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Kurzinfos September 09

Irisches Wiederholungs-Referendum: Unverbindliche Garantien und unfaire Fairness-Regeln

Am 12. Juni 2008 haben die IrInnen den Lissabon-Vertrag in einem Referendum mehrheitlich abgelehnt. Wie schon zuvor beim französischen Non und beim niederländischen Nee über den EU-Verfassungsvertrag haben es die EU-RegierungschefInnen erneut abgelehnt, ein Volksabstimmungsvotum zu akzeptieren und zu respektieren. Statt aufgrund dieser dreifachen Ablehnung in Volksabstimmungen einen neuen Demokratisierungs- und Konvents-Prozess der EU zu starten (http://www.mehr-demokratie.de/1050.html), wurde versucht, den Lissabon-Vertrag mit „Garantien“ für Irland zu retten. Der Hautablehnungsgrund der IrInnen, die Unlesbarkeit und Unverständlichkeit des Lissabon-Vertrags (http://www.no-means-no.eu/index.php?set_language=de&cccpage=criticism_02), blieb freilich unangetastet. Die „EU-Garantien“ vom EU-Gipfel vom 19. Juni 2009 sichern zu, dass das irische Selbstbestimmungsrecht in den Bereichen Sicherheit und Neutralität, Steuerautonomie, Familie (Abtreibungsverbot) und Erziehung durch den Lissabon-Vertrag nicht beeinträchtigt wird. Außerdem soll – entgegen der geplanten Verkleinerung der Kommission – weiterhin jeder EU-Staat einen Kommissar nominieren können. Um eine Ratifizierung dieser „EU-Garantien“ in allen 27 EU-Staaten – samt Forderungen nach Volksabstimmungen – zu vermeiden, wurde in die juristische Trickkiste gegriffen: Diese „EU-Garantien“ erklären sich zwar bereits gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags für gültig. Verbindlich ratifiziertes EU-Recht sollen sie jedoch erst später (z.B. beim EU-Beitritt Kroatiens) werden. Bis zur Ratifizierung bleiben die „EU-Garantien“ daher bloße politische Absichtserklärungen, die EU-rechtlich nicht durchsetzbar wären. Überdies ist zweifelhaft, ob Beitritts-fremde „EU-Garantien“ überhaupt mit einem Beitrittsvertrag verbunden werden können (Waldemar Hummer, Die Garantien für Dublin sind nicht verbindlich, Wiener Zeitung 16.07.2009 http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4498&Alias=eu&cob=425659&Page14708=5).

Die IrInnen können sich somit nicht sicher sein, dass diese „EU-Garantien“ nicht nochmals infrage gestellt und zum Spielball verhandlungstaktischer Manöver gemacht werden. Jeder einzelne EU-Staat könnte eine rechtsverbindliche Umsetzung dieser „EU-Garantien“ zumindest noch verzögern.

Referenden in Irland zeichnen sich durch einen strengen Fairness-Standard aus, der seit einer Entscheidung des irischen Höchstgerichts im Jahr 1997 eine ausgewogene Verwendung von Steuermitteln und Sendezeiten für beide Seiten vorschreibt. Für das Wiederholungs-Referendum ist die Broadcasting Commission of Ireland (BCI) von der bisherigen Regel gleicher Sendezeiten für pro- und contra-Seite abgegangen und hat eine Richtlinie erlassen, die das Recht auf gleichgewichtige und ausgeglichene Sendezeiten flexibel interpretiert und damit die Türen für Unausgewogenheiten geöffnet hat (EUobserver 07.08.2009 http://euobserver.com/9/28532/?rk=1). Ob die neue flexible BCI-Richtlinie die Einhaltung des strengen Fairness-Standards des irischen Höchstgerichts sicherstellen konnte, bleibt ungewiss. Mehr Demokratie News Letter, 20. September 2009



Steuerbetrug in der EU

Als Reaktion auf neu entdeckte Betrugsformen im Bereich der Mehrwertsteuer in der EU hat die EU-Kommission am 29. September 09 einen Vorschlag vorgelegt, der den Mitgliedstaaten die zeitlich befristete Anwendung eines alternativen Mehrwertsteuer- Verfahrens (Reverse-Charge) ermöglichen würde. Dabei geht es um die Bekämpfung des sogenannten Karussellbetrugs, der vereinfacht auf folgendem Prinzip beruht: Ein Unternehmen A stellt einem Unternehmen B für eine Lieferung Mehrwertsteuer (MWSt) in Rechnung und verschwindet anschliessend, ohne diese MWSt an den Fiskus abzuliefern. Das Unternehmen B hat aber im Prinzip dennoch Anrecht auf den Vorsteuerabzug für die ihm verrechnete MWSt, und der Staat hat das Nachsehen. Beim Karussellbetrug erfolgen solche Betrügereien im Verlaufe längerer, meist grenzüberschreitender Lieferketten mit Beteiligung von Scheinfirmen, die vor der Aufdeckung des Betrugs von der Bildfläche verschwinden. Deshalb spricht man auch vom «Missing trader»- Betrug.

Das Phänomen ist in der EU seit Jahren ein Thema. Doch bisher erfolgte der Betrug vor allem mit kleinen, relativ teuren Gütern wie Mobiltelefonen, die mit wenig Aufwand im Kreis herumgeschickt werden können. Dienstleistungen galten als nicht anfällig. Umso böser war das Erwachen im Sommer 08, als mehrere EU-Staaten Betrugsfälle mit Emissionszertifikaten meldeten, deren, Übertragung als Dienstleistung gilt.

Vor einiger Zeit haben in der EU vor allem Deutschland und Österreich gefordert. ein generelles Reverse-Charge-System einzuführen bzw. zuzulassen. Die Kommission reagierte skeptisch und schlug ein Pilotprojekt in einem Mitgliedstaat vor, um dessen Vor- und Nachteile zu testen. Die EU-Finanzminister konnten sich aber nicht auf eine gemeinsame Position einigen, und der Verstoss verlief im Sande. NZZ, 30. September 09, S. 29


Schweiz prüft offene Grenzen für EU-Patienten

Patienten in der EU sollen sich bald schon in jedem beliebigen Land behandeln lassen können. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) lässt derzeit überprüfen, was eine vollständige Öffnung der Grenzen für Patienten für Krankenkassen, Spitäler und Ärzte bedeuten würde. „Ziel unserer Abklärungen ist es, dem Bundesrat nötigenfalls im nächsten Jahr Antrag für eine Ergänzung des Verhandlungsmandats zum Gesundheitsabkommen stellen zu können“, sagt Gaudenz Silberschmidt, der beim BAG die Abteilung Internationales leitet. Konkret geht es dabei um die Teilnahme an der EU-Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung. Diese sieht vor, dass alle Patienten frei wählen dürfen, in welchem Land sie sich behandeln lassen. Die Versicherung muss jene Kosten übernehmen, die auch im Heimatland anfielen. Zudem schafft die Richtlinie grenzüberschreitende Referenzzentren. Laut Silberschmidt würde damit «das Angebot an hochspezialisierter Medizin über die Landesgrenzen hinaus koordiniert». Der Bund, 23. September 09, S. 7


Eintrag in die EU- Terrorliste

Für einen Eintrag auf der sogenannten Terrorliste der Europäischen Union genügen auf ernsthafte und schlüssige Indizien gestützte Ermittlungen wegen der Förderung terroristischer Handlungen. Eine rechtskräftige Verurteilung ist dagegen keine Voraussetzung. Dies ist die Quintessenz eines Urteils des EU-Gerichts in erster Instanz in Luxemburg vom 2. September 09.

Das Gericht hatte eine Klage des in den Niederlanden lebenden Marokkaners Mohamed EI Morabit zu beurteilen, der im März 2006 von einem Gericht in Rotterdam wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – der sogenannten Hofstad-Gruppe – verurteilt und im folgenden Dezember. vom Ministerrat auf die EU-Terrorliste gesetzt worden war. Dies hatte zur Folge, dass sein Vermögen eingefroren wurde. Morabit hatte aber gegen seine Verurteilung Berufung eingelegt und wurde im Januar 2008 freigesprochen. Im April des gleichen Jahres strich die EU seinen Namen von der Terrorliste.

Der Kläger machte geltend, der Eintrag in die Liste habe gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der Verhältnismässigkeit verstossen und seine Grundrechte verletzt; der EU-Ministerrat hätte nämlich eine rechtskräftige Verurteilung abwarten müssen. Das Gericht widersprach mit der Begründung, unter bestimmten Voraussetzungen dürften trotz dem Grundsatz der Unschuldsvermutung Sicherungsmassnahmen ergriffen werden. Diese seien keine Strafmassnahme und griffen darum der Feststellung von Schuld oder Unschuld nicht vor. Das zeitliche begrenzte Einfrieren sei auch nicht mit dem Einziehen der Vermögenswerte gleichzusetzen; die Massnahme stelle also auch keine Sanktion dar.

Schliesslich hielt das Gericht fest, die Wahrung des Weltfriedens und. der. internationalen Sicherheit könne nachteilige wirtschaftliche Folgen für Morabit rechtfertigen. Das Einfrieren von Geldern verstosse daher nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. NZZ, 3. September 09, S. 2


Bundesrätin Calmy-Rey zur CH-Aussenpolitik

SP-Zeitschrift Links: Kann die Schweiz – ohne EU-Mitglied zu sein – auf internationaler Ebene überhaupt eine Rolle spielen?

Calmy Rey: Ja, wir können es. Und weil wir keiner festen Allianz angehören, sind wir dazu sogar gezwungen. Die Europäische Union wird mitunter als Antwort auf die geostrategischen Machtverschiebungen verstanden: Die Mitgliedstaaten schliessen sich zusammen, um gemeinsam mehr Gewicht in den Beziehungen zu den aufstrebenden Grossmächten wie China, Indien, Russland oder Brasilien zu haben. Die Schweiz baut ihrerseits erfolgreich intensivere und durchaus auch konstruktiv-kritische Beziehungen mit diesen Staaten auf. Weil wir keinem Bündnis angehören, können wir in flexibleren Partnerschaften Brücken bauen. Dies tun wir beispielsweise im Bereich der Menschenrechte oder der Friedensförderung. Links , September 09, S. 6

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