Grenzüberschreitender Warenverkehr – Probleme Schweiz – EU gelöst Im Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU soll es trotz neuen EU-Sicherheitsvorschriften keine zusätzlichen Pflichten und Voranmeldungen geben. Darauf haben sich laut Angaben beider Seiten Delegationen der Schweiz und der EU beide Parteien in Brüssel verständigt (Ende Mai 08). Allerdings müssten nun noch Detailfragen geklärt werden, sagte der Schweizer Verhandlungsleiter, Hermann Kästli. Eine nächste Verhandlungsrunde sei noch vor der Sommerpause geplant. Mit dieser Entwicklung hat sich ein von der Schweiz eingebrachter Ansatz durchgesetzt (vgl. NZZ .vom 30. 5. 08). Nötig geworden sind die Verhandlungen, weil die EU neue Sicherheitsvorschriften für den Warenverkehr mit Drittstaaten erlassen hat. So müssen ab dem 1. Juli 2009 den Zollbehörden für jede Lieferung zahlreiche zusätzliche Daten 1 Stunde (Strassenverkehr), 2 Stunden (Bahn) bzw. 30 Minuten (Luft) vor dem Grenzübertritt elektronisch geliefert werden. Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens zwischen der Schweiz und der EU hätte dies zu erheblichen Störungen führen können.
Die nun angestrebte Lösung vermeidet solche Friktionen, indem sie die Schweiz, die ohnehin ähnliche Sicherheitsstandards kennt, gewissermassen in den «Waren-Sicherheitsraum EU» integriert: Den neuen Sicherheitsbestimmungen soll lediglich der Warenverkehr zwischen der Schweiz und Nicht-EU-Staaten unterworfen werden. Dies bedingt, dass die Schweiz an ihren internationalen Flughäfen für Luftfracht von und nach Ländern ausserhalb der EU das EU-Sicherheitsregime übernimmt. Bei Ausfuhren ist die Arbeitsteilung noch zu klären. Hingegen soll es beim Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU (sowie beim Transit durch die Schweiz) beim Status quo bleiben. NZZ, 31. Mai/ 1. Juni 2008, S. 23
|
Die deutsche Sprache in der EU diskriminiert Die Diskriminierung der deutschen Sprache bei der Ausschreibung eines EU-Projekts hat der Kommission in Brüssel Kritik vom europäischen Bürgerbeauftragten eingebracht. Sie hätte für das Projekt Bewerbungen in allen offiziellen EU-Sprachen akzeptieren müssen, erklärte der Bürgerbeauftragte am 27. Mai 2008. Er reagierte damit auf eine Beschwerde einer deutschen Nichtregierungsorganisation. Die EU-Kommission hatte im Jahr 2004 ein Rehabilitationsprojekt für Folteropfer ausgeschrieben, das in der EU oder einem Drittland ausgeführt werden sollte. Sie bat um Bewerbungen in englischer, französischer oder spanischer Sprache. Die deutsche Nichtregierungsorganisation wollte ihre Bewerbung auf Deutsch einreichen. Die Kommission bestand jedoch auf einer Übersetzung. Sie erklärte, bei Projekten mit Drittländern sei der Gebrauch aller damals 20 EU-Amtssprachen aus Kosten- und Zeitgründen nicht möglich.
Der Bürgerbeauftragte verwies indes darauf, dass die Kommission zur Annahme von Dokumenten in allen EU-Amtssprachen rechtlich verpflichtet sei. Selbst wenn die Brüsseler Behörde dies für zu teuer und wenig praktikabel halte, könne sie sich dieser Verpflichtung nicht einfach entledigen. Die mittlerweile 23 EU-Amtssprachen sind die in den 27 EU-Staaten verwendeten Nationalsprachen. Einzig Luxemburg hat auf die Erklärung seiner Landessprache, des Letzebuergeschen, zur EU-Amtssprache verzichtet. NZZ, 28. Mai 2008, S. 2
|
Euro - bedrohliche nationale Divergenzen Eine Herausforderung für den Euro in den nächsten Jahre bilden hartnäckige Differenzen zwischen den Euro-Staaten bezüglich Inflation und Lohnstückkosten, wie sie in einem Bericht der EU-Kommission zum WWU-Jubiläum dokumentiert sind (http://ce.europa.eu/economy_finance) . Zum Problem wird dies in Staaten wie Italien und Portugal, die über die letzten zehn Jahre ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum und bescheidene Produktivitätsfortschritte mit einer überdurchschnittlichen Inflation und einer Steigerung der relativen Lohnstückkosten kombiniert haben. Die Folge war eine Erosion der Wettbewerbsfähigkeit. Den Spaniern wiederum bescherte die Kombination von hoher Inflation und einheitlicher Geldpolitik tiefe Realzinsen. Dies trug zur konjunkturellen Überhitzung, zum Immobilienboom und zum Leistungsbilanzdefizit bei. In einer Währungsunion kann aber weder ein Verlust an Wettbewerbsfähig mit einer Abwertung kaschiert noch eine Überhitzung mit einer nationalen Zinserhöhung gekühlt werden. Auch der Spielraum der Fiskalpolitik ist begrenzt - Anpassungen müssen über Löhne, Preise und über die Mobilität von Arbeit und Kapital erfolgen. NZZ, 30, Mai 2008 (s. auch Finanz und Wirtschaft vom 27. 10. 2007, Interview mit dem Euro-Kritiker Wilhelm Hankel oder dessen Buch, Die EURO-Lüge ... und andere volkswirtschaftliche Märchen: Eine volkswirtschaftliche Märchensammlung, Wien, Signum, 2007)
|
Minderheitsprachen in Frankreich Praktisch oppositionslos haben die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung bei der Debatte über die Reform der Institutionen einem Antrag zugestimmt, der die Anerkennung der Regionalsprachen in der Verfassung verankert. Zwar steht dort. in Artikel 2 weiterhin, dass Französisch die einzige Amtssprache ist. Dennoch kam der zentralistische Staat, der die Einheit der Republik stets über die regionale Vielfalt stellte, den Minderheiten noch nie so weit entgegen. Noch vor zwei Wochen war ein Abgeordneter, der seine Rede für die Regionalsprachen (Baskisch, Bretonisch,Elsässerdeutsch, Katalanisch) provokativ in seinem katalanischen Dialekt begonnen hatte, von der Ratsvorsitzenden resolut zur Ordnung gerufen worden. Die Anerkennung der Regionalsprachen als Teil des kulturellen Erbes bedeutet nicht, dass Frankreich nun die Charta des Europarates zu den Minderheiten- und Regionalsprachen ratifiziert. NZZ, 247./25. Mai 2008, S. 3
Stärkung der Demokratie in Frankreich
Das französische Parlament hat beschlossen, dass ein Präsident nach zwei Mandatsperioden nicht wiedergewählt werden kann und dass die Volksvertreter ein Vetorecht bei Nominierungen durch den Staatschef erhalten. Die von der Linken geforderte Reform der Senatswahl wurde aber von der Regierungsmehrheit ebenso abgelehnt wie ein lokales Stimmrecht für niedergelassene Ausländer. Erstaunlich deutlich verabschiedete die Nationalversammlung mit Stimmen von rechts und links die Einführung eines für Frankreich völlig neuen Initiativrechts: Ein Fünftel der Parlamentsmitglieder könnten demzufolge gestützt auf die Unterschriften eines Zehntels aller Stimmberechtigten (4,5 Millionen) verlangen, dass eine Gesetzesvorlage der Volksabstimmung unterbreitet wird. Unzulässig wären dabei Vorlagen, die Gesetze rückgängig machen wollen, die vor weniger als zwölf Monaten in Kraft traten.
Ein solches Initiativrecht beurteilen einige gaullistische Abgeordnete der Regierungspartei UMP (Union pour un Mouvement Populaire) als gefährlich. Andere, wie der Vertreter des Nouveau Centre, Christophe Lagarde, sehen darin eine Chance, den Bürgern in der französischen Demokratie eine aktivere Rolle zu geben: «Es kommt nicht häufig vor, dass wir dem Volk einen Teil der Macht zurückerstatten können, die es uns verliehen hat», sagte Lagarde.
Die Idee eines Initiativrechts gehörte zu den Vorschlägen, welche eine Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Premierministers Edouard Balladur gemacht hatte. Präsident Sarkozy aber hatte sie in der Liste seiner Prioritäten für die Verfassungsrevision nicht berücksichtigt. Nach der Debatte in der Nationalversammlung und im Senat muss die definitive Fassung der Verfassungsrevision der Institutionen am 7. Juli in Versailles von den zum Kongress vereinten Kammern mit einer Dreifünftelmehrheit angenommen werden. NZZ, 24./25. Mai 2008, S. 3
|
EU-Pestizidzulassung: Rückschritte beim Kampf gegen giftige Chemikalien Die Europäische Kommission hat im März 08 Änderungen an ihrem Vorschlag zur Zulassung von Pestiziden abgelehnt, die das EU-Parlament in erster Lesung verlangt hatte. Das Parlament selbst hatte die Vorschäge seines Umweltausschusses noch abgeschwächt. Dieser hatte zum Beispiel ein EU-weites Reduktionsziel für die Anwendung von Pestiziden gefordert: minus 25 Prozent bis 2012 und eine Reduzierung um die Hälfte bis 2050. Dem war das Plenum nicht gefolgt. Das EU-Parlament hatte im Oktober 2007 in der ersten Lesung dennoch Verbesserungsvorschläge eingebracht, darunter strengere Verbotsvorschriften. Nach Meinung der Abgeordneten sollten künftig auch Wirkstoffe mit immunotoxischen und neurotoxischen Eigenschaften verboten werden. Dies lehnte die EU-Kommission nun ab und schlug vor, dass die Industrie diese Stoffe freiwillig ersetzen solle. Rund die Hälfte der Änderungsvorschläge, die die zuständige Berichterstatterin Hiltrud Breyer (Grüne) zusammengetragen hatte, fand die Kommission "inakzeptabel".
Auch die Europäische Pflanzenschutzvereinigung ECP A lehnte von 484 Änderungsvorschlägen des Parlaments 267 ab. Besonders gegen das Verbot von Wirkstoffen mit immunotoxischen und neurotoxischen Eigenschaften läuft die Industrie Sturm. Dies habe ernste Konsequenzen für den europäischen Agrarsektor und würde bis zu 85 Prozent der Pestizidprodukte auf den Index setzen.
Im Mai 08 soll der EU-Ministerrat seine erste Lesung über das Pestizidpaket abhalten. Dieses besteht aus einer Rahmenrichtlinie zum Einsatz von Pestiziden, einer Verordnung zum Inverkehrbringen und der thematischen Strategie zur Nutzung von Pestiziden. Beim dabei Vorgang geltenden Mitentscheidungsverfahren kann die EU-Kommission Kommentare zu den Änderungsvorschlägen des Parlaments machen. Die von der Kommission abgelehnten Änderungen kommen dann nur durch, wenn der Rat sie einstimmig annimmt. Die zweite Lesung des EU-Parlaments findet voraussichtlich im Herbst statt. DNR-Informationen für Deutschland und Europa, Mai 2008, S. 10.
|
Transparenz im EU-Gesetzesprozess: Streit um Expertengruppen Um die Zusammensetzung der beratenden Fachexpertengruppen der EU ist ein Streit zwischen der EU-Kommission und KritikerInnen aus dem Netzwerk AlterEU entbrannt. Alter-EU, ein Bündnis aus rund 160 Nichtregierungsorganisationen, das sich für mehr Transparenz einsetzt, hatte der Kommission in einem Bericht vorgeworfen, Industrielobbyisten einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Gesetzgebung zuzugestehen. Vertreter der Wirtschaft dominierten besonders die Expertengruppen, in denen kontroverse Themen wie Biotechnologie oder Emissionsminderungen für Pkw diskutiert würden. Damit sei nicht gewährleistet, dass diese Gruppen tatsächlich im öffentlichen Interesse handelten, sagte der Autor der Studie Yiorgos Vassalos. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass einzelne Firmen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen versuchten.
Die EU-Kommission wies die Vorwürfe zurück, versprach aber, die Mitgliederlisten der Expertengruppen offenzulegen. Bis zum Sommer solle ein umfassendes Verzeichnis der über 1000 Gruppen erstellt werden. Expertengruppen gehören seit vielen Jahrzehnten zum Verwaltungsapparat der EU. Die meisten Gruppen unterstützen die Kommission bei der Detailarbeit zur Umsetzung beschlossener Gesetzesvorhaben (Komitologieverfahren). Andere beraten die Kommission aber auch bei der Entwicklung neuer Gesetzgebung. Als Mitglieder ernennt die Kommission vorwiegend ExpertInnen der nationalen Regierungen sowie Vertreter von Interessenverbänden und Nichtregierungsorganisationen.
Der deutsche Bundesrechnungshof denkt offenbar ähnlich wie die Organisation LobbyControl, die Mitglied im Leitungskreis von Alter-EU ist. Denn in einem vertraulichen Bericht, den das ARDMagazin Monitor veröffentlichte, beklagen die Rechnungsprüfer, dass "externe Mitarbeiter" aus der Wirtschaft zunehmend im öffentlichen Dienst eingesetzt würden. In den Jahren 2004 bis 2006 hätten etwa 300 Personen aus der Privatwirtschaft in unterschiedlichen Bundesministerien gearbeitet. Sie seien vor allem wegen ihrer speziellen Kenntnisse bei der Erarbeitung von Gesetzesvorlagen eingesetzt worden, heißt es in dem Bericht. LobbyControl hält Interessenkonflikte in solchen Fällen für sehr wahrscheinlich und fordert ein sofortiges Ende dieser Praxis. DNR Informationen für Deutschland und Europa, Mai 2008, S. 23.
|
EU expandiert ins Strafrecht Das Parlament der Europäischen Union hat am 21. Mai 08 in Strassburg dem Kompromissvorschlag über eine neue Richtlinie zur strafrechtlichen Ahndung schwerer Umweltvergehen zugestimmt, den Vertreter des Parlaments, des Rats der Mitgliedstaaten und der Brüsseler Kommission vor kurzem ausgehandelt hatten.
Der Rat will das Geschäft in nächster Zukunft bereinigen, worauf die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit haben, die Vorgaben in ihrem nationalen Strafrecht umzusetzen. Schwere Umweltvergehen müssen damit in Zukunft EU-weit und zwingend geahndet werden. Damit soll der «Tourismus» von Umweltsündern unterbunden werden, die für umweltgefährdende Aktivitäten mit Vorliebe Staaten auswählen, deren entsprechende Gesetzgebung noch unterentwickelt ist. Der Kompromissvorschlag listet in einem Annex 69 EU-Richtlinien und -Verordnungen auf, die für strafrechtliche Konsequenzen relevant sind. Grundsätzlich geht es nur um schwere Verstösse gegen diese Gesetze und nur, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen werden. Zudem ist eine Bestimmung eingebaut, wonach nur rechtswidrige Handlungen mit Sanktionen belegt werden können.
Im Wesentlichen geht es um schwere Luft-, Boden oder Gewässerverschmutzung sowie um die Herstellung oder Verwendung von Stoffen, die radioaktiv sind oder die Ozonschicht beeinträchtigen. Ebenfalls unter die neue Richtlinie fallen die gesetzeswidrige Abfallbewirtschaftung, das Töten und der Handel mit geschützten Arten in Fauna und Flora oder die Zerstörung des natürlichen Lebensraums in geschützten Gebieten. Neben natürlichen Personen können auch Firmen zur Rechenschaft gezogen werden. Voraussetzung ist aber, dass der oder die Täter im Interesse dieser Firma handelten und innerhalb des Betriebs «etwas zu sagen haben». Die Richtlinie ist in der Rechtsgeschichte der EU Neuland. Zum ersten Mal dehnt sich nämlich das Gemeinschaftsrecht ins Strafrecht aus, das bisher in der alleinigen Kompetenz der Mitgliedstaaten lag. Das hiess jeweils, Kommission und Parlament mussten draussen vor der Türe bleiben, während die Regierungsvertreter Rahmenbeschlüsse zum Strafrecht aushandelten. Und die Mitgliedstaaten wachten auch eifersüchtig darüber, dass dies so bleibt. Doch im Fall von Umweltvergehen machte die Kommission den Mitgliedstaaten einen Strich durch die Rechnung. Sie klagte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH),und dieser stellte im letzten Oktober in einem aufsehenerregenden Urteil fest, der Grundsatz der Kompetenz der Mitgliedstaaten im Strafrecht sei zwar weiterhin gegeben. Ausnahmen seien aber da zu machen, wo die EU auf Möglichkeiten der strafrechtlichen Sanktion angewiesen sei, um Gemeinschaftsrecht durchsetzen zu können.
Was der EU dagegen weiterhin verwehrt bleibt, ist das Festsetzen von Strafen, sei es die Art oder die Höhe. Das, so bestimmte der EuGH, bleibe in der ausschliesslichen Kompetenz der Mitgliedstaaten. Das Urteil des EuGH ist natürlich geeignet, das Tor für weitere, ähnliche Ausflüge der EU ins Strafrecht zu öffnen, beispielsweise auf den Gebieten des Konsumentenschutzes, des Binnenmarkts oder des Wettbewerbsrechts. Eben gerade darum hatte der Spruch des EuGH so viel Staub aufgewirbelt, und er ist nach wie vor entsprechend umstritten. Doch Tatsache ist, dass mit dem Vertrag von Lissabon so er wie geplant auf Anfang 2009 in Kraft treten sollte eine erheblich tragfähigere Basis für das gleiche Anliegen geschaffen würde. Im Artikel 69 dieses Vertrags heisst es sinngemäss ebenfalls, dass Richtlinien für die Angleichung der strafrechtlichen Vorschriften in den Mitgliedstaaten geschaffen werden können, falls solche notwendig sind, um die Beachtung der Vorschriften auf einem bestimmten Gebiet der Gemeinschaftspolitik durchsetzen zu können. NZZ, 22. Mai 2008, S. 7
|