Fritz Gurgiser, Obmann des Transitforums Austria-Tirol, liefert in dem Bändchen eine leidenschaftliche Abrechnung mit der offiziellen österreichischen (und Brüsseler) Transitpolitik. Gurgiser weist nach, dass die Politiker ihre Versprechen systematisch gebrochen haben.
(1) Mit Abschluss des Transitvertrages am 2. Mai 1992 wurde der Bevölkerung die mengenmässige Beschränkung der Lkw-Transitfahrten auf der Basis von 1991 mit einer maximalen Überschreitung von 8% während der gesamten Laufzeit von 12 Jahren versprochen. Von 1991 bis 1998 nahm der Lkw-Verkehr aber um ca. 51% zu.
(2) Von den Politikern wurde ebenfalls das Schlagwort der Kostenwahrheit und des Verursacherprinzips bemüht. Auf Druck der Wirtschaft, die von der Subventionierung des Transportwesens durch die Steuerzahler profitiert, wurde davon nichts umgesetzt. Vielmehr wurde faktisch der Lkw-Transitverkehr verbilligt: die Transitabgaben sanken um ganze 90%. Die steuerzahlenden Arbeitnehmer subventionieren dadurch die Verschärfung des Wettbewerbs (Vernichtung von Arbeitsplätzen) zugunsten von Arbeitgebern, die ihre Steuern zu lasten standortgebundener Kleinbetriebe und Arbeitnehmer abbauen können. Der Zusammenhang von Verbilligung des Strassentransports, dem EU-Beitritt und dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Österreich wird von Gurgiser mehrmals thematisiert. Bezüglich Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich liefert er aber kein konkretes Datenmaterial.
(3) Von den Politikern wurde die Verlagerung des Transitgüterverkehrs auf die Schiene versprochen. Dazu wurden auf dem Buckel der Steuerzahler 7 - 8 Milliarden Schilling in die Modernisierung der Bahnen investiert. Der Gütertransport auf der Schiene nahm aber mengenmässig ab: von 8,44 Güternettotonnen 1994 auf 7,88 Millionen Tonnen im Jahre 1997.
(4) Der EU-Beitritt Österreichs wurde damit gerechtfertigt, dass Österreich seine Transitpolitik in Brüssel vertreten müsse. Während Österreich im Transitausschuss, der durch den Transitvertrag institutionalisiert wurde, ein Veto- und Vorschlagsrecht hatte, hat es laut Betrittsvertrag auf diesem Gebiete keines dieser Rechte mehr. Das Vorschlagsrecht wir durch die EU-Kommission wahrgenommen, die Entscheidungen im Ministerrat werden durch eine qualifizierte Mehrheit gefällt.
Manches im Vokabular Gurgisers mutet etwas seltsam an. Er spricht emphatisch von "Heimat" und verwendet allzu oft den Begriff "Verrat". Die Verwendung von "Verrat" setzt eine emotionale Vertrauensbeziehung voraus, die mindestens in der Politik vernünftigerweise nicht vorauszusetzen ist (und auch sonst hat man ja das Recht, sich zu ändern!). Das Verhalten der Politiker ist nicht ein Problem von Vertrauensmissbrauch, sondern ein Problem unvernünftigen Vertrauens. Eine Bevölkerung, die statt auf die verbindliche, inhaltliche Kontrolle der Politik auf Vertrauen in Politiker setzt, begeht einen gravierenden politischen Fehler. In der Folge über Politiker zu jammern, bringt nichts. Die Forderung nach mehr direkter Demokratie, Entscheidung durch die Betroffenen und weniger Vertrauen in die Politiker wäre hier angemessener. Einer solchen Forderung steht allerdings Gurgisers Bekenntnis zu "Europa" entgegen. Wer bereit ist, politische Kompetenzen nach Brüssel abzutreten, darf nicht hoffen, die Interessen von ein paar tausend transitgeplagten Menschen in einem Alpental - die nicht mal der Bevölkerung eines Vorortes von Paris entsprechen - würden in Brüssel besonders schwer wiegen (sie wiegen ja offensichtlich nicht mal in Wien viel!).
Fritz Gurgiser, Am Beispiel Alpentransit: Gnadenlos verraten und verkauft, Tatort Brenner - Band 1: Über Demokratie und Widerstand, über Wahlversprechen und Wahlbetrug, 1999. (Bestelladresse: Transitforum Austria-Tirol, Salurnerstrasse 4/III, A-6020 Innsbruck; e-mail: transitform@netway.at, homepage: www.tyrol.at/transitforum; Tel: 0043 512 579 560).
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