Die Artikelsammlung von Autoren aus dem bürgerlichen Lager weist vom Inhalt, dem Informationsgehalt und der Zielrichtung her recht unterschiedliche Beiträge auf. Walter Büsch zeichnet informativ und kurz die Geschichte der EU-Integration vor allem unter geldpolitischen Gesichtspunkten nach. Erst am Schluss des Artikels lässt er seine demokratiepolitischen Vorbehalte gegenüber der EU-Integration durchschimmern: "Die Schaffung eines Staatswesens, das die dezentrale Entscheidungskompetenz einschränkt, führt dazu, dass für die Bürgerinnen und Bürger die Distanz zum politischen Machtzentrum, das für sie anonym bleibt, grösser und undurchschaubarer wird. Sie distanzieren sich dadurch mehr und mehr von der Mitverantwortung im Staat..." (S. 28).
Richard Senti stellt das Euopäische System der Zentralbanken (ESZB)vor. Er erläutert die rechtliche Verankerung der WWU, die Organe der ESZB, das Beschlussfassungsverfahren, sowie die Kapitalausstattung und die Währungsreserven der EZB. Auf dem Hintergrund dieser juristischen Informationen wird dann das Gewicht der Schweiz in der Währungspolitik im Falle eines Beitritts zur EU und damit zur WWU geschildert. Aufgrund des schweizerischen Bevölkerungs- und Bruttoinlandproduktionsanteils an der Bevölkerung und des Bruttoinlandprodukts der EU entfiele auf die Schweiz ein EZB-Kapitalanteil von knapp 3 Prozent, was einem absoluten Betrag von rund 150 Mio. Euro entspräche. Der für die Kapitalbeteiligung berechnete Anteil gilt auch für die Währungsreserven. Damit hätte die Schweiz Währungsreserven im Betrag von 1.5 Mrd. Euro (ca. 2.5 Mrd. SFr) an die EZB zu übertragen.
Mit dem Kapitalanteil des einzelnen Landes ist auch dessen Stimmengewicht im EZB-Rat gegeben. Die Schweiz würde mit 3% in die Grössenordnung Belgiens fallen (S. 51). In manchen Bereichen gilt allerdings das Prinzip "ein Land eine Stimme". "Die Entscheidungsfindung in internationalen Gremien und Organisationen verdeutlicht indessen immer wieder von Neuem, dass kleine Staaten aus Gründen der Opportunität gebundene Händen haben und es sich nicht leisten können, einen Entscheid der grossen Partner in Frage zu stellen oder zu vereiteln." (S.55). Zudem ginge die währungspolitische, legislative Kompetenz vom Volk und den Räten weg hin zum Rat der Europäischen Union (Ecofin-Rat). Die Möglichkeit einer unabhängigen Geldpolitik müsste aufgegeben werden.
Georg Rich warnt vor einer zu optimistischen Sicht des Euro: "Wir dürfen nicht vergessen, dass weniger wirtschaftliche Motive, als politische Überlegungen für die Schaffung der gemeinsamen Währung verantwortlich waren." (S. 75). Nachdem er in typisch neoliberaler Sichtweise zuerst die konkurrenzfördernden Effekte der Währungsunion gewürdigt hat, weist er auf einige Probleme der WWU, wie sie von Ökonomen aller Tendenzen immer wieder betont werden. Die EZB kann nicht mehr auf die Bedürfnisse einzelner Länder Rücksicht nehmen, was angesichts fehlender Arbeitskräftemobilität, fehlender Lohnflexibilität und mangelnder Ausgleichszahlungen (und deren wirtschaflichen Ineffizienz) zu wirtschaflichen Problemen führen kann.
Nach diesen Ausführungen geht Rich detailliert auf einige oft wiederholte Behauptungen und Befürchtungen von EU-Beitrittsbefürwortern ein. Laut Rich wird die Schweiz nicht unbedingt unter einer erhöhten Volatilität ihrer Währung zu leiden haben. Es gebe zwar Effekte, die in diese Richtung zielten. Diese würden aber von gegenläufigen Wirkungen neutralisiert. Auch die Behauptung, der schweizerische Zinsbonus werde ohnehin dahinschmelzen, weist Rich zurück. Die Existenz eines Zinsbonus setze nicht etwa eine bessere (von monetaristischem Standpunkt aus gesehen) Geldpolitik voraus. Schon bisher sei der Zinsbonus nicht der Tatsache zu verdanken gewesen, dass die SBN für eine höhere Preisstabilität sorgte als etwa Deutschland. Anleger würden sich vor (unvermeidlichen) Fehlentscheiden von Notenbanken schützen, indem sie ihre Anlagen in verschiedene stabile Währungen differenzierten. Eine Diversifikation in den Schweizer Franken würde sich entsprechend selbst dann aufdrängen, wenn der Euro genau so stabil würde wie der Schweizer Franken. Entsprechend werde eine genügend grosse Nachfrage nach dem Schweizer Franken bestehen bleiben und damit den Zinsbonus bewahren. Ein Wegfall des Zinsbonus von ca. 2%, wie ihn etwa ein Beitritt zur EU mit sich brächte, würde eine massive Umstrukturierung durch die Umbewertung von Vermögenswerten nach sich ziehen. Betroffen wären kapitalintensive Unternehmungen, Hausbesitzer, Mieter (von Rich bezeichnender Weise vergessen) und die öffentlichen Haushalte (Schuldenverzinsung und Tilgung).
Zuletzt widmet sich Rich dem Argument, der Euro würde in der Schweiz zur Parallelwährung und schliesslich den Franken verdrängen. Rich verweist auf die geschichtliche Erfahrung, dass Parallelwährungen nur in Ländern mit hohen Inflationsraten auftauchten (50% und mehr). Nur dann lohnten sich die Kosten, die der gleichzeitige Handel mit zwei Währungen mit sich brächten. Die Behauptung etwa, der US-Dollar würde in Kanada als Zweitwährung dienen, sei falsch. Zwar würden - wie etwa in der Schweiz bereits heute, vor allem im Grenzgebiet - die fremde Währung als Zahlungsmittel akzeptiert. Dies allerdings zu ungünstigen Tauschverhältnissen, um die damit verbundenen Kosten zu decken.
Das Büchlein enthält zudem Artikel von Ernst Baltensperger, Kurt Schiltknecht und Bruno S. Fey mit deren bekannten Standpunkten.
Richard Senti, Walter Büsch (Hrsg.), Schweizer Franken oder Euro, Zürich, Schulthess Polygraphischer Verlag, 1999.
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