Übersicht Buchbesprechungen Vollgeld – das Geldsystem der ZukunftThomas Mayer und Roman Huber, beide aktiv in der Bewegung für direkte Demokratie in Deutschland (Mehr Demokratie), begeben sich mit dem Buch auf das Gebiet der Geldpolitik. Das Buch ist von Interesse, weil in der Schweiz eine Initiative zum Vollgeld eingereicht ist und wir uns entsprechend mit dem Thema beschäftigen werden.
Die zentrale Idee des Vollgeldes besteht darin, dass nicht nur Münzen und Noten von der Zentralbank ausgegeben werden, sondern auch Buchgeld. Dieses wird bisher weitgehend von den Banken erzeugt. Vor über hundert Jahren wurde den Banken verboten, Papiergeld selbst zu drucken. Seitdem dürfen nur noch Zentralbanken Geld drucken. Dasselbe streben die Autoren für das elektronische Geld an. Dann könnten die Banken nicht mehr Geld selber schaffen, sondern nur noch Geld verleihen, dass sie von der Zentralbank oder von Kunden zur Verfügung gestellt bekommen. Gemäss Autoren hat das Vollgeldsystem folgende Vorteile:
• Das Geldsystem wird für die Bürgerinnen und Bürger wieder verständlich.
• Geld auf Girokonten ist vollumfänglich sicher, auch bei Bankenpleiten.
• Die heutige unkontrollierte Geldschöpfung durch die Banken wird eingedämmt und damit zukünftige Finanzblasen verhindert. Den Banken verbleibt das Kreditgeschäft und damit die Einschätzung von Risiken vor Ort. Die Kredite sind aber vollumfänglich durch Darlehen von Privaten und von der Zentralbank gedeckt.
• Das Bankensystem wird weitgehend entflochten, so dass der Staat weniger durch Bankpleiten erpressbar ist (Vermeidung des „too big to fail-Problems“)
• Die Gewinne aus der Geldschöpfung stehen ausschliesslich der Allgemeinheit zur Verfügung. Gemäss Autoren bring die Vollgeldreform der Öffentlichkeit im Übergang zum neuen System im Euro-Raum zusätzlich 5000 Milliarden Euro und in der Schweiz 300 Milliarden. Dadurch könnten Schulden der öffentlichen Hand völlig oder weitgehend getilgt werden. Nach der Umstellung würden die Ausschüttungen der Zentralbank an die öffentliche Hand grösser sein als heute. Dadurch könnten Steuern gesenkt und Kaufkraft gestärkt werden.
• Die Umverteilung von Arm zu Reich durch die private Schöpfung von Geld durch Kredite an den Staat, die dann mittels Steuern verzinst werden, würde aufhören. Der Steuerzahler hört auf, Milchkuh der Grossbanken zu sein.
• Die Wettbewerbsgleichheit zwischen Banken und Unternehmen sowie zwischen Gross- und Kleinbanken wird hergestellt. Während Kleinbanken kaum Geld schöpfen können, sind es vor allem Grossbanken, die von diesem Geschäft profitieren.
• Der Wachstumsdruck auf die Wirtschaft wird reduziert.
• Im bisherigen System der Geldschöpfung durch Bankkredite kann die volkswirtschaftlich benötigte Geldmenge nur durch Schulden, das Pendant zu den Bank-Krediten, bereitgestellt werden. Es ist unklug, volkswirtschaftlich Notwendiges auf Schulden und Überschuldung aufzubauen. Andererseits wird die Geldmenge mit diesem System nicht von den Bedürfnissen der Volkswirtschaft gesteuert, sondern von den Erwartungen der Banken an die Entwicklung der Wirtschaft und damit an die Chancen der Unternehmen, welche Kredite beantragen.
Den meisten Bürgerinnen und Bürgern ist die Geldschöpfung durch die Banken nicht bekannt. Sie gehen davon aus, dass wie die Banknoten auch das übrige Geld vom Staat in Umlauf gesetzt wird. Diese Illusion wird durch Kredite der Zentralbanken an die Geschäftsbanken und die Festlegung von Leitzinsen genährt. In der Schweiz waren aber von 2003 bis 2012 im Durchschnitt 340 Milliarden Franken im Umlauf, aber nur 40 Milliarden Franken Bargeld, das von der Nationalbank gedruckt oder gestanzt wurde. Ganze 300 Milliarden wurden durch die Geschäftsbanken geschaffen. Kredite der Nationalbank an die Geschäftsbanken schaffen kein Geld, das in Umlauf gerät: es dient allein dem internen Zahlungsverkehr zwischen den Banken und der Rückendeckung für gewährte Kredite (Reserven). Die Geschäftsbanken stellen also praktisch unser gesamtes Geld her.
Etwas salopp formulieren die Autoren „Das Recht auf Geldschöpfung war früher immer das Königsrecht. In der Demokratie sind wir Bürgerinnen und Bürger der Souverän, aber wir sind unaufmerksame Könige und haben das Geldschöpfungsrecht weitgehend den Banken überlassen. Zwar werden die Münze nach wie vor von den Staaten geprägt und das Papiergeld von den Zentralbanken gedruckt. Doch alles Giralgeld (= Buchgeld) erzeugen die Banken. Die Produktion des elektronischen Geldes haben wir einfach verschlafen!“ (S. 56)
Die Banken sind aus einem einfachen Grund scharf auf die Geldherstellung: Es ist eine stetig sprudelnde Einnahmequelle. In dem Umfang, wie sie selbst Geld erzeugen, können sie Kredite vergeben und dafür Zinsen kassieren, ohne dass ihnen – abgesehen von den Auslagen für gesetzlich vorgeschriebene Reserven - Kosten für das verliehene Geld entstehen. Sie können mit selbstgeschaffenem Geld aber auch Aktien, Wertpapier oder Häuser kaufen. Wieviel die Banken auf Grund der eigenen Geldschöpfung verdienen, ist nicht genau auszumachen: was würde es die Banken kosten, wenn sie das Geld nicht selbst herstellen könnten, sondern von jemand anderem leihen und dafür Zinsen zahlen müssten? Prof. Joseph Huber, Verfechter des Vollgeldsystems, schätzt die Ersparnisse der Banken durch die Geldschöpfung für Deutschland auf zirka 20 Milliarden Franken pro Jahr.
Wichtiger ist allerdings die Frage, auf wieviel die Staaten durch den Verzicht auf die Herstellung des elektronischen Geldes verzichten. Das kann man einfach berechnen. Das sind die Zinskosten für Staatsanleihen. Anstatt das Geld selbst herzustellen, erlauben die Staaten den Banken, das Geld zu produzieren, um es sich von diesen Banken gegen Zinszahlungen wieder zu leihen. Damit überhaupt genügend Geld in Umlauf kommt, müssen sich die Staaten dieses Geld von den Banken leihen und diesen dafür Zinsen bezahlen. Diese Zinsen könnten sich die Staaten sparen, wenn sie das Geld wieder selbst herstellen würden. Im Euro-Raum verschwenden die Staaten jährlich 170 Milliarden Zinszahlungen (Steuergelder)!
Die Geschäftsbanken können nicht unbegrenzt Buchgeld schaffen. Sie müssen den Abfluss von Buchgeld in Bargeld und zu anderen Banken refinanzieren. Zudem spielt der Leitzins und damit die Kreditnachfrage eine Rolle. Wichtig ist auch die Sicherheit bei Kreditvergabe – ohne diese kann eine Bank in Konkurs gehen. Schliesslich spielen die gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen und die Mindestreserven eine Rolle. Auch bei einem Vollgeldsystem sind der Geldschöpfung Grenzen gesetzt: sonst würde Inflation drohen. Die Steuerung der gesamten volkswirtschaftlich sinnvollen Geldmenge durch die Zentralbank ist in einem Vollgeldsystem allerdings viel differenzierter als im heutigen System möglich.
Der Umstieg vom heutigen System auf das Vollgeldsystem wird von den Autoren als problemlos dargestellt. Der Otto Normalverbraucher würde vom Wechsel nichts merken. Die Zentralbank und die Banken müssten mit Buchgeld nur ähnlich umgehen, wie sie es mit Münz- und Notengeld gewohnt sind. Der Staat müsste allerdings einige Gesetze ändern und bei den Banken und der Zentralbank müssten die Computerprogramme angepasst werden. Die Autoren rechnen mit einer diesbezüglichen Übergangszeit von zwei Jahren.
In einem ersten Schritt wird alles Banken-Buchgeld in Zentralbank-Vollgeld umgewandelt. Die Zentralbank übernimmt alle Verbindlichkeiten der Banken für Giro- und Tagesgeldkonten. Die Gesamtschulden bleiben konstant. Die Kunden haben nun auf ihren Konten echtes Zentralbankgeld. Alle Buchgelder werden zu gesetzlichen Zahlungsmitteln. Die Konten werden weiterhin von den Banken verwaltet, aber ausserhalb ihrer Bilanz, so wie heute bei Wertpapierdepots. Damit fallen die Geldkonten bei Bankenpleiten nicht in die Konkursmasse. Der Zahlungsverkehr verläuft wie gewohnt. Alle Guthaben und Kredite, alle Forderungen und Verbindlichkeiten bleiben unverändert bestehen.
In einer zweiten Schritt (10 bis 20 Jahre) kommt Geld, d.h. Vollgeld, nicht mehr durch Kredite, sondern durch staatliche Ausgaben, Auszahlungen an Kantone und Gemeinden sowie direkte Ausschüttung an die Bürgerinnen und Bürger in Umlauf. In dieser Phase müssen die Geschäftsbanken auch schrittweise ihre hohen Kredite bei der Zentralbank zurückzahlen – durch Zahlungseingänge aus Krediten, die sie vor der Vollgeld-Umstellung selbst vergeben hatten, oder durch neue Spargelder, die bei ihnen eingezahlt wurden. Nach dieser Übergangszeit haben die Banken die meisten Schulden bei der Zentralbank zurückbezahlt. Die normalweise benötigte Geldmenge ist damit nicht mehr durch Kredite, sondern wird durch öffentliche Ausgaben in Umlauf gebracht. Das Geld ist damit schuldfrei und dauerhaft im Umlauf.
Die Autoren zitieren Joseph Huber: „Der Übergang von Giralgeld zu Vollgeld bietet einen vergleichsweise einfachen Weg, (…) die Staatsschuldenkrise zu bereinigen, ohne abrupte Wertberichtigungen, ohne das Heulen und Zähneklappern einer harten Austeritätspolitik, ohne erhöhte Arbeitslosigkeit, ohne sinkende Massenkaufkraft, ohne politische Unruhen und Umstürze.“ Die Vollgeld-Reform „ist vermutlich der einzige Free Lunch, den es in der Ökonomie gibt. Es ist unverständlich, zumal in Zeiten chronischer Haushaltsdefizite und unhaltbar gewordener Staatschuldenquoten, dass die Politik diese geldreformerische Option nicht ergreift, nur um den Staat weiterhin in einer einseitigen Abhängigkeit von Banken und Finanzmärkten zu halten“.
Das Buch ist lesenswert und anregend. Man hätte sich manchmal allerdings weniger Wiederholungen und dafür stringentere Argumentationen gewünscht. Manche Aussagen kommen absolut daher, um dann in anderen Kontexten relativiert zu werden. Man würde sich eine Auslegeordnung wünschen, die immer differenziert ist, so dass man sich in der schwierigen Materie besser zurechtfindet (Auf dem Internet findet man ein IWF-Arbeitspapier, das sich wohlwollend mit der Vollgeld-Alternative auseinandersetzt: Jaromir Benes und Michael Kumhof (2012), The Chicago Plan Revisited, IMF Working Paper (WP/12/202), https://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2012/wp12202.pdf).
Thomas Mayer, Roman Huber (2015), Vollgeld: Das Geldsystem der Zukunft. Unser Weg aus der Finanzkrise.
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