EU will Biobauern benachteiligen
In der Theorie ist das EU-Konzept für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) klar. Jeder Bauer soll frei wählen können, ob er GVO einsetzt oder nicht und ob er herkömmlich oder biologisch produziert. Auch die Konsumenten sollen die Wahl haben, ob sie GVO-Produkte kaufen wollen oder nicht. Um das sicherzustellen, hat die EU Vorschriften über Kennzeichnung und Nachverfolgbarkeit von GVO in Lebens- und Futtermitteln entwickelt. Nach einer Einigung auf diese Grundsätze wollen die EU-Staaten das faktische Moratorium zur Freisetzung von GVO aufheben. Gemäss Ratsbeschluss müssen Lebens- und Futtermittel mit einem GVO-Anteil von 0,9 Prozent als solche deklariert werden. Für Saatgut will die Kommission demnächst Schwellenwerte vorschlagen, die je nach Sorte zwischen 0.3 und 0.7 Prozent liegen.
Für die biologische Landwirtschaft, die in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich verbreitet ist, gibt es keine Regelung auf EU-Ebene. Biobauern wollen prinzipiell auf jeden GVO- Einsatz verzichten, und sie akzeptieren die Schwellenwerte nicht. Weil sich die landwirtschaftliche Produktion in der Natur und nicht in sterilen Labors abspielt, birgt das Nebeneinander von GVO-Einsatz und Biolandwirtschaft eine grosse Vermischungsgefahr. Wegen Pollenflug, unfreiwilligen Auskreuzungen sowie Vermischung bei Transport und Verarbeitung können die Futter- und Lebensmittel nur mit hohem Aufwand GVO- frei oder unter den Schwellenwerten gehalten werden. Eine Studie der Kommission schätzte, dass die Kosten für den Anbau von Raps um 10 bis 40 Prozent und bei Kartoffeln und Mais um rund neun Prozent steigen könnten. In den USA und Kanada läuft bereits eine Reihe von Prozessen gegen Landwirte, auf deren Feldern gen technisch veränderte Pflanzen wuchsen, obwohl sie diese niemals ausgesät hatten.
Mit vorgeschriebenen Grenzabständen zwischen den Feldern, Pufferzonen, Kontrolle der Auskreuzungen und Überwachungsmechanismen während Ernte, Lagerung, Transport und Verarbeitung kann die Verschmutzungsgefahr eingegrenzt werden. Weil "GVO-frei» ein wirtschaftliches Argument sei, will EU-Agrarkoinmissar Franz Fischler diese Kosten den einzelnen Bauern sowie den Saatgutproduzenten aufbürden, die einen Vorteil aus der speziellen Kultivierungsart liehen - im Klartext also den Biobauern, die auf GVO verzichten und deshalb höhere Preise verlangen können. Mit seinen in einem Arbeitspapier der Kommission gemachten Vorschlägen stiess Fischler auf Widerstand. Die Biobauern finden es ungerecht, dass sie wegen des GVO-Einsatzes von anderen Produzenten einen höheren Aufwand haben. Die deutsche Agrarministerin Renate Künast hatte vorgeschlagen, dass bestimmte Gebiete als gentechnikfrei erklärt werden, was Fischler mit Hinweis auf die Wahlfreiheit der Bauern ablehnt. Auch Italien, das neben Österreich innerhalb der EU den höchsten Anteil an biologisch bewirtschafteten Flächen hat, forderte schärfere Richtlinien für die Koexistenz der verschiedenen Landwirtschaftsmodelle.
Ein weiterer Streit bahnt sich um die Schwellenwerte für Saatgut an. Laut der deutschen «Zukunftsstiftung Landwirtschaft» bedeuten die Kommissionsvorschläge eine «Zwangseinführung der Gentechnik durch die Hintertür». Deklariert werden müsste nur, wenn der GVO-Anteil je nach Pflanze 0,3, 0,5 oder 0,7 Prozent übersteigt. In der Praxis bedeute diese Vorschrift, dass Bauern nicht mehr wüssten, ob ihr Saatgut GVO enthält oder nicht. Die Stiftung befürchtet innert kurzer Zeit eine flächendeckende gentechnische Verschmutzung, zunächst bei Mais und Raps, später auch bei Kartoffeln, Rüben und Tomaten. Basler Zeitung, 6.3.03.
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Mehr Tempo bei der EU - Bahnliberalisiung
EU- Verkehrsminister sind Ende März 30 Anträgen der Kommission gefolgt und haben sich gegen den Widerstand von Frankreich, Belgien und Luxemburg für eine beschleunigte Marktöffnung im Schienenfrachtdienst ausgesprochen. Nach den Mitte März dieses Jahres in Kraft getretenen Rechtsvorschriften der EU kann jedes lizenzierte Bahnunternehmen ab sofort Güter auf dem grenzüberschreitenden transeuropäischen Netz transportieren. Dieses umfasst rund 50 000 Kilometer und schliesst die Hauptrouten und wichtigsten Zubringerstrecken ein. Der Ministerrat entschied, die bereits vorgesehene Öffnung des gesamten Schienennetzes um zwei Jahre auf den 1. Januar 2006 vorzuziehen. Ab 2008 müssen die Mitgliedstaaten den Zugang zu ihrer Bahninfrastruktur für den Güterverkehr völlig öffnen. Auswärtige Anbieter haben dann nicht nur freie Fahrt beim grenzüberschreitenden Frachtverkehr, sondern sie können auch inner- halb von EU-Mitgliedstaaten operieren, in denen sie selber nicht ansässig sind (Kabotage). Flankiert wird diese beschleunigte und ausgeweitete Liberalisierung von Massnahmen zur Harmonisierung der Bahntechnik, der Sicherheitsvorschriften sowie der Ausbildung von Lokomotivführern. Das Europäische Parlament, das in diesem Geschäft mitentscheidet, will auch den Personenverkehr liberalisieren. Über dieses Thema sprachen die Minister nicht. Die Kommission überlege sich aber, noch im Verlauf dieses Jahres einen separaten Richtlinienvorschlag vorzulegen, erklärte der Sprecher der Verkehrskommissarin de Palacio am Rande der Ratstagung. NZZ.,29./30. 3. 03, S. 64
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Vertrauliche GATS-Dokumente mit riskanten EU-Forderungen
Die EU fordert von den Entwicklungsländern eine weit reichende und hoch riskante Liberalisierung und Privatisierung von Dienstleistungen, die auch sensible Bereiche wie die Trinkwasser- und Energieversorgung und die Finanzdienstleistungen einschließt. Das geht aus den bisher streng geheimen Forderungen der EU an 109 Staaten im Rahmen der Verhandlungen zum internationalen Dienstleistungsabkommen GATS hervor, die das kanadische Polaris-lnstitut jetzt veröffentlicht hat. Die Forderungen seien "ein Frontalangriff auf die staatliche Daseinsvorsorge", kommentierte Thomas Fritz, GATS-Experte beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Damit seien "die entwicklungspolitischen Versprechen von EU-Kommission Makulatur". Besonders kritisch sieht Attac, dass die EU von 72 der 109 Staaten fordert, die Trinkwasserversorgung zu liberalisieren. Dieser Bereich war bisher noch gar nicht als eigenständige Kategorie im GATS erfasst. Die Liberalisierung der Wasserversorgung in aller Welt sei "ein Dammbruch, der bisher noch nicht einmal im Europäischen Binnenmarkt erfolgt ist", so Fritz. Leisteten die betroffenen Entwicklungsländer den EU-Forderungen Folge, müssten sie auf wichtige staatliche Regulierungen und Auflagen verzichten. Nicht weniger problematisch sei der Energiesektor, bei dem die EU ebenfalls eine fast völlige Liberalisierung fordere. "Dramatische Folgen" seien auch bei den Finanzdienstleistungen zu befürchten, wo die Forderungen auf eine Abschaffung der Kapitalverkehrskontrollen hinausliefen. DNR, EU-Rundschreiben, 2/ 03, S. 45
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Erneut Patent auf Brustkrebs- Gen erteilt
Nach Recherchen von Greenpeace hat das Europäische Patentamt in München erneut ein Patent auf ein Gen erteilt, das bei der Entstehung und Diagnose von Brust- krebs eine zentrale Rolle spielt. Die US-amerikanische Firma Myriad erhielt mit dem Patent EP0785216 am 8. Januar ein exklusives Nutzungsrecht für das "Brustkrebsgen 2" (BRCA2). Damit hält die US- Firma in Europa bereits drei Patente auf die genetische Veranlagung für Brust- krebs. Das Patentamt betreibe damit "den systematischen Ausverkauf menschlichen Lebens", kritisierte Christoph Then, Patentexperte von Greenpeace. Gegen den erklärten Willen von Patientinnen, Krankenkassen, Ärzten, des Europarates und des Europäischen Parlamentes eigneten sich Gentech-Konzerne das menschliche Erbgut an. Das Europäische Patentamt habe mit der Patentvergabeerneut bewiesen, dass ihm "alle ethischen und wissenschaftlichen Bedenken egal" seien. Myriad besteht darauf, alle Proben im eigenen Labor in den USA zu untersuchen. Tests auf Brustkrebs werden dadurch um ein Vielfaches teurer. Die UNESCO befürchtet außerdem, dass sich Myriad durch den Zugriff auf die Blutproben eine weitgehende MonopolsteIlung in der gesamten Brustkrebsforschung verschaffen kann. Das Europäische Patentamt beruft sich bei seinen Patenterteilungen auf die EU- Richtlinie 98/44, die jedoch bisher nur wenige Mitgliedstaaten umgesetzt haben. Das EU-Parlament, das diese Richtlinie ursprünglich verabschiedet hatte, lehnte im November 2002 die Patentierung menschlicher Gene erstmals grundsätzlich ab. Das Europäische Patentamt hat bereits über 1000 Patente auf menschliche Gene erteilt. EU-DNR-Rundschreiben, 2/03, S. 20.
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EU-Agrarsubventionen: Kritik von allen Seiten
Kleinbauern in der EU benachteiligt, lokale Märkte im Süden verschwinden "Unterbieten Verbieten" heißt eine neue Kampagne der Nord-Süd-politischen Organisation Germanwatch, die im Januar 03 auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wurde. Sie richtet sich gegen den Verkauf europäischer Lebensmittel unterhalb der tatsächlichen Produktionskosten. Das passiert laut Germanwatch sowohl im Inland als auch im Ausland, vor allem in Entwicklungsländern. Damit werden die Preise der lokalen Anbieter auf den Märk- ten der Entwicklungsländer unterboten. Möglich werde dies durch die sehr hohe Subventionierung von Agrarprodukten durch die EU. Die Kleinbauern im Süden können dann nicht mehr mit den "Dumping"-Produkten aus dem Norden konkurrieren, die lokalen Märkte werden zerstört, den Kleinbauern wird zunehmend die Lebensgrundlage entzogen. Großbetriebe in den reichen OECD-Ländern werden subventioniert, während die Kleinbauern in Entwicklungsländern leer ausgehen. DNR EU-Rundschreiben 2/03, S. 30
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