Übersicht Dossiers Themenfokus Demokratie “Direkte Demokratie ist die beste Medizin für unsere Gesellschaft"In Rumänien kämpft Georgeta Ionescu, seit langem aktiv für die Umwelt engagiert, gegen das Fracking an. Sie ist eines der Gründungsmitglieder der Demokratiegruppe in Rumänien, die im Juli dieses Jahres (2013) ins Leben gerufen wurde. Im folgenden Interview redet sie über die aktuellen Zustand der Politik in Rumänien, über die Perspektiven der direkten Demokratie und über ihre Motivation, politisch aktiv zu sein. Georgeta Ionescu hat Geologie, Jus, öffentliche Verwaltung und Politologie studiert.
Interview von Cora Pfafferott (Democracy International) mit Georgeta Ionescu
Democracy International: In diesen Tagen hören wir viel von Protesten gegen Fracking und Goldminen in Rumänien. Was geschieht da in diesen Tagen in Rumänien?
Georgeta Ionescu: In den letzten Wochen sind Tausende von Rumänen auf die Strasse gegangen, um friedlich gegen das grösste Tagbau-Goldminenprojekt in Roșia Montană (dt. Goldbach, ungarisch Verespatak, in Siebenbürgen) zu protestieren. Es wurde auch gegen Fracking (Gasgewinnung aus Schiefergas mittels Hineinpumpen von Wasser in den Boden) protestiert sowie für das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt. Neben Strassenmärschen wurden öffentliche, repräsentative Plätze in der Hauptstadt besetzt.
Bezüglich der Goldgewinnung mittels Cyanid findet bereits seit 12 Jahren eine Auseinandersetzung mit einer kanadischen Gesellschaft statt, welche eine Lizenz für den Goldtagbau in Roșia Montană erhalten hat. Es handelt sich um eine traditionelle Gold-Minenregion, wo Gold seit den Römern bis in die 90er Jahre geschürft wurde. In der Tat gibt es dort eine lange und einmalige Minengeschichte mit den ältetesten Minenruinen des Landes, mit alten Tunneln und Werkzeug aus alter Zeit. Selbst Transkripte römischer Gesetze wurden dort entdeckt.
Wieso sind die Leute empört?
In der Tat wurden beide Genehmigungen, nämlich Schiefergas zu extrahieren und Gold mit Hilfe der Cianid-Methode zu gewinnen, verliehen, ohne die Öffentlichkeit einzubeziehen. Der genaue Inhalt der Vereinbarungen wird vor der Öffentlichkeit immer noch geheim gehalten. Das Gesuch, die Dokumente freizugeben, wurde abgewiesen und die Vernehmlassungen bezüglich Umweltverträglichkeitsprüfungen waren nur simuliert. Manche Leute streiten es schlicht ab, dass die Umwelt in Gefahr ist. Im speziellen geht es bei der Roșia Montană Grube auch um unsere Erbe. Zivilgesellschaftliche Organisationen verlangen einen UNESCO-Schutz für alle archeologischen Lebenszeugnisse, die dort gefunden wurden.
Im Augenblick will man vier Berge abtragen und 13.000 Tonnen Cyanid einsetzen, um die grösste Schürfungsoberfläche Europas zu bewirtschaften. Ein Teich mit cyanidhaltigem Abfall soll eine Fläche von 300 Hektaren bedecken. Diese Projekt beunruhigt jene Menschen, die sich an das Baia Mare Cyanid-Unglück von 2000 erinnern, das eine Verschmutzung bewirkte, die sogar Nachbarländer beeinträchtigte. Zudem erinnern sich manche an den Unfall von 1971 in der geschlossenen Mine von Certej. Damals starben 89 Personen und viele andere wurden verletzt.
Werden direktdemokratische Instrumente benutzt, um die Konflikte zu lösen?
Vier Referenden wurden bezüglich Schiefergas in den Städten von Dobrogea im Dezember 2012 organisiert. Trotz der starken Opposition gegen das Fracking – mehr als 90% der Stimmen wandten sich dagegen – schaffte nur ein Referendum die hohen Abstimmungsquoren. Aber auch diese Entscheidung will die Regierung missachten, da sie Chevron das Recht, die Lager abzuklären, bereits zugestanden hat. Im Bezirk Vaslui haben 17 lokale Räte entschieden, das Fracking zu verbieten. Ebenso in Arad. Diese Entscheidungen repräsentieren den Willen der lokalen Bevölkerungen. Trotzdem versucht die zentrale Verwaltung die Räte unter Druck zu setzen, damit diese auf ihre Entscheidungen zurückzukommen. Der Finanzausgleich wird reduziert, um sie willfährig zu machen. Der Bezirk Vaslui mit der Stadt Barlad haben gegen diese Entscheidungen seit dem Februar protestiert und es wurden Meetings mit mehreren tausend Personen abgehalten. Die Regierung wurde in der Folge im Frühjahr gestürzt. Bürgerinnen und Bürger fahren mit den Protesten gegen Fracking fort. Werden die Politiker einlenken? Wir werden sehen …
Was tun Sie selber, um den Konflikt zu lösen?
Ich nutze die legalen Rechte, die den Bürgerinnen und Bürgern garantiert sind, und ich verlange Transparenz auf Landesebene sowie von den Konzernen, inklusive die Veröffentlichung jener Verträge, welche einen Einfluss auf das Wasser und das Land unserer Gemeinden haben. Wir müssen den Finger darauf legen, dass manche Entscheidungen Einfluss auf die Menschenrechte haben, und wir verlangen von den Beteiligten, alles zu unternehmen, um das Recht auf Leben, Gesundheit und Umwelt zu schützen.
Was sind ihre politischen Ziele?
Ich bin für eine saubere und gesunde Umwelt und für eine demokratischere Gesellschaft. Wir erbten aus einer anderen Ära das Öl, auf dem die heutige Wirtschaft energiemässig fusst. Um von der fossilen Energie weg hin zu erneuerbaren Energien zu gelangen, müssen wir die richtige Politik wählen. Wir dürfen keine Zeit verlieren und jetzt handeln. Kohle, Öl, Erdgas und deren Förderung verstärken die globale Emission von C02, Methan und den anderen Treibhausgasen. Ich kämfe gegen die Abholzung in meinem Land und in anderen Ländern. In allen Engagements fürs Leben, müssen die Gemeinden und die Leute an der lokalen Politik beteilt werden, da sie als erste davon betroffen werden. Direkte Demokratie ist die beste Medizin, wenn ein Projekt Gemeinden und lokale Bevölkerungen bedroht.
Neulich gründeten sie mit anderen Personen zusammen eine Demokratiegruppe in Rumänien. Wie geht die Arbeit voran? Welche Ziele verfolgen Sie mit dieser Organisation?
Der Verein wurde erst kürzlich registriert. Unseren ersten Projekte betreffen die Erziehung zu Bürgerrechten und öffentliche Sensibilisierungskampagnen. Wir nehmen an öffentlichen Debaten teil, die im Augenblick laufen. Wir beabsichtigen, die Leute darüber aufzuklären, welche Rechte sie gemäss geltendem Recht haben, an öffentlichen Vernehmlassungen teilzunehmen. Unser Ziel ist die Gewährleistung direkte Abstimmungen über gewisse Entscheidungen, welche die Gemeinden und lokalen Bevölkerungen betreffen. Elektronische Abstimmungen können leicht auf lokaler Ebene implementiert werden und kosten sehr wenig. Die harte Arbeit allerdings ist die Veränderung der Mentalitäten: es gibt immer noch viel zu viel Apathie unter den Bürgerinnen und Bürgern, wenn es um Teilhabe am öffentlichen Leben geht, einschliesslich Abstimmungen, Wahlen und Meinungsäusserungen bezüglich gewisser Projekte.
Quelle: http://www.democracy-international.org/interview-georgeta-ionescu (Übersetzung pr).
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