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Kurzinfos Februar 2017

EU stellt Schweiz als Nettoempfängerin von EU-Geldern dar

Ist die Schweiz ein Nettoempfänger des EU-Haushalts, ein Staat, in den aus diversen EU-Töpfen mehr Geld fliesst, als er selbst einzahlt? Diesen Schluss legen Daten nahe, die der EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage vorgelegt hat. Danach hat die Schweiz im Haushaltsjahr 2016 (Januar bis November) netto 88,8 Mio. € von der EU erhalten. Ihre Einzahlungen – zum Beispiel für die Beteiligung an EU-Programmen – betrugen 262,6 Mio. €, während sie 351,4 Mio. € «zurückerhielt».

Die CDU-Abgeordnete Ingeborg Grässle hatte wissen wollen, welche Mittel der EU-Haushalt von Drittstaaten erhält und wie viel Geld in diese fliesst. Laut Oettingers Tabelle haben Drittländer in der erwähnten Periode insgesamt rund 4,3 Mrd. € einbezahlt und 9,9 Mrd. € erhalten, was einen Saldo von 5,5 Mrd. € zulasten der EU ergibt. Ein wichtiger Nettoempfänger war die Türkei mit einem Saldo von 1,4 Mrd. €, während Norwegen netto 269 Mio. € zahlte.

Die Zahlen der EU berücksichtigen allerdings wesentliche Geldflüsse nicht: So fliessen ihre – mit dem Zugang zum EU-Binnenmarkt begründeten – Kohäsionsbeiträge ebenso wie jene von Island, Liechtenstein und Norwegen nicht via EU-Budget, sondern direkt in die 13 neuen EU-Mitgliedstaaten. 2016 zahlte die Schweiz laut Angaben des Aussendepartements (EDA) allein an die 2004 beigetretenen EU-10-Staaten 151,8 Mio. Fr. Unter Einrechnung dieser Summen wäre sie somit Nettozahler gewesen. Hinzu kommt laut Kommission, dass ein Teil des in die Schweiz fliessenden EU-Geldes an dort ansässige Uno-Organisationen und andere Gremien geht, die EU-Programme ausführen und mit der Schweiz wenig zu tun haben. Umgekehrt enthalten ihre Zahlungen Kartellbussen, die Schweizer Unternehmen an die EU berappen. Viele dieser Elemente schwanken zudem von Jahr zu Jahr. NZZ, 24. Februar 2017, S. 25.



Brüssels Schildbürgerstreich in der Ägäis

Bekanntlich ist das EU keine Unternehmung zur Überwindung von Grenzen, sondern deren Verschiebung an die Aussengrenzen des EU-Grossmachtprojektes. Die EU-Kommission hebt eine Visa-Sonderregelung für türkische Touristen auf den Ägäisinseln auf. Ohnehin konfrontiert mit der Flüchtlingskrise, die ihr Leben grundlegend verändert hat, müssen die Griechen zwischen Lesbos und Rhodos nun mit sehr viel weniger türkischen Touristen auskommen. Die EU-Kommission will eine Sonderregelung nicht verlängern, die türkischen Gästen kurze Reisen ohne Schengen-Visa auf nahe gelegene Inseln in Griechenland erlaubt.

Trotz grossen Anstrengungen, die beteiligten EU-Kommissare umzustimmen, sei die Verlängerung der Regelung nicht gelungen, schrieb der griechische Vizeaussenminister Giorgos Katrougalos dieser Tage der Vorsteherin der Inselregion Nordägäis, Christiana Kalogirou. Diese zeigte sich ebenso überrascht wie kämpferisch. «Völlig inakzeptabel» nannte sie die Entscheidung Brüssels. Ironischerweise verantwortet diese auch ihr Parteifreund Dimitris Avramopoulos von der konservativen Nea Dimokratia mit, der EU-Kommissar für Migration und Inneres ist.

Seit dem Sommer 2012 konnten türkische Touristen auf Fährbooten zu einer der griechischen Inseln vor der Küste fahren, ohne erst den Gang zum griechischen Konsulat oder zu einem «Servicecenter» eines anderen EU-Landes anzutreten. Dort müssen nämlich für den Erhalt eines Schengen-Visums selbst Wochenendreisen begründet und mit Kontoauszügen, Hotel- und Flugbuchungen dokumentiert werden.

Jedes Jahr liess das griechische Aussenministerium das sogenannte Pilotprogramm zur Visa-Erleichterung für die griechischen Inseln in Brüssel verlängern. Es galt für Reisen von türkischen Hafenstädten für maximal 15 Tage und für die Feriensaison von April bis Oktober. Sieben Ägäis-Inseln fielen unter die Sonderregelung: Lesbos, Chios, Samos, Kos, Rhodos, Simi und Kastelorizo. Doch vor allem die Inseln im Nordosten der Ägäis, auf denen derzeit rund 15 000 Flüchtlinge faktisch interniert sind, profitierten von den Reiseerleichterungen für die türkischen Nachbarn. Entsprechend gross ist nun die Empörung.

«Das wird sehr schwere Folgen haben», sagt Pantelis Symiakakis, der Manager des grossen Hotels «Chandris» in Chios, voraus. Besucher aus Europa kämen wegen der Berichte über die Flüchtlinge nicht mehr, berichtet Symiakakis. Dieses Jahr gebe es gar nur noch eine Charterflugverbindung nach Chios: eine Maschine aus Slowenien alle zehn Tage. Viel verspricht sich der Hotelmanager nicht davon. Nur die Griechen vom Festland und eben die türkischen Touristen liessen sich nicht von der Flüchtlingskrise abschrecken. 6500 Besucher aus der Türkei kamen im vergangenen Jahr zwischen Juni und Oktober allein nach Chios. Die meisten reisten für einen kurzen Abstecher über das Wochenende an.

Nicht nur die Hotels, sondern auch die Geschäfte hängen mehr oder weniger von türkischen Touristen ab. In den Cafés und Tavernen rund um das grosse Hafenbecken von Chios-Stadt sind die Speisekarten längst schon auf Türkisch verfasst. Autovermieter werben um die Besucher von der Küste. Boutiquen, Souvenirläden, selbst Lebensmittelgeschäfte haben die türkischen Kunden im Blick. Während auf dem Festland die Wirtschaftskrise in ihr neuntes Jahr geht, ist die Situation auf den Inseln bis jetzt deutlich besser. Während der Saison wird sieben Tage die Woche gearbeitet. Nahezu jeder hat einen Job.

Im Aussenministerium in Athen verweist man auch auf die positive Wirkung der unkomplizierten Begegnungen zwischen Griechen und Türken auf den Inseln. «Wir wollen das», sagt Stratos Efthymiou, der Sprecher des Ministeriums. Gerade in Zeiten erhöhter Spannungen zwischen den beiden Ländern ist die Verflechtung im Alltag auch politisch relevant und wichtig.

Die Gründe, die Brüssel zum Stopp der Visaerleichterungen veranlassten, sollen zum einen prinzipieller Natur sein: Ausnahmen von den Visa-Regeln für die Schengen-Zone werden auf Dauer nicht toleriert. Zum anderen gibt es offenbar die Sorge, Flüchtlinge könnten als Feriengäste getarnt auch die Fährboote besteigen. Schliesslich galt das erleichterte Verfahren generell für alle Nicht-EU-Bürger. Allerdings gibt es Passagierlisten und Ausweiskontrollen in den Häfen auf beiden Seiten. NZZ, 15. Februar 2017, S. 6


Frankreich als Vorreiter

Mit einem neuen Gesetz reagiert Frankreich auf die negativen Folgen der Globalisierung für die Menschenrechte und macht Unternehmen haftbar für unverantwortliche Geschäftspraktiken. Vier Jahre ist es her, dass in Bangladesch das Rana-Plaza-Gebäude einstürzte. Dabei kamen mehr als 1100 Menschen ums Leben, hauptsächlich Arbeiterinnen aus Textilfabriken, die für europäische Modekonzerne produzierten, darunter auch die beiden französischen Einzelhandelsketten Auchan und Carrefour. Im Febraur 17 hat die französische Nationalversammlung nach langem Ringen mit dem Senat ein Gesetz verabschiedet, das Fälle wie diesen in Zukunft vermeiden soll: das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten (»Loi relative au devoir de vigilance des sociétés anonymes et des entreprises donneuses d’ordre«). Es ist in seiner Tragweite für den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte bislang einzigartig. Das Gesetz verpflichtet große französische Unternehmen dazu, mit angemessenen Maßnahmen Menschenrechts- und Umweltrisiken zu identifizieren und diesen vorzubeugen sowie öffentlich Rechenschaft darüber abzulegen. Verletzungen dieser Pflicht können mit einem Bußgeld von bis zu zehn Millionen Euro geahndet werden. Dieses kann auf bis zu dreißig Millionen Euro erhöht werden, wenn die Pflichtverletzung Menschenrechtsverletzungen nach sich zieht, wobei jede Person mit einem begründeten Interesse klageberechtigt ist. Bedeutsam ist das Gesetz, das François Hollande bereits als Präsidentschaftskandidat versprach, aus zwei Gründen: Zum einen bricht es mit dem in Europa vorherrschenden Politikansatz, der bei der Regulierung von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen vor allem auf freiwillige Selbstregulierung und Marktmechanismen setzt. Die meisten europäischen Staaten beschränken sich in ihrer Politik bislang vor allem auf die Unterstützung freiwilligen unternehmerischen Engagements im Rahmen von Corporate-Social-Responsibility-Instrumenten und auf die Schaffung von Transparenz. Dadurch soll es Konsumenten und Investoren ermöglicht werden, ihre Entscheidungen auf der Grundlage von Menschenrechtskriterien zu treffen. Zudem ziehen einige europäische Regierungen in Erwägung, die öffentliche Beschaffung und das Subventionswesen stärker an solche Kriterien zu knüpfen. Mit dem neuen französischen Gesetz liegt in Europa jetzt erstmals ein weitreichendes Instrument vor, das Unternehmen verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auferlegt und es ermöglicht, sie für unverantwortliche Geschäftspraktiken haftbar zu machen. Für diese Art von Instrumenten haben sich Teile der europäischen Zivilgesellschaft seit langer Zeit stark gemacht. Zum anderen bezieht sich das Gesetz nicht nur auf die menschenrechtlichen Risiken, die aufgrund der Aktivitäten des eigenen Unternehmens entstehen, sondern auch auf die Aktivitäten abhängiger Tochtergesellschaften und unabhängiger Zulieferbetriebe, mit denen das Unternehmen eine etablierte Geschäftsbeziehung unterhält. Ein Unternehmen wie Carrefour kann in Zukunft also für Menschenrechtsverstöße in bangladeschischen Textilfabriken in Haftung genommen werden, sofern es angemessene Sorgfaltsmaßnahmen unterlässt. Damit rüttelt das Gesetz am gesellschaftsrechtlichen Fundament der wirtschaftlichen Globalisierung, demzufolge Unternehmen grundsätzlich nicht für durch Tochter- und Zulieferunternehmen verursachte Schäden haften, selbst wenn diese Unternehmen faktisch unter ihrer Kontrolle stehen. Die Externalisierung menschenrechtlicher und ökologischer Risiken auf Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländer wird erschwert. Die Wirkung des Gesetzes wird stark von seiner Auslegung abhängen, insbesondere muss geklärt werden, worin angemessene Sorgfaltsmaßnahmen entlang der Lieferkette genau bestehen. Ohne Zweifel macht Frankreich mit der Verabschiedung des Gesetzes aber einen großen Schritt hin zu einer besseren Regulierung der Aktivitäten europäischer Unternehmen in Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der Wirtschaft an der Tagesordnung sind. http://www.euractiv.de/section/entwicklungspolitik/opinion/globalisierung-und-menschenrechte-frankreich-wird-zum-vorreiter/ 23. Februar 2017

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