezeigt, wie schnell selbst eine Verfassungsbestimmung wie der Alpenschutzartikel relativiert ist, wenn der Bundesrat eine internationale Vereinbarung erzielen will.
o Beschränkung auf friedenserhaltende Einsätze: Selbstverständlich ist auch der SFR-Vorstand nicht erpicht auf die Beteiligung der Schweiz an möglichst vielen militärischen Einsätzen. Aber heisst diese Beschränkung auch, dass wir beim Beitritt der Schweiz zur UNO ebenfalls eine solche Beschränkung verlangen werden? Und sind im Rahmen eines funktionierenden Systems der kollektiven Sicherheit ausschliesslich friedenserhaltende Einsätze denkbar?
o Bewaffnung nur zum Selbstschutz: Was bedeutet Selbstschutz? Welche Waffen hätten die UNO-Soldaten in Sierra Leone gebraucht, um verhindern zu können, als Geiseln genommen zu werden? War die UNO-Schutzzone in Srebrenica ein friedenserhaltender Einsatz? Und welche Bewaffnung hätten die UNO-Soldaten zu deren Schutz gebraucht? Oder heisst Selbstschutz zuzuschauen, wie die Zivilbevölkerung niedergemacht wird? Setzt sich die Ten- denz, dass die Soldaten im Krieg die am besten geschützten Menschen sind, auch in friedenserhaltenden Einsätzen der UNO fort?
Welche Überzeugungskraft hat angesichts der hier skizzierten Fragen ein friedenspolitisches Referendum gegen die Teilrevision des Militärgesetzes? Der Vorstand des SFR ist der Ansicht, dass es in der nächsten Zeit genug andere Fragen gibt, in denen unser voller Einsatz gefordert ist.
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