WTO erlaubt Strafzölle
Die USA und Kanada haben im Streit um hormonbehandeltes Rindfleisch die endgültige Erlaubnis erhalten, Strafzölle gegen die EU zu verhängen. Die beschlossenen Sanktionen belaufen sich auf einen Wert von 124 Mio $ und werden in Form von 100% Preisaufschlägen auf EU-Exporte in die beiden Länder erhoben. Die Zölle sollen Einnahmen ausgleichen, die Nordamerika im Gefolge des Verbots des Imports von Rindfleisch verlorengingen. Der 100%ige Preisaufschlag trifft vor allem französische, deutsche, italienische und dänische Exporte.
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Fremdfette in Schokolade erlaubt
Neben Kakaobutter darf Schokolade in Zukunft auch andere tropische Pflanzenfette (wie Palmöl oder Shea-Nussöl) im Umfang von 5% aller Zutaten enthalten. Nach jahrelangem Streit über das "Reinheitsgebot" bei Schokolade haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine entsprechende Regelung geeinigt. Die Fremdfette sind wesentlich günstiger als Kakaobutter - sie kosten einen Zehntel davon. Die Beimischung von Fremdfetten muss doppelt gekennzeichnet sein: bei der Zutatenliste sowie mit einem speziellen Hinweis auf der Packung. Die Vereinigung der Süsswarenindustrien der EU schätzt, dass durch die Lockerung des Reinheitsgebots die Einfuhren von Kakaobohnen um 33'000 bis 118'000 t zurückgehen könnten.
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Drohung mit finanziellen Abstrichen
Erstmals hat die EU-Kommission fünf Mitgliedstaaten der EU aus umweltpolitischen Überlegungen mit der Kürzung von Hilfsgeldern aus dem Struktur- und dem Kohäsionsfonds gedroht. Sie wirft Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Irland und Portugal die Missachtung der sogenannten Habitat-Richtlinien vor. Die Richtlinie, die vor sieben Jahren erlassen worden war, verlangt, dass jedes Land bis zum 10. Juni 98 eine Liste der Naturschutzgebiete hätte vorlegen müssen. Da die fünf Länder das Projekt und den Austausch von Daten verzögern, macht die Kommission von Bestimmungen Gebrauch, die in die neuen Verordnungen zum Struktur- und Kohäsionsfonds eingeflossen sind. Sie machen die Auszahlung der Geldmittel von der Befolgung des Gemeinschaftsrechts abhängig. NZZ. 14.7.99
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Westliche Atomindustrie saniert sich an maroden Ostreaktoren
Acht Jahre ist es her, seit die EU von der internationalen Staatengemeinschaft den Auftrag erhielt, fünfzig, meist schrottreife Ostreaktoren den "westlichen Sicherheitsstandards" näherzubringen oder stillzulegen. 1,5 Milliarden Mark aus EU-Steuergeldern standen zur Verfügung, um eine weitere Katastrophe nach Tschernobyl zu verhindern. Dass TACIS-Programm (Technische Hilfe für GUS-Staaten) sah vor, die Betriebssicherheit von Reaktoren des Tschernobyl-Typs sowie der ersten sowjetischen Reaktorengeneration aufzurüsten, Mit dem Hilfsprogramme PHARE wurde der bulgarische Schrottreaktor Kosloduj über die Runden gebracht und den Atomzentralen Dukovany (Tschechische Republik), Bohunice (Slowaksiche Republik), Paks (Ungarn) und Ignalia (Lituauen) mit Sicherheitsstudien und Personaltraining unter die Arme gegriffen. Doch nur rund ein Drittel der 1,5 Milliarden Mark gelangte an die Bestimmungsorte und wurde für grössere Reparatur- und Ersatzteilprogramme verwendet. Die EU-Kommission hat ganz gezielt der westeuropäischen Atomwirtschaft Hunderte von Millionen Mark zugeschoben. Mit Beratung, Beschaffung und Dienstleistungen stellten Firmen wie SIEMENS im Osten die Weichen in die atomare Sackgasse. Massnahmen, die zur kurzfristigen Überbrückung von Notsituationen aufgelistet worden waren, entpuppten sich bei genauerem Hinsehen als gezielte Unterstützung für den Langzeitbetrieb. Mit Ausnahme eines Reaktors in Tschernobyl war kein einziger der "Hochrisiko-Reaktoren" der ersten Generation abgeschaltet worden. Dabei wären die Bedingungen für das Abschalten der Reaktoren in Osteuropa und in Russland günstig. Es bestehen massive Überkapazitäten von Kraftwerken und enorme Sparpotentiale, die mit geringem Aufwand Effizienzsteigerungen bis zu 30% des Verbrauchs brächten. Bulletin, Mühleberg Stillegen, 1999
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Vergabe von EU-Mitteln
Die Vertretung der EU-Kommission in Deutschland veranstaltete Ende Juni 99 eine Kontaktbörse zur Förderung von Umweltprojekten. Von den Umweltverbänden wurden die undurchschaubaren Vergaberegeln für EU-Mittel kritisiert. Für Umweltverbände sei es oft schwer, Projektanträge einzureichen, die den Zuschnitten der Programme genügen würden. Antrags- und Auszahlungsverfahren würde sich zu lange hinziehen. Oft würde es an der mitgliedstaatlichen Kofinanzierung mangeln. 60% der Life-Mittel etwa seien an Industrie, Handel und Gewerbe geflossen. DNR-EU-Rundschreiben, 7+8/99
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EU-Verkehrsministerrat
Anlässlich des Verkehrsministerrats vom 17. Juni 99 diskutierte der Rat kurz über die Verteilung der schweizerischen Transitgenehmigungen für EU-Lastkraftwagen unter den Mitgliedsstaaten. Die Verkehrsminister drängten auf eine schnelle Lösung dieser Frage, in der Sorge, die Kontingente können sonst nach Einführung nicht voll ausgeschöpft werden. Der Rat verabschiedete die Richtlinie zur Erhebung von Strassengebühren. Diese soll in erster Linie der weiteren Entwicklung des Binnenmarktes im Strassengüterverkehr dienen. "Umweltschutz" kommt nur in einem Nebensatz der Strassennutzungskosten als "externer Effekt" vor. EU-DNR-Rundschreiben, 7+8/99
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Dänemark führt CO2-Quoten ein
Nach einem Beschluss des dänischen Parlaments wird es ab dem kommenden Jahr für dänische Enerergieunternehmen CO2-Emissionsquoten geben. Werden diese überschritten, so müssen Unternehmen eine zusätzliche Steuer zahlen. Die Firmen können ihre Quoten verkaufen, wenn sie unter ihrem Limite liegen bzw. neue dazukaufen, wenn sie darüber liegen. Dabei wird die Tonne CO2 für 40 Dänische Kronen (5,4 Euro) gehandelt, die das Unternehmen in Form eine Steuerabgabe leisten muss. Das Gesetz muss zunächst noch von der EU gebilligt werden. Es soll die Einführung der Wärme-Kraft-Kopplung in Dänemark unterstützen. DNR-EU-Rundschreiben, 6/99.
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Klagen der EU-Kommission
Die EU-Kommission klagt gegen Deutschland und Luxemburg vor dem EU-Gerichtshof wegen mangelnder Umsetzung der Nitratrichtlinie. Frankreich, Belgien und die Niederlande erhalten eine letzte Aufforderung zur Umsetzung. Gegenwärtig laufen gegen zwölf Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren. Nach der Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten bis zum 20. Dezember 1993 Oberflächengewässer und Grundwasser überwachen sowie verunreinigte Gewässer bestimmen und gefährdete Gebiete ausweisen sollen. Bis zum 20. Dezember 1995 hätten sie anschliessend Zeit gehabt, Aktionsprogramme für diese Gebiete aufzustellen, um den Nitratgehalt aus der Landwirtschaft zu verringern. Wegen Nichteinhaltung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser wird auch Griechenland beim EU-Gerichtshof verklagt. Die Kommission hat zudem gegen Deutschland, Italien, Portugal und Finnland beim EU-Gerichtshof Klage wegen ungenügender Ausweisung von besonderen Schutzgebieten für wild lebende Vogelarten erhoben. Deutschland hat es nach Meinung der Kommission ausserdem versäumt, die Änderung der Richtlinie über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe internationales Recht umzusetzen. Klage wurde angedroht. DNR-EU-Rundschreiben, 7+8/99
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Die Umwelt der EU weiter unter Druck
Anlässlich des Umweltministerrats in Luxemburg legte die Europäische Umweltagentur (EUA) ihren Bericht "Umwelt in der Europäische Union an der Wende zum 21. Jahrhundert" vor. Als negativ bewertet die EUA die fehlende Integration von Umweltbelangen in einige Wirtschaftsbereiche. Bisher sei es nicht ausreichend gelungen, Umweltbelange in einem ausreichenden Masse durchzusetzen. 75% der auf dem Mark befindlichen grossvolumigen chemischen Stoffe werden keiner ausreichenden Minimalrisikoanalyse unterzogen. Die erzeugte Abfallmenge in der EU steigt ständig an. Trotz der Steigerung der Energieeffizienz wird der EU-Energieverbrauch in absoluten Zahlen von 1995 bis 2010 um 15%, des PKW-Verkehrs um 30% sowie der des Frachtverkehrs um 50% ansteigen. Werden hier keine Massnahen unternommen, wird die Verpflichtung des Kyoto-Protokolls, die Treibhausgasemissionen der EU gegenüber dem Basisjahr 1990 bis zum Zeitraum 2008-2012 um 8% zu vermindern, nicht zu erfüllen sein. DNR-EU-Rundschreiben, 7+8/99
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EU/US Gipfel - Protest der Konsumenten- und Umweltorganisationen
Vor dem halbjährlich stattfindenden EU/US-Gipfel, der im Anschluss an das Kölner G8-Treffen am 21. Juni in Bonn stattfand, war es zum Eklat zwischen den europäischen und US-amerikanischen Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen einerseits und den EU/US-Regierungen andererseits gekommen. Während nämlich im Mai 1998 die EU- und die US-Regierungschefs vereinbart hatten, dass im Rahmen der Neuen Transatlantischen Agenda nicht nur die Wirtschaftslobby, sondern auch Vertreter der Verbraucher-, Umwelt und Arbeitnehmerinteressen direkt an politischen Entscheidungen beteiligt werden sollten, wurde dieser Auftrag von der Kölner Ratsleitung, der neuen "rot-grünen" Bundesregierung nicht wahrgenommen. DNR-EU-Rundschreiben, Sonderteil "Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 1999", 6/99
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Agenda 2000
Anlässlich der Debatte im deutschen Bundestag über den Agrarbereich der Bundesregierung haben der Naturschutzbund und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft das Verhandlungsergebnis zur Agenda 2000 scharf kritisiert. Die Agrarreform greife zu kurz und liefere keine Grundlage für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. DNR-EU-Rundschreiben, 6/99
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EU-Gerichtshof: schwedische Niederlage bezüglich Emissionsabgaben im Flugverkehr
Der EU-Gerichtshof hat in einem Urteil Anfang Juni die von Schweden im Zeitraum 1995-96 erhobene Steuer auf Kerosin als unrechtmässig erklärt. Das Gericht wollte der Argumentation der schwedischen Regierung nicht folgen, dass die Steuer deswegen rechtmässig sei, weil sie sich nicht auf den Treibstoff selber, sondern auf die verursachten Mengen von Kohlendioxid und Kohlenwasserstoffen bezöge, und damit nicht gegen die Kerosinsteuerbefreiung unter der EU-Mineralölsteuerrichtlinie verstossen würde. DNR-EU-Rundschreiben, 6/99
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Wüstenbildung schreitet fort
Nach Schätzungen der UNO sind weit über 1 Milliarde Menschen (etwa 20% der Weltbevölkerung) und ca. 1/3 aller landwirtschaftlich nutzbaren Flächen der Erde von Bodendegradation und damit von Wüstenbildung betroffen. Nicht nur Afrika (Sahelregion, Ost- und Südafrika), sondern vor allem auch Zentralasien (Aralsee-Region) und Südasien (Indien), Lateinamerika (grosse Teile Argentiniens), aber auch Nordamerika, Australien und der Süden Europas sind betroffen. Wüstenbildung zieht eine Reihe von Folgen nach sich, vor allem die Gefährdung der Nahrungsmittelversorgung, da die Böden ihre Nährstoffe verlieren. Desertifikation führt aber auch zu sozialem Elend, politischer Instabilität und internationaler Migration, bedroht die Artenvielfalt und belastet das globale Klima durch die Freisetzung von immensen Mengen von Klimagasen, vor allem CO2. Die Bekämpfung der Desertifikation verlangt abgestimmte Anstrengungen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und ist auch im Interesse nicht direkt betroffener Länder. Auch die Industrieländer des Nordens, vor allem die EU, werden für die weltweit fortschreitende Desertifikation verantwortlich gemacht, da sie wesentlich die Bedingungen des Weltmarktes bestimmen und die internationalen Handelsströme lenken. So sind beispielsweise Bauern im westlichen und südlichen Afrika nicht in der Lage, mit importierten und hochsubventionierten EU-Agrarexporten zu konkurrieren. Um ihre Einkommensverluste zu kompensieren, wenden sie Bewirtschaftungsweisen an, die ihre Produktionsgrundlage, den Boden, zerstört, statt ihn zu erhalten. DNR-EU-Rundschreiben. 6/99
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Schwache Klimastrategie
Eineinhalb Jahre nach der 3. Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Kyoto sind die Diskussionen um die Umsetzung des dort beschlossenen Kyoto-Protokolls in der EU nicht wesentlich vorangekommen. zwar stehen seit Dezember 1997 zumindest die Reduktionszahlen bzw. der Zeitraum fest, der den Vertragsstaaten zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen bleibt. Wie allerdings Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase auf nationaler bzw. auf EU-Ebene erreicht werden sollen, steht noch in den Sternen. Das von der EU-Kommission am 19.5.99 vorgelegte Papier bleibt bei der Wiederholung von Allgemeinplätze stehen. Laut Kyoto-Protokoll muss die EU ihre Treibhausgas-Emissionen um 8% in dem Zeitraum von 2008 bis 2012 reduzieren. DNR-EU-Rundschreiben, 6/99.
Ich bin nicht sicher, ob Kioto eine neue Schreibweise ist. In meinem Atlas heisst es Kyoto
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Nahrungsmittel-Skandale
Zuerst der Rinderwahnsinn aus Grossbritannien, dann der Dioxinskandal in Belgien. Im August 99 mussten die EU-Konsumenten zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen EU-Mitgliedstaaten Tierfutterhersteller ihren Produkten Klärschlamm beimischen. Die nationalen Behörden erklären jeweils beruhigend, die Angelegenheit werde untersucht, aber für den Konsumenten bestünden keine gesundheitlichen Probleme. Bei diesen Erklärungen geht es indessen oft um die Interessen der Exportwirtschaft (NZZ. 26.8.99). Dieser Punkt verweist auf einen strukturellen Aspekt dieser Affären. Während in vornehmlich auf Selbstversorgung ausgerichteten Agrarmärkten die Konsumenten die Politiker wählen, die für die Kontrollen von Lebensmitteln verantwortlich sind, ist dies bei einer exportorientieren Landwirtschaft nicht mehr der Fall. Entsprechend sinkt die Lust auf wirksame Kontrollen, was wiederum das Vertrauen auch der inländischen Konsumenten in die eigenen Kontrollinstanzen sinken lässt. Es kommt die Forderung nach stärken Kontrollen auf EU-Ebene auf. Dies zeigt deutlich: durch Probleme, die die EU-Integration schafft, kann sie Problemdruck schaffen, der sie und ihre Zentralisierungstendezen stärkt. Die EU-Kommision versucht denn auch, mehr Gelder für die Kontrolltätigkeit der Kommission zu beschaffen.
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"Rettet" die EU ein schwedisches AKW?
Der schwedische AKW-Betreiber Sydkraft wehrt sich mit Händen und Füssen gegen die staatlich verordnete Schliessung eines Reaktors in Barsebäck in der Nähe der südschwedischen Stadt Malmö. Im Juni hatte das oberste Verwaltungsgericht der Regierung grünes Licht zur Stillegung der Anlage gegeben. Sydkraft hinterlegte zwei Klagen in Brüssel: in der ersten wird geltend gemacht, die Stillegung von Barsebäck 1 würden den Konkurrenten Vattenfall begünstigen, der sich in staatlichem Besitz befinde. Der Beschluss verstosse daher gegen EU-Wettbewerbsrecht. Die zweite Klage unterstreicht, der schwedische Staat hätte den Rechtsbeschluss zur Stillegung vom EU-Gerichtshof prüfen lassen müssen. NZZ. 28./29.8.99. Die Affäre zeigt, wie private Interessen die EU-Ebene einspannen können, um die demokratisch durch eine Volksabstimmung legitimierte Politik einer Regierung zu verzögern oder unter Druck zu setzen.
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Legehennen - trister Kompromiss
Nach jahrelangen Verhandlungen einigen sich die EU-Agrarminister auf strengere Tierschutz-Anforderungen bei der Haltung von Legehennen: Der Kompromiss sieht ein Verbot herkömmlicher Käfige ab dem 1. Januar 2012 (!!!) vor . Bau und Inbetriebnahme solcher konventioneller Lege-Batterien werden ab dem 1. Januar 2003 untersagt. Von diesem Zeitpunkt an wird die vorgeschriebene Mindestfläche der Käfige um 100 auf 550 Quadratzentimeter vergrössert (d.h um 10 mal 10 cm !!!!) . Festgelegt werden zudem Anforderungen an alternative Haltungsverfahren (EUmagazin, 9/1999
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Öko-Tierhaltung
Die unterschiedlichen teilstaatlichen Bestimmungen über die ökologische Tierproduktion werden von der EU vereinheitlicht. Der EU-Agrarrat beschloss deren Einbezug in die EU-Öko-Verordnung, die bislang auf den Pflanzenbau beschränkt war. Für Bio-Tierhaltung gilt ein generelles Verwendungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, Futtermittel eingeschlossen. Untersagt ist der Einsatz von Antibiotika und sonstigen Leistungsförderern. Der Mindestanteil von biologischem Futter an der Tagesration muss bloss 75% betragen. Pro Hektar dürfen höchstens zwei Milchkühe, 14 Schweine oder 580 Hühner gehalten werden. Geregelt werden Mindestgrösse und Ausgestaltung der Stallungen sowie Konditionen für den Übergang von konventioneller zu ökologischer Tierhaltung. EUmagazin, 9/1999
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Mezzogiorno - Steuerbegünstigungen durch Brüssel gefährdet
Nach den Angaben der OECD generierte der Norden Italiens 1997 drei Viertel des Bruttoinlandprodukts und 90% der Exporte. Die Löhne lagen im Norden um durchschnittlich 56% über jenen des Südens. Rom hat die Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren kaum mehr nach den Bedürfnissen des Südens gestaltet. Die zu Beginn der neunziger Jahre eingeleitete Sanierung der öffentlichen Finanzen (Maastrichter Konvergenzkriterien) und die Bekämpfung der Geldentwertung traf den an staatliche Subsidien gewöhnten Mezzogiorno besonders hart. Verheerend war besonders der Einbruch in der Beschäftigung. Jetzt will die italienische Regierung einen neuen Versuch unternehmen, um dem entwicklungsbedürftigen Süden zu mehr Wachstum und Beschäftigung zu verhelfen, und möchte im Süden angesiedelte Unternehmen fortan mit steuerlichen Anreizen dazu animieren, Investitionen und Beschäftigung zu erhöhen. In Brüssel löste die Idee Stirnrunzeln aus. Gemäss Berichten in italienischen Medien hat die EU-Wettbewerbsbehörde signalisiert, dass sie das fiskalische Entlastungsprogramm Roms vor dem Inkrafttreten einer genauen Prüfung unterziehen wird; die nach Regionen differenzierenden Steuerquoten könnten von der EU-Kommission als wettbewerbsverzerrend - und somit als unzulässig - beurteilt werden. NZZ. 16.8.99
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Spitzenstellung in Altersvorsorge
Wegen der zweiten Säule nimmt die Schweiz im europäischen Vergleich bei der Altersvorsorge unangefochten den Spitzenplatz ein. Laut einer vergleichenden Publikation von Eurostat zahlten Schweizer 1997 umgerechnet 21.13 Mrd. Euro in Pensionskassen ein, was pro Beitragszahler einer jährlichen Summe von fast 11'000 Fr. entspricht. Damit liegt die Schweiz, obwohl bevölkerungsmässig bedeutend kleiner, noch vor Grossbritannien und vor Deutschland, wo im Vergleichsjahr 19,4 Mrd. Euro beziehungsweise. 15,6 Mrd. Euro in Pensionskassen abgezweigt wurden. NZZ. 18.6.99
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Gewichtsverlust der Sozialpartner
Nicht nur die Parteien, sondern auch die Regierung konnte, nach dem 1995 erfolgten Beitritt Österreichs zur EU, ihre Position gegenüber den Sozialpartnern stärken. Bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in Landesrecht ist sie der zentrale Adressat Brüssels. NZZ. 19./20.6.99 (S. 29).
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Rückgang der Rüstungsaufwendungen
Der weltweite Abwärtstrend bei den Militärausgaben seit Ende des kalten Krieges hat sich 1998 fortgesetzt. Dies geht aus dem Jahresbericht des Stockholm International Peace Research Institute hervor. Die Militär-Etats aller Staaten sanken 1998 im Vergleich zum Vorjahr um 4.5 % auf 745 Milliarden Dollar. Seit 1987 sind diese Ausgaben damit um mehr als ein Drittel gesunken. Sie betrugen im vergangenen Jahr 125 Dollar pro Kopf der Erdbevölkerung und machten 2,6 % aller Bruttoinlandprodukte aus. Wichtigster Grund für den erneuten Rückgang der Militärausgaben war laut dem Institut ein scharfer Einschnitt im russischen Verteidigungsetat. Die USA geben mehr als einen Drittel aller weltweiten Rüstungsausgaben aus. Die einzige Region der Welt mit einer klaren Tendenz zur Aufrüstung war 1998 Asien. Hier sind die Rüstungsausgaben in den vergangenen Jahren um 27% gestiegen. Peking gebe 75% mehr für militärische Zwecke aus als offiziell verkündet. NZZ. 18.6.99
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Kiews Angst vor neuer Teilung Europas
Der ukrainische Präsident Kutschma warnte anlässlich eines Treffens von Anrainerstaaten der Ostsee und des Schwarzen Meeres in der ersten Septemberhälfte in Jalta vor einer Teilung Europas als Konsequenz der Osterweiterung der EU. Infolge unterschiedlicher Ausgangsbedingungen seien die europäischen Staaten nicht gleichermassen in den Prozess der europäischen Integration eingebunden. Es bestehe die Gefahr, dass der Eiserne Vorhang durch einen zwar humaneren, doch ebenso gefährlichen Papier-Vorhang ersetzt werden. Erst jüngst hatte die Slowakei angekündigt, in Absprache mit Tschechien einen Visumszwang für Ukrainer möglicherweise bereits zum Jahresende einzuführen. Gegen die Osterweiterung der Nato sprach sich der Vertreter Russlands, der Erste Stellvertretende Ministerpräsident Christenko, aus. Nachdem Russland die Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn in die Allianz vor knapp einem halben Jahr scharf kritisiert hatte, lehnt Moskau laut Christenko eine weitere Ausdehnung des Einflussbereiches der Nato auf die baltischen Staaten und die Regionen im Südwesten Europas ab. Dies würde neue Trennlinien schaffen und in keinem Fall zur Sicherheit in Europa beitragen. NZZ. 14.9.99
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Arbeitsmarkt EU
Der EU-Arbeitskommissar Padraig Flynn legte in der ersten Septemberhälfte 99 arbeitsmarktpolitische Daten der EU vor. 1998 seien in der EU 1,8 Mio. Arbeitsplätze geschaffen worden (wie viele vernichtet wurden erwähnte er nicht). Die Arbeitslosenquote der EU ist im Juli auf 9.3% gegenüber 10.0% im Vorjahresmonat gesunken. Die Beschäftigungsrate erreichte 1998 61% (USA und Japan: über 70%). Flynn wies darauf hin, dass der vierjährige wirtschaftliche Aufschwung nur wenig zur Verbesserung der Beschäftigungsrate beigetragen habe. Bei den Frauen liegt die Beschäftigungsrate mit 51% 20% unter dem der Männer. Die Rate bei älteren Arbeitnehmern (zwischen 50 und 64 Jahren) liegt bei 47,5%. Nur wenige EU-Staaten hätten Fortschritte bei der Senkung der hohen Zahl von Langzeitarbeitslosen erzielt. NZZ. 9.9.99
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Wirtschaftsverband gegen EU-Beitritt
Die Schweizerische Gesellschaft für chemische Industrie (SGCI) ist aus heutiger Sicht gegen einen Beitritt der Schweiz zur EU. In einem Anfangs Juli 99 veröffentlichten Papier plädierte sie hingegen für die bilateralen Verträge und die Fortsetzung des bisherigen Kooperationsmodells. Hinter dem Papier stehen Konzerne wie Roche oder Novartis. Für den Beitritt sprechen laut SGCI-Papier der (1) Wegfall der Warenkontrolle an der Grenze, was einer 0.5% Entlastung des Warenwertes entspreche, (2) Beteiligung bei der Zulassung von Medikamenten; Anerkennung von Registrierung; (3) keine Wechselkursschranken (gesamtwirtschaftliche Einsparungen 1,5 Mrd. Fr. im Jahr); (4) keine Doppelbesteuerung auf Dividenden (Ersparnis 200-300 Mio. Fr. im Jahr), (5) Zugang zum billigeren Energiebinnenmarkt. Gegen den Beitritt sprechen laut SGCI: (1) Höhere Zölle bei Einfuhren aus Drittstaaten, (2) Übernahme des EU-Aussenhandelsrechts; (3) Angleichung der Statistik an den "EU-Wildwuchs"; (4) Übernahme des sozialen "acquis", (5) tiefgreifende Änderung der Finanzordnung (Mehrwertsteuersatz von 15%, Erhöhung der Staatsquote), (6) drohende Aufhebung des Bankgeheimnisses, (7) Verlust der geldpolitischen Souveränität; ( zusätzliche Zinsbelastung von 11,5 Mrd. Fr. im Jahr. NZZ. 3./4.7.99
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Jahresbericht des Uno-Entwicklungsprogramms UNDP
Die Kräfte der Globalisierung haben im Urteil des UNDP einen beispiellosen Reichtum für jene geschaffen, denen es gelang, deren Vorteile zu nutzen. Es habe sich ein immer tieferer Keil zwischen die reicheren und viele der ärmeren Länder sowie zwischen die Menschen innerhalb der einzelnen Länder getrieben. In 85 Ländern gehe es den Menschen in mehrfacher Hinsicht schlechter als noch vor zehn Jahren. NZZ.13.7.99
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Weitere Liberalisierung des Welthandels
Die alte EU-Kommission gab Anfangs Juli ihre Vorstellungen zur nächsten multilateralen Verhandlungsrunde (Millenium Round) zur Liberalisierung des Welthandels bekannt. Der Millenium Round wird im November in Seattle eröffnet und soll im Prinzip maximal drei Jahre dauern. Die Traktanden-Liste dieser neunten Welthandelsrunde ist noch offen. Stellvertretend für die 15 EU-Mitgliedstaten schlug die Brüsseler Kommission vor, dass weitere Zollsenkungen auf allen Gebieten, also auch in der Landwirtschaft, angestrebt werden. Im Landwirtschaftssektor sollen zudem Zollkontingente erhöht werden. Es sollen besonders im Textilbereich Handelshürden eliminiert werden. EU-Kommisar Leon Brittan betonte an der Pressekonferenz in Brüssel, bei der nächsten Runde müssten nicht nur die teilnehmenden Staaten, sondern auch die öffentliche Meinung von den Vorteilen der weiteren Liberalisierung überzeugt werden. Die EU will sich deshalb dafür einsetzen, dass die reichen Staaten für Importe aus den ärmsten Entwicklungsländern sämtliche Zollhindernisse wegräumen. Zudem müssten auch Umwelt- und Gesundheitsschutzüberlegungen einbezogen und sozialpolitische Konsequenzen der Liberalisierung Rechnung getragen werden. NZZ.9.7.99
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Schweizer Mineralwasser
Der Verkaufserfolg von Schweizer Süsswassern in der EU hat die Union auf den Plan gerufen. Die EU erwägt auf Grund der ungewöhnlich hohen Zunahme der Einfuhren Schutzmassnahmen. Es drohe laut EU ein Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen. Insbesondere die Ausfuhr nach Frankreich habe im letzten Jahr stark zugenommen. Die Exporte von Süsswassern seien gegenüber dem Vorjahr von 4.5 Millionen Liter auf 36.9 Millionen Liter angestiegen. Die gesamte Schweizer Süsswasser-Ausfuhr in die EU habe von 57 Millionen Liter auf 93 Millionen Liter zugenommen. AP, 9.9.99.
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Maschinenindustrie
Bei den Inlandbestellungen hat sich der Negativtrend der letzten drei Quartale verstärkt (-19,2% im 2. Quartal und -12.6% kumuliert im ersten Halbjahr 1999). Im Vergleich zur Vorjahresperiode blieben die Exporte der Maschinen-Industrie im ersten Halbjahr 1999 fast unverändert. Die Ausfuhren in die Länder der EU nahmen um 1.1% zu und machen 65.9% der Exporte aus. Mit 3.5% überdurchschnittlich entwickelte sich der grösste Absatzmarkt, Deutschland. Die Aufuhren in die USA konnten nach bereits starker Zunahme 997 (+ 22.3%) und 1998 (+9,6%) in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um weitere 11,9% gesteigert werden. Die Ausfuhren nach Asien gingen weiterhin zurück (nach - 20.5% im gesamten letzten Jahr und -8,4% im 1. Quartal 1999). Pressedienst ASM, 23.8.99
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Ständige Vertreter - noch nie eine Frau
In 41 Jahren Europäischer Gemeinschaft hat kein Mitgliedstaat je eine Frau in den Kreis der Ständigen Vertreter nach Brüssel entsandt. In ihrem vertrauten Männerzirkel stellen die EU-Botschafter der Mitgliedstaten die Weichen für die wichtigsten Ratsbeschlüsse. EUmagazin, 9/1999
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EU-Gerichtsurteil gegen Belgien
In Belgien wurde1981 ein Gesetz eingeführt, dass es erlaubte, den Arbeitgebern für jeden von ihnen beschäftigten Arbeiter eine Verringerung ihres Sozialversicherungsbeitrags zu gewähren. 1993 wurden mit diesem Programm für diejenigen Arbeitgeber, die überwiegend in einem dem internationalen Wettbewerb am stärksten ausgesetzten Wirtschaftszweig tätig waren, die Beitragsermässigungen je Arbeiter angehoben. Diese Ermässigungen wurden 1994 erneut angehoben und ausgedehnt. Mit einer Entscheidung von 1996 stufte die EU-Kommission die erhöhte Ermässigung als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe ein. Sie forderte Belgien auf, die unzulässiger weise gezahlten Beihilfen von den begünstigten Unternehmen zurückzufordern. Belgien focht diese Entscheidung vor dem EU-Gerichtshof an. Der Gerichtshof entschied im Urteil vom 17. Juni 1999 (Rs C-75/97) gegen Belgien. EUmagazin, 9/1999
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EU-Abkommen mit Kaukasus-Ländern
Sechs Länder im Kaukasus und in Zentralasien sind durch Partnerschafts- und Kooperationsabkommmen mit der EU verbunden worden. Die Abkommen mit Armenien, Aserbeidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan haben zunächst eine Laufzeit von 10 Jahren. Ziel ist es, die sechs Länder durch einen politischen Dialog und eine verstärkte Zusammenarbeit näher an die EU heranzuführen. NZZ. 2.7.99
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Grossbetrug mit EU-Subventionen in Spanien
In Spanien ist ein Betrug mit EU-Subventionen in Höhe von rund 18 Mio. DM aufgedeckt worden. Das spanische Landwirtschaftsministerium war misstrauisch geworden, als neue Firmen Subventionen für Olivenöl forderten, aber keine Produktionskapazitäten besassen. Ausserdem seien wahrscheinlich Unternehmen der Olivenöl-Pressung in den Betrug verwickelt und hätten Urkunden gefälscht. Es handle sich um ein Netzwerk, dass ausschliesslich zur Erlangung der Subventionen aufgebaut worden sei. NZZ. 5.8.99
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Duty free abgeschafft
Die EU hat den steuerfreien Einkauf etwa auf Flughäfen innerhalb der EU abgeschafft. Die Betreiber von Duty-free-Geschäften in Zürich und Genf versprechen sich davon ein Ansteigen ihrer Geschäfte. Die Auswirkungen auf den Basler Flughafen sind noch unklar. In der EU erwarten die bisherigen Betreiber des Duty-free-Geschäfts Milliardenverluste. Der Betreiber des Tunnels zwischen Frankreich und Grossbritannien erzielte z.B. 30% seines Umsatzes aus dem Handel mit steuerfreien Waren. Wegen der zu erwartenden Einbussen wurden die Preise im Shuttle-Verkehr um durchschnittlich 25% erhöht. EU-weit fürchtet die Branche einen Verlust von 140'000 Arbeitsplätzen. NZZ. 1.7.99
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EU-Parlament zur Jugendpolitik
"In der Erwägung, dass der Erfolg des europäischen Integrationsprozesses zum grossen Teil auf dem Engagement und dem Enthusiasmus der 140 Millionen jungen Menschen beruht, die in der Europäischen Union leben" bekräftigt das EU-Parlament "die grundlegende Rolle, die ein offeneres, stärkeres und dauerhaftes Engagement der Jugendlichen beim Aufbau Europas bei der politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Union selbst spielen kann" Entschliessung zu einer Jugendpolitik für Europa. EU-Parlament, A4-0100/99. Man beachte die bemerkenswerte Syntax im zweiten Zitat)
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EU-Regionalpolitik - ein Strukturanpassungsprogramm
"EU-Regionalpolitik - sie ist das grösste Strukturanpassungsprogramm, dient der Durchführung von Konzerninteressen und dem grossangelegten Mittelablfuss, finanziert Teile der Transeuropäischen Netze (TEN) und produziert Industrieruinen" (Stefan Rostock, DNR-EU-Rundschreiben 7+8/99).
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EU/US-Frühwarnsystem
Bei ihrem Gipfeltreffen vom 21. Juni in Bonn haben sich die Regierungschefs der EU und der USA auf die Etablierung eines "Frühwarnsystems" geeinigt, mit dem schon in einer frühen Phase von Gesetzgebungsverfahren mögliche Streitpunkte mit der jeweils anderen Seite auf dem Verhandlungswege ausgeräumt werden. Der Transatlantische Wirtschaftsdialog (TABD; von der EU-Kommission und der US Handelsabteilung lanciertes Gremium, in dem Multis einsitzen) hatte in Lobbygesprächen ein solches Frühwarnsystem gefordert. Umwelt- und Verbraucherorganisationen sowie Gewerkschaften kritisierten ein solches System dagegen als den Versuch, politische Probleme auf technokratischer Ebene und damit an den Betroffenen vorbei zu "lösen". Das erste Arbeitsfeld, auf dem die neue transatlantische Kooperation angewandt werden soll, ist das der Gentechnik. DNR-EU-Rundschreiben, 7+8/99
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Verordnung zur Hilfe an beitrittswillige Länder (EG 1266/1999)
Der Europäische Rat in Luxemburg hatte eine deutliche Erhöhung der Heranführungshilfen für die Beitrittsländer ausgesprochen. Finanziert werden sollen unter anderem auch Verkehrsinfrastrukturmassnahmen zu einer "nachhaltigen Mobilität" sowie der Ausbau der nationalen Netze und ihrer Verbindung zu transeuropäischen Netzen. Diese Sprachregelung zeigt, wie weit der Begriff der Nachhaltigkeit in der EU bereits pervertiert wird. DNR-EU-Rundschreiben, 7+8/99
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Europäischer Rat in Köln - Beschäftigung
Der von Bundeskanzler Schröder ursprünglich zum Hauptthema des Kölner Treffens erhobene "Beschäftigungspakt" hat keine konkreten neue Initiativen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf europäischer Ebene gebracht. Beschlossen wurde lediglich eine bessere Koordinierung der Geld-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Die einzige wirkliche Neuerung gegenüber den Luxemburger Leitlinien zu mehr Beschäftigung vom Dezember 1997 ist die Aufnahme der Zielsetzung von mehr Wirtschaftswachstum und die Einführung eines "makroökonomischen Dialogs", in dem die EU-Sozialpartner, Finanzpolitiker und Vertreter der EU-Zentralbank regelmässig darüber beraten sollen, wie die Beschäftigungssituation verbessert werden kann. Beratungen und Deklarationen - statt Aktionen - angesichts von 16 Millionen deklarierten Arbeitslosen nicht gerade vielversprechend. EUmagazin, 7+8/99.
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Europäischer Rat in Köln - Verteidigungsunion
"Der einstige Stolz der EU, eine ausschliesslich nicht militärische Organisation zu sein, ist von der EU in Köln endgültig zu Grabe getragen worden. Und mit ihm das Bewusstsein, dass die Europäischen Gemeinschaften als politische Friedensantwort auf die europäischen Bruderkriege gegründet wurde" (EUmagazin, 7+8/99, S. 4). Gleich zum Auftakt ihrer zweitägigen Beratungen auf dem EU-Gipfel in Köln haben sich die Staats- und Regierungschefs auf konkrete Schritte zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geeinigt. Mit Zustimmung der vier neutralen Länder Finnland, Irland, Österreich und Schweden wurde beschlossen, die Westeuropäische Union (WEU) als europäisches Verteidigungsbündnis innerhalb der NATO bis Ende 2000 in die EU zu integrieren. Damit soll erreicht werden, dass die EU-Staaten in Zukunft auch militärisch gemeinsam auftreten können und ohne die Unterstützung der USA in der Lage sind, "friedenserhaltende Massnahmen" in Europa durchzuführen. Diese gemeinsame Militärpolitik soll mit einer besseren Abstimmung bei der Entwicklung und Beschaffung der Waffensysteme und einer Erweiterung der Kapazitäten in der EU-Rüstungsindustrie und der technologischen Forschung verbunden sein. Mehr "Eigenständigkeit" der EU müsse auch durch den Ausbau der Kapazitäten bei der militärischen Aufklärung und dem Ausbau der Lufttransportkapazität zum Ausdruck kommen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Konflikte und Kriege auf dem Europäischen Kontinent müsse die Union schnell und wirkungsvoll handeln können, heisst es denn auch in dem auf dem Gipfel verabschiedeten Dokument.
In Brüssel soll ein ständiges Gremium aus politischen und militärischen Fachleuten eingerichtet werden, das ergänzt wird durch einen speziellen EU-Militärausschuss und einen EU-Militärstab, einschliesslich eines Lagezentrums. Die ausdrückliche Zustimmung der "neutralen" oder - wie sie sich in jüngster Zeit selber bezeichnen - "allianzfreien" Länder zur gemeinsamen EU-Sicherheitspolitik wurde dadurch ermöglicht, dass sie sich zwar an allen Massnahmen beteiligen könne, aber nicht müssen. Auch tritt der Artikel 5 des WEU-Vertrags, der eine gegenseitige Beistandsverpflichtung vorsieht, für diese Länder nicht in Kraft. Dadurch können diese Länder ihren "neutralen" Status wahren. EUmagazin, 7+8/99
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Lipponen: "Die einflussreichen Ländern der EU machen was sie wollen".
"Spiegel: Die zuletzt getroffenen Personalentscheidungen haben bewiesen, dass die einflussreichen Länder machen was sie wollen, wenn es um Macht geht. Lipponen: Das stimmt und ist gefährlich". (Spiegel, 30/99, S. 149). (Paavo Lipponen, finnischer Premierminister).
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Sprachstreit
Gerhard Schröders Versuch, innerhalb der EU bei informellen Ministertreffen Deutsch als Konferenzsprache zu etablieren, ist vorerst gescheitert. Schröder wies darauf hin, auch in der Vergangenheit seien Veranstaltungen dieser Art üblicherweise ins Deutsche übersetzt worden, obwohl die offiziellen Sprachen Französisch und Englisch sind. Es sei deshalb "eine gravierende, für Deutschland nicht hinnehmbare Veränderung der gängigen Praxis", wenn darauf verzichtet würde. Die Finnen lehnten es ab, beim Treffen der Industrie- und Wirtschaftsminister an einem Treffen Anfangs Juli 99 alle inoffiziellen Begegnungen ins Deutsche übersetzen zu lassen. Deutschlands Wirtschaftsminister Werner Müller sagte seine Teilnahme daraufhin aus Protest ab. Die bereits angereiste österreichische Delegation wurde von ihrer Regierung zurückbeordert. Finnland verweist darauf, dass nur bei 4 von 14 Ministerratstreffen keine deutsche Übersetzung vorgesehen waren. Die Finnen fürchten vor allem eine Initiative Spaniens, Italiens und der Niederlande, die darauf beharren, dass ihre Sprachen auch in das sogenannte Sprachregime aufgenommen werden, falls Deutsch reguläre Arbeitssprache wird. Spiegel, 5.7.99 (S. 19).
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Neue EU-Kommission
Wegen Geldverschwendung und Missmanagement bei der milliardenschweren Agrarforschung geriet der österreichische EU-Agrarkommissar Franz Fischler, der auch der neuen EU-Kommission angehören wird, im August unter Druck. Ein vertraulicher Report des EU-Rechnungshofes vom 20. Juli zeigte auf, dass Forschungsprojekte doppelt subventioniert und Vertragssummen ungerechtfertigt erhöht wurden. Es wurden massenweise rückdatierte Verträge, exzessiv überhöhte Gebührenabrechnungen und Personalmauscheleien entdeckt. Von diesen Korruptionsfällen müsste Fischlers Agrardirektion gewusst haben. Auch bei anderen künftigen EU-Kommissaren ergaben sich Probleme: der französische Sozialist Pascal Lamy war zwischen 1985 und 1994 Kabinettschef des Kommissionspräsidenten Jacques Delors und für den kommissionsintern verrufenen Sicherheitsdienst verantwortlich. Gegen einige der damaligen Sicherheitsleute ermittelt heute die Brüsseler Justiz wegen Ausschreibungsmanipulationen. (Spiegel, 32/1999, S. 17). Die zweite Vizepräsidentin der Kommission, Loyola de Palcio (Zuständigkeitsbereiche: Beziehungen zum EU-Parlament, Verkehr und Energie) machte sich bisher vor allem als Subventionsjägerin für die spanischen Olivenölproduzenten einen Namen. Nach ihrer Nominierung machte sie keinen Hehl daraus, dass sie auch als Kommissionsmitglied spanische Interessen nicht aus den Augen verlieren will (obwohl die Satzungen die ausdrücklich verbieten). Die neue Kommissarin, um deren mutmassliche Mitgliedschaft im Opus-Dei-Orden sich ein undurchsichtiger Schleier rankt, gehörte nach dem Ende des Franco-Regimes zu den Gründungsmitgliedern der heutigen Konservativen Volkspartei und war erst Generalsekretärin von deren Jugendorganisation. Noch immer nicht ausgeräumt ist der Skandal um möglicherweise illegal kassierte Flachs-Subventionen in Millionenhöhe, in den hochrangige Beamte des von ihr geleiteten Ministeriums verwickelt sind (EU-Magazin, 9/1999).
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Ein Blick von aussen
Ein Blick von aussen ist oft ungewohnt und lehrreich. Auf der Home-Page des US-amerikanischen "Initiative and Referendum Institute" http://www.iandrinstitute.org/ findet sich unter "In Depth Studies" ein lesenswerter längerer Beitrag über die direkte Demokratie in der Schweiz. Kris W. Kobach, Rechtsprofessor der Universität von Missouri (Kansas City) verfasste einen informativen Artikel mit dem Titel: "The History of Direct Democracy in Switzerland". Unter anderem diskutiert er die oft geäusserte Meinung, die schweizerischen Institutionen der direkten Demokratie seien ein Sonderfall und für anderen Staaten kaum brauchbar. Er verhandelt etwa auch die späte Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz.
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Beerdigt
Kurz nach dem Abgang von Bundesrat Koller wurde der Versuch, die Unterschriftenzahlen bei Initiative und Referendum auf Bundesebene anzuheben, begraben. Offensichtlich war Alt-Bundesrat Koller die treibende Kraft hinter diesem unrühmlichen Vorhaben. Nach dessen Abgang verschwand die Lust der Parlamentarier, sich mit diesem aussichtslosen Vorhaben herumzuschlagen. (Direkte Demokratie)
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Madeleine Kunin zur Präsenz der Frauen in der Schweizer Politik
"Ich bin beeindruckt von der Zahl der Frauen in der Politik in der Schweiz. Ich habe über die Frage nachgedacht, wieso Schweizer Frauen, die erst seit 1971 das Stimmrecht haben, in der Politik aktiver sind als Frauen in den USA, die das Stimmrecht seit 1920 haben. Erstens einmal spielt in der Schweizer Politik Geld nicht so eine grosse Rolle. Unglücklicherweise muss man in den USA viel Geld sammeln, um sich um ein Amt bewerben zu können. Die Distanzen sind in der Schweiz auch nicht so gross, man kann öfters zur Familie nach Hause kommen. Drittens glaube ich, Politik ist in der Schweiz nicht so ein rauhes und hartes Geschäft wie in den USA." Madeleine Kunin, US-Botschafterin in Bern, Berner Bund, 31.7.99.
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Zufriedenheit, dezentrale Strukturen und direkte Demokratie
Bruno S. Frei, Professor der Ökonomie in Zürich, und Alois Stutzer, verfassten ein Papier zum Zusammenhang von direkter Demokratie, dezentralen Strukturen und der Zufriedenheit der Bewohner des entsprechenden Gebietes. Als Grundlage dienten Interview-Daten von 6'000 Befragten in der Schweiz und sie zeigen, dass Individuen um so zufriedener sind, je besser die direktdemokratischen Institutionen in ihrem geographischen Bereich entwickelt sind und je grösser die Kompetenzen dieser direktdemokratischen Institutionen sind. Dieser Effekt ist zwei Gründen zuzuschreiben: einerseits garantiert dezentrale Kompetenzuordnung verbunden mit direkter Demokratie eine besser Erfüllung der Wünsche der Bewohner, anderseits erhöht die Teilnahme (oder die Teilnahmemöglichkeit) direkt das Wohlbefinden. Die englische Vorversion der Studie kann per e-mail oder auch auf Papier beim EM bestellt werden (pdf-Format(Papierversion 2.- + Porto, e-mail-Version Gratis) Die Autoren werden später die Endversion auf dem Internet publizieren. Wir werden darauf verweisen.
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Emmen - keine Sternstunde direkter Demokratie
In Emmen LU gaben sich die Stimmberechtigten das Recht, über die Einbürgerungen an der Urne zu entscheiden. Es handelt sich hier offensichtlich um eine Perversion der direkten Demokratie. Demokratie braucht immer rechtsstaatliche Rahmenbedingungen. Keine direkte Demokratie ohne Rechtsstaat und kein Rechtsstaat, ohne direkte Demokratie (da diese als Teil der fundamentalen Menschenrechte zu betrachten ist). Der Rechtsstaat beinhaltet die Ausschaltung der Willkür bei der Behandlung von Individuen. Die direkte Demokratie besteht darin, dass über die rechtlichen Rahmenbedingungen letztlich die stimmberechtigte Bevölkerung entscheidet. Die Anwendung, die unbesehen der Personen zu erfolgen hat, muss dann über die Verwaltung und die Gerichte erfolgen. Wird aber mit Hilfe von Abstimmungen über die Gewährung von Einbürgerungen entschieden, wird der Willkür freie Bahn gegeben. Die Anwendung von Rechtsprinzipien unabhängig von der Person ist nicht mehr gewährleistet. Das dies der Fall ist, hat sich in Emmen bereits erwiesen. Während seit Jahrzehnten anwesenden und unbescholtenen Ex-Jugoslawen die Einbürgerung verweigert wurde, wurde diese Portugiesen und Italienern gewährt. Die Emmener Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben dadurch auf unrühmlich Weise gezeigt, dass sie die Grenzen des "Neuen Europa" bereits verinnerlicht haben.
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Offizielle Beitritts-Logik
"Strategisches Ziel des Bundesrates ist eine EU-Mitgliedschaft, denn die Regierung hat mehrfach festgehalten, dass die Schweiz nur innerhalb der EU die Gesamtheit ihrer Interessen zur völligen Zufriedenheit wird einbringen können. Der letzte Schritt der schweizerischen Integrationspolitik wird also der Beitritt sein" Monika Schmutz Cattaneo, Informationsdienst EDA, Materialien für Schulen, 50 Jahre Europarat, Sektion Europarat, Gurtengasse 5, 3003 Bern, (Hervorhebungen durch die Redaktion).
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Wahlen Für eine demokratische, friedliche, soziale, ökologisch und menschenfreundliche Zukunft Europas und der Welt müssen wir darauf achten, dass wir das westeuropäische Grossmachtprojekt nicht stärken. Deshalb ist es nötig, die Stimme Gegnerinnen und Gegnern eines EU-Beitritts der Schweiz zu geben. Im Mitte-Links-Lager sind diese bisher in den oberen Parteirängen dünn gesät. Deshalb stehen wir wieder vor dem Dilemma, bei Wahlen in den meisten Kantonen nicht für unsere Anliegen stimmen zu können. Etwas könnten wir allerdings trotzdem tun: wir rufen Kandidatinnen und Kandidaten, deren Haltung zur EU und zum EU-Beitritt wir nicht kennen, an und fragen sie nach ihrer Einstellung. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit zu einer längeren Diskussion. Kandidatinnen und Kandidaten merken so, dass hier ein Potential liegt, das auch vertreten sein möchte. Wenn es in Ihrem Kanton mitte-links Politikerinnen und Politiker gibt, die EU-kritisch sind - um so besser. Vorstandsmitglied des "Forums für direkte Demokratie" Luzius Theiler kandidiert übrigens im Kanton Bern für den Nationalrat und hat zu diesem Zweck eine Home-Page eingerichtet. www.luzius-theiler.ch
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