Der Sammelband von Artikeln von Vertretern vieler europäischer Länder (Finnland, Österreich, Schweden, Irland, Schweiz, Dänemark, Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Litauen, Ukraine, Russland) stellt kritische Sichtweisen auf die Nato-Osterweiterung vor. Es wird ausführlich die Perspektive eines neutralen und atomwaffenfreien Gürtels quer durch Mittel- und Osteuropa diskutiert. Die Publikation wurde unterstützt vom Österreichischen Gewerkschaftsbund, der Friedenswerkstatt Linz, der grünen Bildungswerkstatt, der KPÖ und anderen Organisationen. Anlass für die Publikation laut Vorwort waren die politischen Verhältnisse rund um die Neutralität Österreichs. "Seit Jahren sägt eine Mehrheit im österreichischen Parlament an unserem jahrzehntelang erprobten Friedenskonzept der immerwährenden Neutralität". Ständig werde der Vorwurf laut, die Neutralität hätte sich nach dem "Kalten Krieg" selbst überholt.
In den Artikeln von Vertretern aus neutralen Ländern wird übereinstimmend die Tendenz der massgeblichen "Eliten" beschrieben, die Neutralität in ihren Ländern auszuhöhlen und sich der Nato-Integration einzuverleiben. Die Taktiken in den neutralen Ländern gleichen sich: die eigentlichen Ziele werden verschwiegen und verniedlicht, Teilschritte ("Partnerschaft für den Frieden") vorgenommen, die zuerst verharmlost werden (nur zivile Beteiligung) und nachher militarisiert werden. Die Spannbreite möglicher Neutralitätspolitik wird ausgereizt oder gar überschritten. Die Diskussion von alternativen Sicherheitskonzepten in Europa wird vermieden und entsprechende Meinungen werden totgeschwiegen.
Hauptsächliches Argument gegen die Ost-Erweiterung der Nato stellt die Befürchtung dar, die Osterweiterung werde von Russland als Bedrohung wahrgenommen und könnte dadurch zu einem neuen kalten Krieg und einer neuen Teilung Europas führen. Zudem führt die Nato-Erweiterung zu starken Erhöhungen der Militärbudgets der osteuropäischen Ländern. Es werden finanzielle Mittel für Waffen verschleudert, die sonst dringend gebraucht würden.
Die Neutralität wird in den verschiedenen Ländern nicht immer von denselben politischen Kräften gestützt. In Österreich sind die Verteidiger der Neutralität eindeutig links der Mitte anzusiedeln. Dies hängt auch mit der Geschichte der österreichischen Neutralität zusammen. Sie ist eng mit dem Sozialdemokraten Bruno Kreisky verbunden. Es handelte sich um ein Neutralitätskonzept, das eine aktive Weltpolitik beinhaltete (Zusammenarbeit mit den Blockfreien Staaten der Dritten Welt, Palästinapolitik). Es ist im Rahmen der fortschreitenden Integration des EU-Europas, dass die Neutralität in Österreich unter konservativer Führung unter Druck gerät. Die Sozialdemokratie verteidigt zwar im Augenblick verbal noch die Neutralität. Es muss allerdings bemerkt werden, dass der EU-Betritt Österreichs auch von den Sozialdemokraten forciert wurde und dass dieser langfristig mit der Neutralität nicht verträglich ist (auch die EU-Kommission meldete anlässlich des EU-Beitrittes Österreichs Vorbehalte bezüglich der Neutralität an). Die Bestrebungen der EU, ihren militärischen Arm (Westeuropäische Union) völlig in die EU zu integrieren, sind bekannt und deren explizite Festschreibung im Amsterdamervertrag wurde auch von den sozialdemokratischen Regierungspartnern mitgetragen. Die österreichische Sozialdemokratie betreibt somit eine doppelbödige Politik.
Die Neutralität der Schweiz taucht in den Artikeln der Osteuropäer immer wieder zusammen mit der Schwedens und Österreichs als Referenz auf. Es wird die Wichtigkeit der Neutralität bei der Verhinderung der Blockbildung und der Schaffung neuer Blockrivalitäten betont. Dies zeigt: dass in der Schweiz im Augenblick die Neutralität, die in der öffentlichen Wahrnehmung von Rechts verteidigt wird (AUNS), im Ausland so nicht wahrgenommen wird und entsprechend in den Referenzen auf die Schweiz keine Rolle spielt. Entsprechend gilt es innerhalb der Schweiz, der Neutralität eine positive Wendung in Richtung aktiver Entwicklungs-, Menschenrechts- und Friedenspolitik zu geben und darauf zu verzichten, auf Grund von Abgrenzungsneurosen die Integration ins westeuropäische Blockbildungsprojekt zu fördern.
Die meisten Artikel des Buches sind auf Englisch verfasst. Bei längeren Artikeln wird eine Zusammenfassung in Deutsch respektive Englisch gegeben.
Roithner Thomas, (Hrsg.), Neutrality in Europe, Analysen von Friedensbewegungen zur gesamteuropäischen Sicherheitspolitik, Wien-Linz 1999 (Bezugsadresse: Thomas Roithner, Moosleite 3 a; A- 4053 Haid Tel./Fax 0043 7229 80 202 e-mail: thomas.roithner@jk.uni-linz.ac.at oder beim Europa-Magazin).
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