Pierre Garrone möchte in seiner juristischen Studie untersuchen, ob das schweizerische Recht und die bestehenden internationalen Verträge mit der EU es erlauben würden, verbleibende Restriktionen des Freihandels mit der EU zu eliminieren. Durch das Freihandelsabkommen von 1972 wurden zwar Restriktionen tarifärer Natur abgeschafft, nicht-tarifäre Handelshemnisse blieben aber teilweise erhalten.
Zuerst bringt Garrone die Analyse der Rechtssprechung des EU-Gerichtshofes bezüglich des Prinzips der Nicht-Diskriminierung auf den Stand von 1996. Unter anderem untersucht er ein Urteil des EG-Gerichtshofes (CJCE 9 Juli 1992, Kommission/Belgien, C-2/90, Rec. S. I-4431). Eine belgische Gesetzgebung, die es untersagte, in Wallonien Abfälle von anderen EU-Staaten oder anderen belgischen Regionen zu deponieren, wurde als rechtmässig deklariert. Dabei wurde betont, dass das Prinzip der Nichtdiskriminierung dadurch nicht aufgehoben werde. Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass das Verursacherprinzip und der Grundsatz, dass Umweltbeeinträchtigungen an ihrem Ursprungsort zu bekämpfen sind (Artikel 130F Paragraph 2 EG), durch die Verbindung von Abfällen mit ihrem Produktionsort eine unterschiedliche Behandlung der Abfälle unterschiedlicher Herkunft rechtfertige.
Im übrigen geht der Vorrang des Prinzips der Nicht-Diskriminierung jedoch weit: Artikel 36 des EG-Vertrages erlaubt Einschränkungen, die "aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert ... sind" erfolgen. Allerdings darf dieser Artikel nur ausnahmsweise verwendet werden und das Prinzip der Verhältnismässigkeit muss strikte beachtet werden. Artikel 30 EG verbietet zudem Hindernisse des zwischenstaatlichen Handels, wenn diese durch das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung eliminiert werden können. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang das Urteil "Keck und Mithouard". Laut diesem begründen die EG-Verträge nicht eine allgemeine Garantie wirtschaftlicher Freiheiten. Ein Sonntagsverkaufsverbot etwa kann auch die Verkaufschancen anderer Länder betreffen. Diese werden aber nicht diskriminiert und die Massnahme ist verhältnismässig.
Im zweiten Teil des Buches untersucht Garrone dann die Frage, ob durch eine geschickte Interpretation des schweizerischen Verfassungsrechts (Gewerbe- und Handelsfreiheit) und des Freihandelsvertrages von 1972 nicht eine weitere Liberalisierung möglich wäre. Er fordert, internes und internationales Recht, das Wirtschaftsfreiheiten garantiert, nicht strikte zu trennen, sondern zu verknüpfen - in einem Sinn, der dem Geist beider Gesetzgebungen entspricht. Dadurch könnte, laut Garrone, die meisten Hindernisse für den freien Warenverkehr mit der EU eliminiert werden. Er fordert somit eine Art schleichender Integration in den Binnenmarkt, die durch eine Änderung der Rechtsprechung und nicht durch entsprechende Änderungen der Gesetzgebung erfolgt.
Pierre Garrone, La libre circulation des marchandises, Les relations commerciales internationales de la Suisse à l'heure du marché unique européen, Bern, Zürich, Stämpfli, Schulthess, 1996.
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