Übersicht Editorial 2020/1Über das Virus wurde schon so viel geschrieben, so dass wir in dieser Nummer weitgehend darüber schweigen. Dabei gäbe es durchaus demokratie- und EU-politisch Erwähnenswertes, etwa dass sich die Parlamente in der Schweiz fluchtartig ihrer Verantwortung entzogen. Das führte dazu, dass sich die Regierung selbst ermächtigte, statt von den Parlamenten ein entsprechendes Mandat zu erhalten – nicht wirklich demokratisch. Die Angelegenheit wird glücklicherweise diskutiert. Ohne zu glauben, dass Parlamente der Inbegriff von Demokratie sind, haben sie doch ihre Aufgabe zu erfüllen und dieser dürfen sie sich nicht selbstermächtigt entziehen. Die EU schwieg sich beim notfallmässigen Handeln der Mitgliedstaaten zuerst aus. Die EU hat – zum Glück – keine entsprechende Kompetenzen, und Pflege erfolgt vor Ort und nicht in Sitzungszimmern in Brüssel. Ein schönes Beispiel dafür, dass gemeinsame Probleme nicht immer nach Zentralisierung verlangen, sondern dass manchmal nur Strukturen vor Ort sie lösen könne – was die Notwendigkeit von Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch nicht mindert. Schliesslich fand die EU eine erste zaghafte Rolle bei der Öffnung der Grenzen bezüglich medizinischem Schutzmaterial: das freund-europäisch von einzelnen EU-Staaten beschlagnahmte Eigentum anderer Staaten Europas sollte wenigstens innerhalb der EU und der Schengenstaaten weitergeleitet werden. Mit etlicher Wucht meldet sich die EU nun aber bei der drohenden Wirtschaftskrise zurück. Das Überleben des Euro steht auf dem Spiel, und es bietet sich für die EU eventuell die einmalige Gelegenheit, die Krise für weitere Zentralisierungsschritte zu nutzen. Streit ist dabei programmiert.
Paul Ruppen
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