Das Forum für direkte Demokratie beteiligte sich am Vernehmlassungsverfahren zur neuen Bundesverfassung (NBV). Die Anregungen des Forums beinhalteten vor allem eine stärkere Gewichtung mancher Gesichtspunkte. Unseren Forderungen wurde nicht erkennbar Rechnung getragen, was angesichts der politischen Machtverhältnisse auch nicht verwundert. Allerdings kommt alles, was wir - im Rahmen der Nachführung - forderten, in der neuen Verfassung irgendwie vor.
von Paul Ruppen
Vernehmlassungsposition des Forums
Anlässlich der Vernehmlassung begrüsste das Forum das Bestreben, eine lesbarere Bundesverfassung zu schreiben. Der Versuch, zuerst eine Nachführung und dann erst Reformen einzuleiten, wurde als guter Weg betrachtet (Einheit der Materie).
Im Detail wurden folgende Ergänzungen verlangt: "Die Staatsgewalt beruht auf den Bürgerinnen und Bürgern, die sie unmittelbar durch Stimm- und Wahlrecht, Initiative und Referendum und mittelbar durch die Behörden ausüben" (Artikel 1). "Staatliches Handeln unterstützt und ergänzt private Initiative"(Artikel 4 des Entwurfs, Artikel 2 der NBV). "Jede Person hat ein Recht auf den Schutz ihrer Umwelt" (Artikel 9 des Entwurfs, Artikel 10 der NBV). "Eigentum weist eine soziale Komponente auf" (Artikel 20 des Entwurfs, Artikel 26 der NBV). Die Wirtschaft sollte zudem explizit der Erfüllung der Grundrechte untergeordnet werden (Wirtschaft als Mittel, nicht als Selbstzweck; Artikel 75 des Entwurfs, Artikel 94 der NBV). Wir forderten die Streichung von Artikel 81,1 des Entwurfs (Artikel 101, 1 NBV "Der Bund wahrt die Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland"), da der Staat nicht ein Instrument der Schweizer Wirtschaft im Ausland zu sein hat. Wir befürworteten vielmehr einen Auftrag an den Staat, auf eine internationale, stabile Friedensordnung hin zu arbeiten. Dazu gehört auch eine weltweit ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung.
Beurteilung der NBV
Unseren Forderungen wurde nicht erkennbar Rechnung getragen. Allerdings kommt alles, was wir - im Rahmen der Nachführung - forderten, in der neuen Verfassung irgendwie vor. Zudem gewinnt die Verfassung ungemein durch die explizite Erwähnung der Grundrechte. Dies allein würde eine Unterstützung der NBV rechtfertigen. Artikel 2.4. "Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung." entspricht voll den Zielsetzungen des Forums. Der Missbrauch des Artikels durch die Befürworter der Ungerechtigkeits-Stabilisierungsprogramme EU und NATO ist natürlich vorprogrammiert. Um so mehr werden wir eine angemessenere, EU- und NATO-kritische Interpretation in den Vordergrund stellen.
Die NBV ist eine Nachführung. Die Volksrechte sind davon nicht betroffen (Unterschriftenzahlen z.B. bleiben unverändert). Wir wären natürlich an einer weiteren Demokratisierung der schweizerischen Aussenpolitik interessiert. Von einer Nachführung kann allerdings nur erwartet werden, dass sie diesbezüglich keine Rückschritte beinhaltet. Der gängigen Praxis entsprechend wird in der Verfassung festgehalten, dass der Bund und die Kantone die internationalen Verträge respektieren. Volksinitiativen müssen demgegenüber nur das zwingende Völkerrecht1) achten. Dies entspricht der vom Forum in der Vernehmlassung ausgedrückten Haltung. Eine zusätzliche Demokratisierung der Aussenbeziehungen der Schweiz betrifft denn auch nicht diese zwei Punkte, sondern das Vertragsabschlussverfahren. Entsprechend fordern wir für künftige Partialrevisionen der BV, dass alle internationalen Verträge, die nicht dem obligatorischen Referendum unterstehen, dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Da die internationale Rechtsetzung immer wichtiger wird und zusehends innenpolitische Bereiche berührt, ist die Mitsprache des Volkes wichtig, damit der Bundesrat nicht die Volksrechte über seine internationale Vertragsabschlusskompetenz aushöhlen kann. Diese Forderung (und weitere wie der frühzeitige Einbezug der Bevölkerung bei der Zielsetzung von internationalen Verhandlungen) wird das Forum in Zukunft - besonders bei der "Reform" der Volksrechte - aufmerksam verfolgen. Die NBV ist davon jedoch nicht betroffen.
1) bezüglich dieses Begriffes siehe Europa-Magazin 2/92; oder auf unserer Homepage http://www.czv.ch/db?13@@.ee6bcc2. Unbestrittenermassen zum zwingenden Völkerrecht zählen etwa der Kern des humanitären Völkerrechts, das Gewaltverbot, das Aggressionsverbot, das Genozid- und das Folterverbot. Diese Regeln sind deshalb zwingend ausgestaltet, weil sie zu den Grundregeln zwischenstaatlichen Verhaltens gehören und für das friedliche Zusammenleben der Menschheit oder ein menschenwürdiges Dasein unabdingbar sind. Rechtsakte, welche gegen zwingendes Völkerrecht verstoßen, sind daher nichtig.
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