Während es Ende Oktober 16 noch ganz nach einem Ende des EU-Kanada-Freihandelsabkommens aussah, unterzeichneten Kanada und die EU das Abkommen am 30. Oktober in Brüssel. Die Verzögerung der Unterzeichnung lag vor allem an der Protesthaltung einiger belgischer Regionalparlamente, allen voran Wallonien (s. EU-Umweltnews vom 27. Oktober 2016). Teile des CETA-Abkommens werden nun vorläufig in Kraft treten, noch bevor die Ratifizierung in den EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen ist. Die EU-Kommission hat jedoch das stark umstrittene Investitionsgerichtssystem (ICS) von der vorläufigen Anwendung ausgeschlossen. Der extrem hohe Schutz von Investoren im CETA ist einer der stärksten Kritikpunkte des Abkommens. Der sozialdemokratische Präsident des EU-Parlaments pilgerte extra nach Belgien, um das Abkommen durchzudrücken. Umwelt aktuell Dezember 2016/Januar 2017, S. 27
Wie die deutsche Maut EU-konform werden soll
Der jahrelange Maut-Streit zwischen Berlin und Brüssel mündet in eitel Wonne. Zumindest gegen aussen. Am Rande eines Verkehrsministertreffens in Brüssel haben sich die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc und der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt am 1. Dezember 2016 politisch auf ein EU-konformes deutsches Maut-System geeinigt. Und als sie am Abend gemeinsam vor die Medien traten, waren sie des gegenseitigen Lobes voll.
Das ursprünglich von Deutschland geplante System für eine Strassenbenutzungsgebühr für Personenwagen hatte die EU-Kommission angefochten, weil es zu einer nach EU-Recht verbotenen Diskriminierung von Autolenkern aus anderen EU-Staaten aufgrund ihrer Nationalität hätte führen können. Ende September 2016 hat sie deswegen sogar eine Klage gegen Deutschland beim Gerichtshof der EU angekündigt.
Die nun vereinbarte Lösung bestätigt die Anfang November durchgesickerten Umrisse. Sie sieht zwei Änderungen an den Plänen vor: Erstens werden die Preise für Kurzzeit-Vignetten im Vergleich zum Jahr insgesamt sinken. Solche Vignetten werden vor allem von ausländischen Lenkern genutzt, und Brüssel hatte bemängelt, dass sie in manchen Fällen unverhältnismässig teuer seien. Neu sind für die Kurzzeit-Vignetten auf Basis von Umweltkriterien fünf statt bisher drei Stufen geplant. So soll eine Vignette für zehn Tage für die umweltfreundlichsten Autos € 2.50 und für die «schmutzigsten» 20 € kosten, während bisher eine Bandbreite von 5 € bis 15 € vorgesehen war. Für eine Zwei-Monats-Vignette wiederum hätten die Fahrer neu je nach Kategorie zwischen 7 € und 40 € hinzublättern. Die Jahresgebühr schliesslich würde bis zu 130 € betragen.
Zweiter Stein des Anstosses war Dobrindts Plan, für inländische Autolenker die Zusatzkosten für die Maut durch eine entsprechende Senkung der jährlichen Fahrzeugsteuer zu kompensieren. Laut der nun vereinbarten Lösung wird es zwar weiterhin Steuererleichterungen für Inländer geben, aber diese gewähren keine Eins-zu-eins-Kompensation mehr. Sie sind an den Abgasausstoss der Autos gebunden. Für die umweltfreundlichsten Fahrzeuge (Euro-6-Norm) wird die Steuerentlastung um 100 Mio. € pro Jahr höher sein als bisher geplant. Deren Lenker erhalten also sogar mehr Geld zurück, als sie für die Maut bezahlen, während die übrigen zumindest nicht schlechtergestellt werden. Deshalb kann Dobrindt daran festhalten, dass es keine Mehrbelastung für inländische Lenker geben werde – was er auch in Brüssel betonte.
Auf die Frage, warum dies nun keine Diskriminierung für EU-Ausländer mehr darstelle, verwies Bulc lediglich auf die klare Entkoppelung von Steuern und Maut. In das deutsche Steuersystem könne sie nicht eingreifen.
Dobrindt wiederum geht davon aus, dass sich die zusätzlichen Entlastungen für inländische Euro-6-Fahrzeuge mit Mehreinnahmen aus den Kurzzeit-Vignetten für die schmutzigsten Autos und einem sich abzeichnenden höheren Verkehrsaufkommen ausländischer Fahrzeuge aufwiegen werden. Es sei weiterhin mit Nettoeinnahmen von rund 500 Mio. € pro Jahr zu rechnen, sagte er in Brüssel. Ebenfalls als Teil des Kompromisses interpretiert werden darf wohl seine Zusage, dass Deutschland die EU-Kommission bei der geplanten Schaffung eines EU-Rahmens für ein einheitliches europäisches Maut-System auch für Personenwagen unterstützen werde.
Als nächsten Schritt muss die deutsche Regierung die beschriebenen Änderungen in das Maut-Gesetz und die Steuervorschriften einarbeiten. Endgültig beigelegt ist der Streit erst, wenn diese Korrekturen von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden sind. Erst dann will die EU-Kommission das nun auf Eis gelegte Verfahren gegen Deutschland einstellen. Vor Gericht enden könnte die Sache dennoch: Laut Agenturberichten wollen nun die Niederlande und eventuell weitere Nachbarstaaten klagen. NZZ, 2. Dezember 2016, S. 25