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Europa-Magazin 3/97:



Das ironische Pamphlet von Markus Wilhelm stellt eine minutiöse Zusammenstellung der unterschiedlichen Propagandamittel dar, welche die österreichische Regierung und die österreichische Exportwirtschaft (Industriellenvereinigung) anlässlich der EU-Abstimmungsschlacht in Österreich einsetzten. Die Darlegung zeigt, dass die Propagandamittel in den verschiedenen Ländern oft dieselben sind:

• Ein wesentlicher Kniff, um eine zählbare Mehrheit herstellen zu können, ist es, den Eindruck zu erwecken,
dass eine solche bereits besteht oder im Zuge ist, sich zu konstituieren. Hier spielen die manipulierten Meinungsumfragen ein wichtige Rolle. • Die Gefälligkeitsgutachten von Wirtschaftsinstituten: Für den Fall des Beitritts werden die
Arbeitslosigkeitszahlen nach unten frisiert und die Wachstumsaussichten nach oben. Für den Fall des "Abseitsstehens" wird umgekehrt verfahren. • Medial geschickt genutzte Krankheiten von Politikern (A. Mock). Fritz Karmasin vom
Meinungsforschungsinstitut Gallup meinte dazu "Im Augenblick könnte man fast sagen, dass Mocks Engagement vom Krankenbett die Wende zum deutlichen Ja gebracht hat " • Von der Regierung bezahlte Propaganda. Die Wiener Werbeagentur "Demner & Merlicek" erhielt 1991 von der
österreichischen Regierung den lukrativen Auftrag, eine 150 Millionen Schilling schwere Kampagne für den EU-Anschluss zu führen. Laut Markus Wilhelm blieb dabei kein Detail unbeachtet: das etwas abweisende, kühle EU-Blau sei durch ein leicht dunkleres, freundlicheres und gemütlicheres Blau ersetzt worden. Selbst beim Werbematerial der Delegation der EU-Kommission in Wien sei das Blau falsch gewesen. • Streuung absurder Brüsseler-Anekdoten: Durch die Streuung von Brüsseler Gruselstories, die durch
EU-Gegner dankbar aufgenommen wurden, konnten diese in der folge als Volltrottel hingestellt werden. Ein Beispiel: Der Kurier, titelt am 19. 8.91, "Schoko-Glasur aus Schweineblut", um dann am 20.3.92 keck zu behaupten, die "Blutschokolade sei als Greuelinformation von seiten der EG-Gegner einzustufen". Engagement der Exportindustrie: Die Exportindustrie gab ein "Initiativen-Handbuch" für "Europaaktivisten" heraus. Darin werden konkrete Anleitungen zur Gründung von Bürger-Initiativen und dem Schreiben von Leserbriefen geliefert. Schüler werden aufgefordert, einen "Europatag" zu organisieren (mit einer "Europa-Party"). Die Exportindustrie stellte gleich selber "garantiert unabhängige Bürger-Initiativen" auf die Beine und finanzierte diese grosszügig. In den Betrieben wurde ebenfalls Druck aufgesetzt. Dazu wurden Ratschläge für "Europa-Aktivisten im Betrieb" ausgearbeitet: Ständer für Propagandamagazine, die man im Speisesaal aufstellen sollte; Aushängen von Wandzeitungen in der Kantine oder bei den Zeiterfassungsgeräten, Angebote für Europa-Musterreden für den Chef (Reden sollten zumindest teilweise in der Dienstzeit angesetzt werden und sollten mit Arbeitsplatzverlust drohen). • Die Regierung und die Industrie lancierten teure Inseratekampagnen, die nicht so sehr der Propaganda dienten,
sondern der Anbindung der Redaktionen. Umgestimmt wurden die Österreicher nicht durch die Werbesprüche der Werbeseiten, sondern durch die redaktionellen Seiten, die mit ersteren gut bezahlt wurden. Die Journalisten wurden aber auch gezielt bearbeitet. Die von der Österreichischen Regierung beauftragte Werbeagentur "Publico" führte persönliche Gespräche mit den "wichtigsten 50 Journalisten". Die Werbeagenten derselben Agentur bereisten die Bundesländer, um die EG-Gegnerschaft auszukundschaften. Jedes Vierteljahr wurde ein detaillierter Lagebericht bezüglich der kritischen Zielgruppen erarbeitet. Auf dieser Basis wurden die Positionspapier der PR-Strategen erarbeitet. • Arbeitsplatzargument: A. Mock erklärte 1994 "Wenn wir bisher mit Arbeitslosenraten von 3 bis 4 Prozent
international hervorragend gelegen sind, werden wir - wenn Österreich nicht der EU beitritt - halt nachher 5 oder 7 Prozent haben". Ironie des Schicksals: Nach dem EU-Beitritt wurde in Österreich die 7% Grenze tatsächlich überschritten. • Desavouieren von Gegnern: EU-Anschluss-Gegner sind "ziellos, modernisierungs- und erfolgsfeindlich, sowie
schlecht ausgebildet". Sie sind entweder Faschisten oder Stalinisten. • Aufbau oder geschickte Nutzung von Feindbildern: Demokratisch, sozial und ökologisch argumentierende
Gegner werden totgeschwiegen. Günstige und als Schreckbild geeignete Gegner werden in den Vordergrund gerückt (Haider!), wobei man kaltblütig deren Stärkung in Kauf nimmt. Mit diesem Schachzug können Abgrenzungseffekte erzeugt werden. Markus Wilhelm bemerkt bezüglich derer, die Opfer dieser Tricks werden, richtig: "Immer das tun, was der Haider nicht tut, ist also die Maxime. Da erübrigt sich alles selbständige Denken. Nach dieser Logik handeln heisst, wenn Haider am Gummibandl von der Brücke hupft, ... ja, was? Ohne Gummibandl von der Brücke hupfen." • In Österreich gibt es laut Markus Wilhelm sogar Leute, die davon überzeugt, sind, dass Haider seine forsche
Nein-Linie im Rahmen der Pro-EU-Kampagne zugewiesen bekam - war Haider doch jahrelang vehementer Befürworter eines Beitritts und wurde er von der Industriellenvereinigung auch während der EU-Kampagne weiterhin unterstützt: Die Taktik wäre offensichtlich raffiniert: Haider möglichst viele Absurditäten erzählen lassen, um nachher um so besser über die EU-Gegner herfallen zu können und bei den vernünftigen Skeptikern Phobien auszulösen. Markus Wilhelm würde den PR-Strategen soviel Raffinesse durchaus zutrauen - zweifelt aber mangels empirischer Belege an der These. • Rassismus: Das Thema "Rassismus" wurde gleich zweimal und sehr raffiniert für die EU-Zwecke eingesetzt:
Einerseits wurde den EU-Gegnern unterschwellig oder offen Rassismus vorgehalten. Dadurch konnte man sich selber ein anti-rassistisches Image geben. Zugleich scheute man sich nicht - im Schutze des antirassistischen Images - latent rassistisch zu argumentieren: "Wollen wir auf einem Flughafen den Schalter mit dem Schild "Für EU-Mitglieder" benützen, oder wollen wir uns dort anstellen, wo "Andere" steht - für Länder wie Bhutan und Uganda ...?" (Industriellenvereinigung 1994). "Bei einem neuen Beitrittsgesuch im nächsten Jahrtausend müssten wir Tschechen, Ungarn und Polen um Erlaubnis fragen" (Kronenzeitung).

Markus Wilhelm unterlegt die verschiedenen Propaganda-Methoden jeweils mit vielen Beispielen. Das Heft brilliert durch viele, jeweils durch Quellen abgestützte Details. Selbst wenn man den Standpunkt von Markus Wilhelm nicht immer teilen mag - er belächelt etwa süffisant die EU-Gegner, die einen Staat verteidigen, der sie, wie die EU-Propaganda-Maschine beweist, nach Strich und Faden übers Ohr haut. Argumente bezüglich des Grundstückverkaufs an Ausländer betrachtet er insgesamt als reaktionär, da "wohl nur die Forderung nach Aufhebung von Privatbesitz auf dem Erdball" fortschrittlich ist. Solch urkommunistische und romantische Auswüchse halten sich bei ihm glücklicherweise in Grenzen und das Heft ist witzig, informativ und lesenswert. pr

Markus Wilhelm, Kauf dir eine Volksabstimmung: Ein paar nachträgliche Details zum EU-Komplott, In: Foehn, 1/97, Heft 23/24 (Bestelladresse: FÖHN, Liebenegg-Strasse 3/III, A-6020 Innsbruck; Tel: 0043 512 573212)

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