Am 2. Dezember stimmt die Schweiz über zwei Initiativen "Für eine glaubwürdige Sicherheitspolitik und eine Schweiz ohne Armee" (SoA) und "Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst" (ZFD) der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee ab. Die Initiativen bieten die Chance, zivile Lösungen als Alternative zu sinnloser Kriegsführung und teurer Aufrüstung zu diskutieren.
von Lena Wanitsch, GSoA Schweiz
Alles schon gehabt?
Genau vor zwölf Jahren stand schon einmal eine Initiative für eine Schweiz ohne Armee und eine umfassende Friedenspolitik zur Abstimmung. Das politische und gesellschaftliche Umfeld auf internationaler sowie auf nationaler Ebene präsentiert sich heute wesentlich anders als 1989. Damals stand die Armee stellvertretend für das wehrhafte Schweizer Selbstverständnis zur Diskussion. Die Armee in Frage zu stellen, bedeutete ein Stück schweizerische Identität in Frage zu stellen. Daraus resultierte der eigentliche Tabubruch und die enorme gesellschaftspolitische Brisanz der Auseinandersetzung. Heute stehen wir vor einer veränderten Situation. Es geht kaum mehr um die Vergangenheit und das Selbstverständnis der Schweiz, sondern vielmehr um eine nüchterne Diskussion der internationalen Konfliktpolitik und der sicherheits- sowie aussenpolitischen Perspektive der Schweiz.
Schafft die Armee Sicherheit?
Die grausamen Ereignisse in den USA wecken  verständlicherweise  ein verstärktes Sicherheitsbedürfnis auch in der Schweiz und werfen neue Bedrohungsszenarien auf. Die militärische Abwehr solcher Bedrohungen ist aber nicht möglich  selbst die grösste Militärmacht der Welt kann ihre Bürger nicht vor terroristischen Anschlägen schützen. Auch gegen andere grosse Gefahren unserer Zeit  wie Umweltzerstörung und Klimaveränderung, Armut, Unterdrückung etc.  kann die Armee nichts ausrichten. Im Gegenteil, sie stellt selbst eine Umweltbelastung dar und verschlingt enorme Mittel, die im zivilen Bereich effektiver und sinnvoller eingesetzt werden könnten. In Notsituationen können spezifisch ausgebildete, zivile Institutionen besser reagieren. Armeen werden Unsicherheit und Gewalt langfristig nur verstärken.
Von Freunden umzingelt
Die Schweiz ist umgeben von Staaten, die der Europäischen Union angehören. "Für Mitteleuropa ist weit und breit kein Feind in Sicht", sagte Adolf Ogi als Verteidigungsminister vor vier Jahren. Auch das im Mai 2001 vom Bundesrat vorgelegte Armeeleitbild 2001 hält fest: "Mit dem Ende des Kalten Krieges hat sich die militärische Bedrohung in Europa massiv verringert". Die Regierung hält deshalb "raumgreifende militärische Operationen", welche die Schweiz betreffen könnten, "für wenig wahrscheinlich". Die autonome Landesverteidigung ist also zunehmend absurd. Eine Möglichkeit, für die Armee neue Aufgaben zu finden, ist ihre Einbindung in internationale friedensunterstützende Einsätze (peace supporting operations) unter der Führung der NATO. Dafür wurde mit dem neuen Militärgesetz die Grundlage geschaffen. Für die GSoA ist weder der bewaffnete Isolationismus noch der bewaffnete Interventionismus der NATO, an dem sich die Armeeplaner beteiligen wollen, die richtige Perspektive. Wir fordern: Zivile Solidarität, mehr Engagement für den Abbau von Konfliktursachen, endlich einen UNO-Beitritt und einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst.
"Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten"
Aus der Überzeugung, dass sich Konflikte nicht einfach militärisch lösen lassen und Respekt vor Menschenrechten sich nicht mit Gewalt erreichen lässt, will die Initiative "Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst" (ZFD) die Bemühungen der Schweiz in ziviler Konfliktlösung und Gewaltprävention verstärken. Sie verlangt staatliches Handeln auf folgenden Ebenen:
Eine Grundausbildung für gewaltfreie Konfliktbearbeitung soll allen in der Schweiz wohnhaften Personen offen stehen. Damit sollen möglichst viele Menschen lernen können, Konflikte zu verstehen und gewaltfrei mit ihnen umzugehen  im Arbeitsalltag, in der Schule und in ihrer Familie. Die Ausgestaltung der Grundausbildung lässt die Initiative offen.
Ausgehend vom realen Bedarf werden Freiwillige als Friedensfachkräfte für Einsätze im Rahmen des ZFD qualifiziert. Ein Pool von einsatzbereiten und ausgebildeten Freiwilligen soll permanent zur Verfügung stehen.
Einsätze werden in der Regel von geeigneten Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. Der ZFD kommt nur auf Anfrage von lokalen und internationalen Organisationen zum Einsatz und arbeitet in den Bereichen Menschenrechtsarbeit, sozialer Wiederaufbau und Wahlbeobachtung eng mit diesen zusammen.
Eine ZFD-Koordinationsstelle stimmt die Einsätze mit privaten Friedensorganisationen und Hilfswerken ab und bewilligt die Projekte.
Beispiele für Projekte im Sinne des ZFD
...in der Schweiz: Seminar für Jugendliche: Umgang mit Ausgrenzung und Gewalt (Projekt von terre des hommes schweiz und National Coalition Building Institute Basel). Jugendliche lernen, Vorurteile zu erkennen, mit Aggressionen umzugehen und Ausgrenzung abzubauen. Sie lernen, wie Konflikte ohne Gewalt gelöst werden können. Ausserdem werden sie dafür ausgebildet, das Gelernte an andere Jugendliche, aber auch an Erwachsene weiterzugeben.
Ausbildung in gewaltfreier Konfliktbearbeitung (Projekt des Schweizerischen ökumenischen Friedensprogramms SöF). Die Grundausbildung für Friedensarbeit und Konfliktlösung, die das SöF anbietet, vermittelt grundlegende soziale und fachliche Kompetenz für einen angemessenen Umgang mit Gewalt- und Konfliktsituationen sowohl im eigenen Umfeld wie für den Einsatz in einem Krisengebiet. Sie dauert - verteilt über ein Jahr - vier Wochen, drei Wochenenden und beinhaltet eine Projektarbeit mit Praxisbezug.
...im Ausland: Gewaltfreier Personenschutz (Projekte der Peace Brigades International z.B. in Kolumbien, Indonesien oder Mexiko). Führende Leute von demokratischen Menschenrechtsorganisationen werden in Krisengebieten oft verschleppt oder umgebracht. Waffenlose Begleitung durch internationale PBI-Freiwillige  wenn nötig rund um die Uhr  hilft, Entführungen und Morde zu verhindern. Gleichzeitig stärkt die intensive Kontakt- und Vermittlungsarbeit die lokale Zivilgesellschaft.
Gesellschaftlicher Wiederaufbau (Projekt von Service Civil International und GsoA im Kosovo/ in Kosova). Jugendliche aus der Schweiz und aus dem Kosovo/Kosova bauen im kriegsversehrten Vushtrri einen Begegnungsort für Kinder und Jugendliche auf. Damit sollen auch alleinerziehende Mütter entlastet werden. Toleranz und Frieden müssen aus der Gesellschaft wachsen. Diesen Prozess können Jugendliche mit ihrem Engagement stärken.
Warum braucht es einen ZFD?
Konflikte wird es immer geben, solange Menschen unterschiedliche Interessen haben. Aber aus einem Konflikt muss keine Krise und erst recht kein Krieg werden. Die Initiative für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst (ZFD) will in der Schweiz und im Ausland alle Anstrengungen fördern, Konflikte gewaltfrei auszutragen. Eine gerechtere Welt ist eine gewaltfreiere Welt. Der Zivile Friedensdienst will alle Kräfte unterstützen, die mit politischen und zivilen Mittel auf einen Abbau der Konfliktursachen hinarbeiten, sich für Menschenrechte und Demokratie, für Verständigung und Versöhnung und für den Wiederaufbau zerstörter gesellschaftlicher Strukturen einsetzen. Wenn Probleme und Herausforderungen die nationalen Grenzen sprengen, müssen auch die politischen Antworten von Anfang an international gedacht werden.
Der zivile Friedensdienst schliesst die Lücke, die heute zwischen der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Nothilfe, der Katastrophenhilfe und der Diplomatie besteht. Der freiwillige Zivile Friedensdienst ist ein zukunftsweisendes Instrument der Konfliktpolitik  ein echter Beitrag der Schweiz zur internationalen Solidarität.
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