Im Vorfeld des EU-Rüstungsgipfels am 19./20. Dezember wird ein EU-Drohnenprogramm startklar gemacht, um bei diesen „Instrumenten staatlichen Terrors“ nicht mehr länger hinter den USA hinterherzuhinken. Die Solidarwerkstatt ruft gemeinsam mit anderen Friedensgruppen zu einer Mahnwache „Drohnenkrieg – Nein Danke!“ am 13. Dezember 2013 vor dem Bundeskanzleramt (16 – 17 Uhr) auf.
Drohnen ziehen eine grausame Blutspur durch die Kriege in Afghanistan, Pakistan, Jemen oder Gaza. Sie töten auf Mausklick eines Soldaten, der tausende Kilometer entfernt auf seinem Computerbildschirm eine Menschenansammlung wahrnimmt, kurz abwägt, ob es sich um einen „Terroristentreff“ oder doch vielleicht nur Hochzeitsgesellschaft handelt und dann mittels Mausklick zum Scharfrichter wird. Hin und wieder dringt das auch an die Öffentlichkeit. Erinnert sich noch jemand an die mehr als hundert zerfetzten Leiber jener Menschen, die im afghanischen Kunduz 2009 aus zwei gestohlenen Tankwagen in der Nacht heimlich Benzin abzapften. Es war ein kurzer Befehl des deutschen Bundeswehroberst Georg Klein, der dieses Massaker unter Zivilisten anrichtete. Solcher Massenmord wirkt karrierefördernd, Klein wurde mittlerweile zum General befördert.
Instrumente staatlichen Terrors
Aus einer Untersuchung der Stanford University und der New York University geht hervor, dass nur zwei Prozent der durch Drohnen Getöteten wichtige Anführer der Kämpfenden sind (1). Ein IPPNW-Bericht kommt zum Schluss, dass etwa in Pakistan von den 2300 bis 3000 Drohnenopfern rund 80% Zivilisten gewesen sind (2). Drohnen sind Instrumente staatlichen Terrors. So heisst es im Bericht der Standford University und New York University:
"Die US-Drohnen-Angriffe beeinträchtigen das tägliche Leben der Bevölkerung in einem weit unterschätzten Ausmass, nicht nur wegen der vielen toten und verletzten Zivilisten. Drohnen schweben vierundzwanzig Stunden am Tag über den Dörfern im nordwestlichen Pakistan und beschiessen ohne Vorwarnung Gebäude, Fahrzeuge und öffentliche Plätze mit Raketen.“ (1)
„Bis 2025 anspruchsvollste Operationen“
Die Blutspur von US-Drohnen hat die EU-Mächtigen nachdenklich gemacht – und eifersüchtig: Warum können die etwas, was wir (noch) nicht können. In einem im Frühjahr 2013 von der EU-Agentur ISS erstellten Strategiepapier heisst es denn auch unmissverständlich: „Die USA haben enorme Erfahrung beim Einsatz der Drohnen für Überwachung und Luftschläge im Nahen Osten und in Zentralasien. Die Europäer sind bei diesen Technologien zurückgefallen; wenn sie nicht eigene Drohnensysteme entwickeln, haben sie nicht mehr länger die Mittel um Seite an Seite mit den Amerikanern (oder anderen Alliierten) zu kämpfen.“ Und das wäre aus Sicht der EU-Strategen die pure Katastrophe. Schliesslich will man bis 2025 „eine EU-weite Streitkräftestruktur zusammenbringen,… die es den Europäern ermöglicht, die anspruchsvollsten Operationen zu unternehmen … mit einem überlegenen Niveau militärischer Kapazitäten auf allen Gebieten.“ (S. 34) Dadurch soll die Fähigkeit zur „Expeditionskriegsführung“ vor allem in den Gebieten „privilegierten EU-Interesses“ jederzeit möglich sein, die im ISS-Papier folgendermassen aufgelistet werden: „Östliche und südliche Nachbarschaft, die Nachbarn der Nachbarn (von Mali bis Somalia, vom Golf bis Zentralasien), die zentralen Seewege im Indo-Pazifik (von Suez bis Shanghai) und der erweiterte Norden (Arktis und ihr Umfeld).“ (3)
Drohnenprogramm und EU-Rüstungsgipfel
Um die militärischen Fähigkeiten der EU auf Schiene zu bringen, wird am 19./20. Dezember ein eigener EU-Rüstungsgipfel der Staats- und Regierungschefs stattfinden. Das Thema Drohnen steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Bereits im Vorfeld dieses Rüstungsgipfels werden die Weichen gelegt. Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, die Niederlande, Polen und Spanien haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, in der die EU-Verteidigungsagentur beauftragt wird, eine Studie für die Herstellung von Mittel- und Langstrecken-Flugkörper zu machen. Ab 2020 sollen die Drohnen dann produktionsreif sein. Derartige Drohnen könnten „für militärische Ziele oder zur Überwachung von Migranten-Booten im Mittelmeer“ eingesetzt werden, schrieb der Online-Dienst EU-Observer (4).
Bereits im Juni erklärten die drei grossen EU-Rüstungsschmieden EADS, Dassault und Finmeccanica ein gemeinsames Drohnenprogramm zu starten. Beim Treffen der EU-Rüstungsagentur unterzeichneten auch weitere EU-Staaten ein “Gemeinsames Investitionsprogramm für die Einführung Ferngelenkter Flugsysteme (Drohnen) in den Luftraum“. Diese Staatengruppe umfasst Österreich, Belgien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Grossbritannien.
Offensichtlich werden unterschiedliche Komponenten dieser EU-Drohnenoffensive in unterschiedlichen Allianzen abgearbeitet. Eveline Steinbacher, Aktivistin der Solidarwerkstatt: „Österreich ist über seine Mitgliedschaft in der EU-Rüstungsagentur in diese Militarisierung voll eingebunden, ebenso durch seine enge Anbindung an andere EU-Streitkräfte und durch die Beteiligung österreichischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen an den verschiedenen Drohnenforschungsprogrammen. Die jetzt geplante EU-Drohnenoffensive zeigt einmal mehr, wie wichtig die Unterstützung des Aufrufs „Drohnenkrieg – Nein Danke! ist, die von 13 österreichischen Friedensorganisationen gestartet worden ist.“
Den Bundesratsplänen für eine Neuordnung des bilateralen Wegs erwächst ausserhalb des Parlaments zunehmend Opposition. Nach dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund kritisiert auch der Gewerbeverband (SGV) das Vorhaben, den Gerichtshof der Europäischen Union zum zentralen Akteur in den bilateralen Beziehungen zu machen. Die EU-Richter könnten «die Entscheide der schweizerischen Behörden ganz oder teilweise ignorieren», heisst es in der Stellungnahme des Gewerbeverbands vom 28. November. Der Gewerbeverband lehnt das Verhandlungsmandat des Bundesrats daher ab. Dies machte die «NZZ am Sonntag» publik.
Nach den Vorstellungen des Bundesrats soll der EU-Gerichtshof künftig in Streitfällen zwischen der Schweiz und der EU eine Art Gutachten verfassen. Politisch bleibt die Schweiz dabei frei, sich über die Entscheide des Gerichtshofs hinwegzusetzen. Sie müsste aber in solchen Fällen mit Sanktionen rechnen. Für den Bundesrat wird dadurch die Souveränität der Schweiz gewahrt.
Das sieht man beim Gewerbeverband anders. Er befürchte, dass der Bundesrat im Konfliktfall jeweils nachgeben werde, sagt Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler. Deshalb werde durch die Lösung des Bundesrats die Souveränität der Schweiz geschwächt. «Das Mandat geht in die falsche Richtung», so Bigler.
Bislang war der SGV in der Europapolitik ein treuer Verbündeter des Bundesrats. Nun mag der Gewerbeverband der Regierung jedoch nicht mehr folgen. Stattdessen liegt er ganz auf der Linie seines Präsidenten Jean-François Rime, der für die SVP im Nationalrat sitzt und das Schreiben zuhanden des Bundesrats zusammen mit Bigler unterzeichnet hat. Rime sagt zum Entscheid bloss, der Vorstand habe den Beschluss einstimmig gefasst. Für alle weiteren Fragen verweist er auf Verbandsdirektor Bigler. Dieser sagt, im 15-köpfigen Vorstand seien auch CVP und FDP vertreten. «Für den Entscheid waren allein sachliche Gründe ausschlaggebend», so Bigler. Es hätten die staatspolitischen Bedenken überwogen.
Alternativen zum Verhandlungsmandat des Bundesrats legt der Gewerbeverband nicht dar. Das sei nicht Aufgabe des SGV, sagt Bigler dazu. Einen Betritt zum Europäischen Wirtschaftsraum, wie ihn vor allem Exponenten der CVP verlangen, ist für den Gewerbeverband laut Bigler kein Thema. Gleichzeitig spricht sich Bigler klar gegen einen Alleingang ohne Bilaterale aus.
Neben dem Gewerbeverband markiert auch der Gewerkschaftsbund Distanz zum Verhandlungsmandat des Bundesrats. Die Gewerkschaften hätten diese Skepsis mehrfach in Gesprächen mit dem Aussendepartement bekräftigt, sagt Chefökonom Daniel Lampart. Der Gewerkschaftsbund befürchtet, dass der EU-Gerichtshof den Arbeitnehmerschutz aushöhlen könnte. Grund für die Bedenken der Gewerkschaften sind verschiedene Entscheide des Gerichtshofs, in denen dieser Schutzbestimmungen zugunsten der einheimischen Arbeitskräfte für unzulässig erklärte. Aussenminister Didier Burkhalter hat zwar die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit als nicht verhandelbar erklärt. Diese Zusicherung genügt den Gewerkschaften jedoch nicht.
Weder der Gewerbeverband noch die Gewerkschaften wurden zum Verhandlungsmandat mit der EU offiziell konsultiert. Dieses wurde nur den Kantonen und den aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments vorgelegt. Die beiden Kommissionen stimmten zu, die Antwort der Kantone steht noch aus. Der Bund, 2. Dezember 2013, S. 7.