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Staatsrechtliche Auswirkungen einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union



Es handelt sich um einen Sammelband von vier Studien zu den demokratiepolitischen Auswirkungen eines EU-Beitritts. Vom Zürcher Europa-Institut wurden die Auswirkungen eines EU-Beitritts auf das Referendumsrecht untersucht. Die Zürcher weisen darauf hin, dass es sich bei ihren Ergebnissen um ein relativ grobes Bild handle. Im vorgegebenen zeitlichen und finanziellen Rahmen konnten sie die dem nationalen Gesetzgeber durch die EU eingeräumten Spielräume nur tendenziell ermitteln. "Zudem gibt es auch auf der Seite des Europarechts eine Vielzahl ungeklärter Kompetenzfragen, insbesondere in den durch den Unionsvertrag neu hinzugekommenen Bereichen". Von der Tagespresse unterschlagen wurden die wesentlichen Ergebnisse des Berichtes über die Zahl der Gesetzesvorlagen, die in den Kompetenzbereich der EU fallen würden. Von 278 Vorlagen, die dem fakultativen Referendum unterstanden, lagen 109 im Kompetenzbereich der Union, 99 lagen ausserhalb und 52 lagen teilweise in der Unionszuständigkeit. 18 Vorlagen fallen potentiell in den Kompetenzbereich der Union, d.h. es besteht grundsätzlich eine Zuständigkeit, von der bislang jedoch nicht Gebrauch gemacht wurde. Damit ist weit mehr als die Hälfte der Vorlagen betroffen.

Davon unterschieden muss die Frage, ob die konkreten Vorlagen dem EU-Recht widersprochen hätten - ein Gesetz kann im Kompetenzbereich der EU liegen ohne dem EU-Recht zu widersprechen. Laut der Untersuchung wären Volksabstimmungen in 123 Fällen problemlos gewesen. In 38 Fällen wäre über Vorlagen abgestimmt worden, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht standen. In weiteren 99 Rechtsakten wäre über Vorlagen abgestimmt worden, deren Inhalt Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu beachten gehabt hätten. Der den Mitgliedstaaten innerhalb dieser Kategorie verbleibende Handlungsspielraum kann je nach Rechtsgebiet sehr klein oder auch umfangreich sein.

Von den 46 Vorlagen, die dem obligatorischen Referendum unterlagen, fielen 15 völlig und 17 teilweise in den Kompetenzbereich der Union, 14 lagen ausserhalb. Eine Volksabstimmung wäre in 16 Fällen problemlos gewesen. In 5 Fällen wäre über Vorlagen abgestimmt worden, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen. Bei 20 weiteren Rechtsakten wäre über Vorlagen abgestimmt worden, deren Inhalt Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu beachten hatten. Bei 4 Rechtsakten handelt es sich um Vorlagen, deren Inhalt in Teilbereichen problemlos gewesen wäre, in anderen jedoch im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht standen.

Die Autoren weisen durch das Zitat eines EU-Gerichtshofsspruchs unmissverständlich darauf hin, dass die Mitgliedstaaten "dadurch, dass sie nach Massgabe der Bestimmungen des (EG)-Vertrags Rechte und Pflichten, die bis dahin ihren inneren Rechtsordnungen unterworfen waren, der Regelung durch die Gemeinschaftsrechtsordnung vorbehalten haben, eine endgültige Beschränkung ihrer Hoheitsrechte erwirkt, die durch spätere einseitige, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare Massnahmen, nicht rückgängig gemacht werden kann" (EUGH Rs. 6/64 Costa/ENEL; Slg. 1964. S. 1251.). Nach einer allgemeinen Einleitung und Präsentation der Ergebnisse werden im Buch die 278 Referenden im Detail untersucht (Seite 21 - 119).

In einem zweiten Teil wird von Andreas Auer (Genf) in Zusammenarbeit mit dem "Institut de droit européen" der Universität Freiburg eine Analyse der Auswirkungen eines EU-Beitritts auf die direkte Demokratie in den Kantonen vorgenommen. Dabei wurden nur die Vorlagen untersucht, die zur Abstimmung gelangten (vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1998 insgesamt 616 Vorlagen). Angesichts der kurzen Frist und der Komplexität der Aufgabe weisen die Autoren darauf hin, dass das Ergebnis mit grosser Zurückhaltung zu beurteilen sei. "Der Einfluss eines EU-Beitrittes auf die direkte Demokratie lässt sich ganz allgemein nicht durch eine quantitative oder qualitative Analyse der Volksabstimmungen messen. Die direkte Demokratie wirkt sich in allen Stadien der Rechtsetzung nicht nur normativ, sondern auch präventiv auf die jeweilige Kompetenzausübung aller an diesem Prozess beteiligten Staatsorgane aus. "(S. 127). "Der effektive Einfluss eines Beitritts auf die kantonale Demokratie dürfte also bedeutend grösser sein, als es das Ergebnis zeigt, wobei wie gesagt nicht nur die direktdemokratische, sondern auch die repräsentative Komponente, ja sämtliche Staatsorgane, unmittelbar betroffen wären." "Dazu kommt, dass die Zahlen eine gewisse Zufälligkeit aufweisen und dass vor allem der vorgesetzte Zeitrahmen (5.5 Jahre) zu kurz ist, um allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen" "Insgesamt muss also festgestellt werden, dass es die Studie schon vom Ansatz her nicht erlaubt, die Breite und die Bedeutung des den Kantonen im Falle einer EU-Mitgliedschaft verbleibenden Gestaltungsspielraums auszuloten" (S. 128). Viele Vorbehalte, die in der euronationalen Tagespresse nicht erwähnt wurden!

Bei der konkreten Auswertung ergab sich folgendes Bild: 71% der Vorlagen betrafen den Kompetenzbereich der EU-Gesetzgebung nicht. 23% betrafen ihn teilweise oder ganz. Bei 6% der Vorlagen war es nicht möglich auszumachen, ob sie EU-kompatibel sind oder nicht. 88% der Vorlagen waren EU-kompatibel. 6 % waren teilweise oder ganz EU-rechtswidrig. In einem Anhang werden ein Teil der entsprechenden Vorlagen pro Kanton aufgelistet. Ein weiterer Anhang wird per Diskette mit dem Buch geliefert.

In einem dritten Teil wird die Anpassung ans EU-Recht Österreichs, Schwedens und Finnlands dargestellt. In einem vierten Teil nimmt Frank Emmert eine Darlegung der Gesetzesaktivitäten der EU vor. Dabei ergibt sich folgendes Bild bezüglich der Anzahl von EU-Erlassen: Verordnungen: 2988 (1992); 3886 (1993), 3270 (1994), 3263 ( 1995), 2593 (1996), 2668 (1997), Richtlinien: 158 (1992), 187 (1993), 102 (1994), 113 (1995), 114 (1996), 136 (1997). Beim Abstimmungsmodus in den EU-Ministerräten ergab sich eine Verschiebung vom Einstimmigkeitsprinzip hin zur qualifizierten Mehrheit (es folgen jeweils die Prozentzahlen der Anzahl Vorlagen, die mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet wurden): 84.5% (1992); 82.3% (1993); 87.8% (1994); 90.5% (1995); 95.3% (1996); 98,6% (1997).

Emmert meint: "da sich die Tätigkeit der Gemeinschaft auf immerhin 20 relativ breit definierte Sachgebiete erstreckt, kann davon ausgegangen werden, dass der Satz von Jacques Delors, wonach rund 80% der mitgliedstaatlichen Gesetzgebung - zumindest wenn man nur die nationale bzw. bundesstaatliche Ebene betrachtet - vom Gemeinschaftsrecht vielleicht nicht gerade bedingt, aber doch tangiert wird, der Realität entspricht" (S. 298). Die gesetzgeberische Aktivität der Gemeinschaft nach Abschluss des Marathon-Programmes zur Verwirklichung des Binnenmarktes im Jahre 1993 hat sich auf hohem Niveau eingependelt. Die Aussage, wonach die Gemeinschaft nur noch die üblichen gesetzlichen Anpassungen an den technischen und sonstigen Forstschritt vornehmen, lässt sich aus den Zahlen nicht ableiten. Bei der Wahl der Rechtsform (Verordnung versus Richtlinie) lässt sich nur in relativ engen Grenzen ein Trend zur Richtlinie erkennen. Es wäre laut Emmert "sicher falsch und durch die hier vorgelegten Zahlen auch widerlegt, wenn man behaupten wollte, die Gemeinschaft werde immer mehr und irgendwann fast nur noch in der Rechtsform der Richtlinie legiferieren" (S. 299).

Staatsrechtliche Auswirkungen einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union, Vier juristische Studien im Rahmen des Intergrationsberichts 1999 (Schweiz-Europäischer Union) des Bundesrates, verfasst von: Andreas Kellerhals, Europa Institut Zürich, Andreas Auer, Centre d'études et de documentation sur la démocratie directe, Universtité de Genève, en collaboration avec L'institut de droit européen de l'Universtité de Fribourg, Bertil Cottier et Nicole Mathé, Institut suisse de droit comparé, Frank Emmert, Europa Institut Basel, Zürich, Schulthess Polygraphischer Verlag, 1999.

Gewaltfreie Friedenslösungen statt Militäreinsätze, Ueli Wildberger im Gespräch, Gespräch mit Ueli Wildberger, Paul Siegwart und Heinrich Frei, Zürich, Juni 2000. Zu beziehen bei Heinrich Frei, Breitenlooweg 7, CH-8047 Zürich. Ueli Wildberger hat Erfahrung in der Friedenspädagogik, Gruppenarbeit und gewaltfreier Konfliktlösung. Langjähriger Mitarbeit bei PBI (Peace Brigades International) und BPT (Balkan Peace Team). Heute beim Forum für Friedenserziehung engagiert in Kursen und Aktionen zur aktiven Gewaltfreiheit und Trainings für Friedenseinsätze im In- und Ausland.

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