Übersicht Dossiers Themenfokus Frieden Friedensvolksbegehren statt Brüssel-AstrologieDie Auseinandersetzung um die österreichische Neutralität wird sich im Jahr 2005 zuspitzen. Denn das politische Establishment wird erst nach den EU-Parlamentswahlen am 13. Juni 2004 dieses bewährte friedenspolitische Konzept ganz offen angreifen. Um dem Willen und der Haltung der Mehrheit der Menschen in Österreich eine wirkmächtige Stimme zu geben, wurde das Friedensvolksbegehren "Volksbegehren für Friedenspolitik durch aktive Neutralität statt NATO-Anbindung und Beteiligung an einer EU-Armee" gestartet.
von Boris Lechthaler, (Friedenswerkstatt Linz/Österreich)
Vernebelungstaktik
Die ehemalige sowjetische Führung war ja berüchtigt für ihren restriktiven Umgang mit Öffentlichkeit. Dies begünstigte die Begründung eines eigenen Berufsstandes: den der Kreml-Astrologen. In der Sowjetunion pflegten sie sich mit einem Stern zu begnügen: einem roten, fünfzackigen. In der EU haben wir gleich 12, güldene. Ein ungleich schwererer Job für Astrologen. Wird’s was mit der Verfassung oder wird’ s nichts? Wer auf diese Frage eine Antwort will, muß sich mit interstellaren Konstellationen und Aszendenten schon gut auskennen. In den Worthülsen der Staats- und Regierungschefs wird er keine Anhaltspunkte für schlüssige Antworten finden.
„Es gibt noch 50 offene Punkte, von denen 20 Substanzpunkte sind!“ berichtete Bundeskanzler Schüssel im Standard (27.03.2004) über den letzten EU-Regierungsgipfel. Welchen Inhalts diese Substanzpunkte sind, bleibt ein Mysterium. Beiläufig erfahren wir, daß es dabei auch um die Frage geht, in welchen Politikbereichen die Einstimmigkeit abgeschafft werden soll. Nur keine Angst, spätestens wenn wir in einer so unwesentlichen Frage wie einer Kriegsbeteiligung Österreichs überstimmt werden, werden wir schon merken, welchen Inhalts diese Politikbereiche sind. Viel wahrscheinlicher wird es gar nicht erst dazu kommen. Notfalls stimmt man gleich lieber mit. Den Art. 23f BVG, den Kriegsermächtigungsartikel, den hat man ja schon.
Ein erklärtes Ziel der EU-Verfassungsdiskussion war, die EU und ihre Institutionen näher zu den BürgerInnen zu bringen. Das krasse Gegenteil ist eingetreten. Die Diskussion um den EU-Verfassungsvertrag findet ausschließlich nur noch hinter gepolsterten Kabinettstüren statt. Die Öffentlichkeit wird bewußt nur ganz vage über die laufenden Prozesse informiert. Die zum Stehgreiftheater verkommene Inszenierung von Historizität, die da vor unseren Augen aufgeführt wird, gerät ins Absurde. Es geht „vielmehr um eine Bindung der EU-Bürgerschaft an die EU“ (Hanne M. Birckenbach), als um eine Bindung der EU an den Willen und die Interessen der Menschen.
Es gibt praktisch keine gesellschaftliche Debatte zum EU-Verfassungsprozeß. Die Diskussion dazu wird von oben systematisch von der Tagesordnung gedrängt. Wenn berichtet wird, dann nur soweit es sich nicht mehr vermeiden läßt. Daß Ungeheuerlichkeiten wie die im Entwurf enthaltene Aufrüstungsverpflichtung in Österreich zumindest teilweise öffentlich bekannt wurden, ist wesentlich dem Friedensvolksbegehren zu verdanken. Doch nicht nur von seiten der Friedensbewegung wird Opposition gegen das vorliegende Papier formuliert. Entschiedene Kritik gibt es aus der globalisierungskritischen Bewegung, aus Gewerkschaften, der Anti-Atombewegung und vielen anderen. Viele kommen zum Schluß: dies ist eine Verfassung für Konzerne und Generäle. Wir dürfen es jedoch nicht dabei bewenden lassen. Wir müssen handlungsfähig werden. Wir müssen die von oben verweigerte Debatte von unten her durchsetzen.
Welches Recht brauchen wir?
Das heißt natürlich zuvorderst auch, die eigenen Ansprüche an Politik zu formulieren und sie auf den unterschiedlichen Ebenen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung einzubringen. Auch wir wollen internationale Rechtssetzung. Wir brauchen diese z. B. bei der dringenden Frage der Abrüstung. Der „Krieg gegen den Terror“ läßt die Rüstungsbudgets diesseits und jenseits des Atlantiks explodieren. Insbesondere muß es um die Frage der Abrüstung nuklearer Massenvernichtungswaffen gehen. Es ist in der Zwischenzeit völlig offenkundig, daß es nicht möglich sein wird, die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen durchzusetzen, wenn man dabei die eigenen Massenvernichtungswaffen außerhalb jeglicher Debatte stellt. Wir brauchen eine Stärkung des internationalen Rechts, deshalb die Stärkung und Unterordnung unter UNO und OSZE und nicht die Selbstermächtigung zu globalen Militärinterventionen.
Wir brauchen internationale Vereinbarungen über die Beschränkung der Kapitalmobilität. Die unbeschränkte Freiheit des Kapitalverkehrs führt zu Hierarchisierung und Zentralisierung von gesellschaftlichen Entscheidungen. Sie destabilisiert letztlich die Gesellschaft und bildet eine Gefahr für die zukunftsfähige Entwicklung. Der Gesellschaft muß das Recht vorbehalten bleiben zu formulieren, welche wirtschaftlichen Bereiche sie als wesentlich für die Daseinsvorsorge der öffentlichen Verwaltung unterstellt. Wie kann der Vorrang von ökologischer Nachhaltigkeit gegenüber den Interessen gewinnsuchenden Kapitals geschützt werden?
Alle diese Fragen und noch viele andere müßten auch auf internationaler Ebene ernsthaft vorangetrieben werden. Mit der EU-Verfassung passiert das genaue Gegenteil. Mit ihr sollen nationale Hindernisse auf dem Weg zum Europa der Konzerne und Generäle aus dem Weg geräumt werden. „Die in Deutschland so mühsam errungenen Rechte des Parlaments in der Sicherheitspolitik (Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen im Ausland) werden um so bedeutungsloser, je mehr sich eine EU-Sicherheitspolitik entwickelt; denn der Bundestag wird über den europäischen Einsatz von Streitkräften nicht mehr zu beschließen haben. Bundestagsabgeordnete werden dann die in Brüssel getroffenen Entscheidungen in ihren Wahlkreisen vertreten und in den Köpfen festklopfen müssen.“ (Hanne M. Birckenbach). Für Österreich ist auch von Bedeutung, daß wesentliche Teile des Verfassungsentwurfs bereits vorgezogen wurden. So wurde bereits im November 2003, beim Treffen der EU-Verteidigungsminister die Einrichtung einer gemeinsamen Rüstungsagentur bis zum Ende des Jahres 2004 beschlossen. Beim jüngsten Gipfel Ende März wurde die Solidaritätsklausel in Kraft gesetzt. Deren Formulierung lautet im Verfassungsentwurf (Art. I-42) „ ... Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedsstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, um terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedsstaaten abzuwenden.....“ Die Menschen in Österreich werden von ihrer eigenen Führung einfach hereingelegt. Während man auf der einen Seite noch ein Neutralitätsbekenntnis ablegt, soll sie hinter unserem Rücken zertrümmert werden.
Friedensvolksbegehren: Mehrheitsfähig, vernünftig, konkret und umsetzbar
Daraus folgt unmißverständlich, daß wir zuvorderst unser eigenes politisches Personal in die Verantwortung nehmen müssen. Wir brauchen konkrete Forderungen an die österreichische Politik und wir brauchen Überlegungen, wie wir diese Forderungen durchsetzen. Wir würden uns international lächerlich machen, würden wir diese Ebene auslassen. Das Friedensvolksbegehren dient exakt dieser Aufgabe.
Seine Forderungen werden von einer Mehrheit der Menschen geteilt, sie sind vernünftig, sie sind konkret, sie sind umsetzbar und deshalb von Regierung und Parlament sofort umzusetzen. Eine Politik entlang der Forderungen des Friedensvolksbegehrens würde weit über Österreich hinauswirken. Im Bündnis mit anderen kleinen oder neutralen Staaten in Europa und mit bündnisfreien Staaten an den Rändern der Reichtumsregion Europa könnte Österreich ein Motor für eine andere internationale Politik werden.
Beim nächsten EU-Rat am 17. u. 18. Juni wollen die Staats- und Regierungschefs die Verfassung beschließen. Ob’s wirklich dazu kommt, steht in den Sternen. Dann muß dieses neoliberale und militaristische Regelwerk der nationalen Ratifizierung unterworfen werden. In Österreich soll dies möglichst sang- und klanglos über die Bühne gehen. Das Friedensvolksbegehren ist zur Zeit die einzige bundesweite Initiative, die dafür sorgt, daß es eine öffentliche Auseinandersetzung um EU-Militarisierung und EU-Verfassung gibt. Das Friedensvolksbegehren kann und muß ein Erfolg werden.
FRIEDENSVOLKSBEGEHREN
Volksbegehren für Friedenspolitik durch aktive Neutralität statt NATO-Anbindung und Beteiligung an einer EU-Armee
Wir beantragen gesetzliche Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung zu einer Friedenspolitik im Sinne folgender Zielstellungen verpflichtet wird:
• Die Republik Österreich bekennt sich im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität Österreichs BGBl 1955/211 zu einer aktiven Neutralitätspolitik. In diesem Sinne orientiert sich die Außen- und Sicherheitspolitik an den Prinzipien des Dialogs, der Konfliktvermeidung, der friedlichen Konfliktregelung und der internationalen Solidarität.
• Die Republik Österreich darf keine SoldatInnen, keine Waffen, keinen Euro für eine EU-Armee bereitstellen. Sämtliche Zusagen der Bundesregierung in diesem Zusammenhang werden widerrufen. Die Republik Österreich wird keine militärische Beistandsverpflichtung in der Europäischen Union eingehen. Der Nationalrat streicht den neutralitätswidrigen Artikel 23f B-VG aus der Verfassung.
• Die Republik Österreich beendet die Beteiligung an der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ und wird auch der NATO nicht beitreten. Sämtliche gesetzliche und verwaltungsrechtliche Bestimmungen in diesem Zusammenhang werden außer Kraft gesetzt.
• Alle Vorhaben, das Bundesheer in Richtung Angriffsfähigkeit umzurüsten, und die dazugehörenden Aufrüstungspläne (Kampfjets, Großraumtransporter, etc.) werden gestoppt und jegliche Vorbereitungshandlungen rückgängig gemacht. Wir fordern soziale Sicherheit statt Aufrüstung.
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