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Kurzinfos Januar 2012

Kohäsionspolitik auf dem Prüfstand

Wer Europa zukunftsfähig machen will, muss die Förderung umweltschädlicher Subventionen beenden. Die Entwicklung einer umweltverträglichen EU-Förderpolitik ist weiterhin im Rückstand. Mit europäischen Finanzmitteln werden noch immer Projekte gefördert, die der Umwelt schaden, die Übernutzung natürlicher Ressourcen vorantreiben oder die Treibhausgasemissionen erhöhen.

PETER TORKLER UND JULIA STEINERT, WWF DEUTSCHLAND

Mit insgesamt sehr mangelhafter Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung hat die EU 2010 die gescheiterte Lissabon-Strategie abgelöst. Die neue Europa-2020-Strategie soll das Wachstum der EU künftig „intelligent, nachhaltig und integrativ“ gestalten und dabei konkrete Zielvorgaben in den Bereichen Beschäftigung, Innovation, Bildung, soziale Integration und Klima/Energie bis 2020 verwirklichen. Der im Juni 2011 vorgelegte Entwurf zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2014-2020 beinhaltet die strategischen Leitplanken und die einzelnen Budgetposten, die zur Umsetzung der ambitionierten Zielvorgaben der Europa-2020-Strategie beitragen können. Die endgültigen Entscheidungen über die Verwendung der EU -Milliarden werden jedoch in den einzelnen Politikbereichen getroffen. Die Kohäsionspolitik mit geplanten 336 Milliarden Euro ist hierbei der größte investive Finanzposten für die kommende Förderperiode 2014-2020 und nach Ansicht der Kommission das wichtigste Instrument zur Umsetzung der Europa-2020-Ziele. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Ausgabenvolumen entspricht 33 Prozent des gesamten europäischen Haushalts.

Neben Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen hat die Kommission auch die Notwendigkeit eines raschen Handelns zur Bekämpfung des Klimawandels und des stetig zunehmenden Ressourcenverbrauchs sowie des damit verbundenen Verlustes der biologischen Vielfalt erkannt. Verschiedene Ziele zur Bekämpfung dieser Umweltprobleme hat die EU in ihrer neuen Biodiversitätsstrategie und einer Initiative zur Ressourceneffizienz definiert. Die Vorgaben der Europa-2020-Strategie zur Reduktion des CO2-Ausstoßes um 20 Prozent oder 30 Prozent, die Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent und die Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Energien um 20 Prozent sind die bislang konkretesten Vorgaben der künftigen Entwicklung. Europäische Förderpolitik

Im Gegensatz zu diesen positiven strategischen Ansätzen beweisen die im Oktober 2011 von der Kommission veröffentlichten Legislativvorschläge für die Kohäsionspolitik, dass umweltschädliche Investitionen durch die europäische Förderpolitik weiterhin subventioniert werden. Somit herrscht eine starke Kontraproduktivität hinsichtlich der EU eigens gesteckten Ziele vor. Ein Beispiel dafür sind Investitionen für Infrastrukturmaßnahmen. In der laufenden Förderperiode werden 54 Prozent dieser Mittel für den Bau von Straßen und Flughäfen eingesetzt, die eine negative Wirkung auf die CO2-Bilanz haben und unsere Ökosysteme belasten. Nur ein geringer Anteil in Höhe von 29 Prozent fließt in den Ausbau des Schienenverkehrs und nur ein Prozent in Investitionen für intelligente Verkehrsnetze. Zudem sprechen sich die Mitgliedstaaten gegen verbindliche Quoten zur Erreichung der Klimaziele aus und lehnen die Kürzung der Mittel für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in den reicheren europäischen Regionen ab. Aus diesen Umständen folgt, dass auch in der kommenden Förderperiode weiterhin mit umweltschädlichen Subventionen zu rechnen ist.

• Der EU-Ministerrat hat bereits Ende 2009 darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, die Vorteile einer grünen Wirtschaft zu prüfen. Investitionen in eine grüne Wirtschaft würden die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Union stärken, Wachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln und neue Arbeitsplätze schaffen. Der Vorschlag der Kommission für die zukünftige Kohäsonspolitik beinhaltet allerdings auch einige Ansätze, die eine effiziente Verwendung der Fördermittel zugunsten einer umweltverträglichen, nachhaltigen Entwicklung gewährleisten können.

• Mitgliedstaaten fordern mehr Flexibilität

• Es zeichnet sich jedoch gerade ab, dass vor allem in den Bereichen, bei denen die EU-Kommission klare Zielvorgaben und Prioritäten zugunsten der Umwelt setzen möchte, viele Mitgliedstaaten Einwände erheben und die mangelnde Flexibilität der Instrumente anprangern. Aus Sicht des WWF werden hier vier Aspekte von zahlreichen Beispielen hervorgehoben:

• Die Kommission fordert Mindestausgaben für Energieeffizienz und erneuerbare Energien in Höhe von 20 Prozent in reichen und sechs Prozent in ärmeren Regionen. Aus Umweltsicht erscheinen diese Zahlen wenig ambitioniert und spiegeln vielfach den jetzigen Zustand wider. Dennoch wehren sich viele Mitgliedstaaten gegen diese Vorgabe oder äußern Bedenken, ob eine derartige Prioritätensetzung erreichbar wäre.

• Biodiversitätsschutz und Ressourceneffizienz sollten stärker im Fokus stehen. Hierfür bietet nur Ziel sechs „Umweltschutz und Förderung der Ressourceneffizienz“ der elf thematischen Ziele der Allgemeinen Verordnung (Allg.VO) eine gute Grundlage. Leider fehlt die klare Aussage, dass dieser Umweltschwerpunkt in alle operationellen Programme integriert werden muss (siehe Kasten).

• Die neuen Verordnungsentwürfe des Kohäsionsfonds, des EFRE und des ESF liefern einige Ansätze, die Förderung stärker an Vorgaben und Zielerfüllung zu koppeln. Beispielsweise soll es „Ex-ante-Konditionalitäten“ geben. Das sind Bedingungen, die ein Mitgliedstaat innerhalb der ersten zwei Jahre der Mittelzuweisung erfüllen muss. Aus Umwelt- und Naturschutzsicht sollten solche Konditionalitäten stärker auf die europäischen Umweltziele ausgerichtet sein und müssten demnach auch Biodiversität beziehungsweise Natura 2000 und Klimaeffizienz umfassen. Gerade in Ländern mit großen Defiziten sollen diese Konditionalitäten dazu beitragen, die bestehenden rechtlichen Verpflichtungen schneller zu erfüllen. Neu ist auch eine sogenannte „Leistungsreserve“, die aus fünf Prozent der gesamten nationalen Fördermittel besteht und zurückgehalten wird. Die Leistungsreserve wird nach dem Erreichen der im Programm gemeinsam festgelegten Ziele ausgeschüttet. Das ist ein positiver Ansatz. Allerdings ist zu befürchten, dass die Erfüllungsbedingungen so gering angesetzt werden, dass aus Umweltsicht wenig erreicht werden kann.

• Die Kommission setzt sich für eine starke Beteiligung von Umwelt- und Sozialpartnern bei der Vorbereitung und Umsetzung der Förderprogramme auf den unterschiedlichsten Ebenen ein. Sehr positiv ist, dass der Allgemeine Verordnungsentwurf einen Verhaltenskodex für die Mitgliedstaaten vorsieht. Dieser soll bei der Ausarbeitung der Partnerschaftsvereinbarung die Einbindung von lokalen und regionalen Akteuren, darunter Umweltverbände und auch andere Nichtregierungsorganisationen, in den Planungs- und Implementierungsprozess gewährleisten. Auch klare Vorschläge sollten dazugehören, wie Nichtregierungsorganisationen zu stärken sind und der Austausch zwischen den Regionen zu fördern ist. Wesentliche Voraussetzung für eine gute Partnerschaft ist eine hohe Transparenz bei der Programmplanung und -umsetzung. Informationen zum Ablauf, für das Programm relevante Dokumente und Ähnliches müssen auf einer Internetseite für alle Interessengruppen frühzeitig und jederzeit bereitgestellt werden. Hierzu gibt es in einigen Ländern sehr gute Erfahrungen und es wäre wünschenswert, dass ein Verhaltenskodex diese guten Praktiken zu einem gemeinsamen Standard erhebt.

In Deutschland scheint es allerdings nicht erwünscht zu sein aus guten Ansätzen zu lernen, da sich der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vom 19. Dezember 2011 gegen die Erarbeitung eines Verhaltenskodex durch die EU-Kommission ausgesprochen hat: „Eine Ermächtigung der Kommission für delegierte Rechtsakte zur Aufstellung eines Europäischen Verhaltenskodexes zur Umsetzung der Partnerschaft lehnt der Bundesrat ab.“ Dennoch muss abschließend betont werden, dass die künftige Kohäsionspolitik bislang nicht in Stein gemeißelt worden ist. Eine starke Partizipation von Umwelt- und Naturschutzbefürwortern an den Verhandlungen kann die positive Gestaltung der Programme für eine umweltverträgliche Förderpolitik voranbringen.

Der Geograf Peter Torkler ist Referent beim WWF Deutschland und für den Bereich der EU-Regionalpolitik verantwortlich. ww.wwf.de; Die Geografin Julia Steinert ist Referentin beim WWF Deutschland und für den Bereich der EU-Strukturfonds verantwortlich. www.wwf.de; DNR-Themenheft, Geld für die Umwelt, EU-Struktur- und Kohäsionspolitik im Stresstest, Januar 2012.



Strengere Auflagen für Importe aus der EU

Lebensmittel aus der EU sollen in der Schweiz nicht ohne weitere Auflagen verkauft werden dürfen. Nach der Nationalratskommission hat sich auch die zuständige Ständeratskommission dafür ausgesprochen, wieder ein strengeres Regime einzuführen. Die Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK) beschloss mit 6 zu 5 Stimmen, einer parlamentarischen Initiative Folge zu geben, wie die Parlamentsdienste am Freitag, den 20. Januar 2012, mitteilten. Die nationalrätliche Schwesterkommission kann damit einen Gesetzesentwurf ausarbeiten.

Die Ständeratskommission hält allerdings fest, sie möchte die Anwendung des Cassis-deDijon-Prinzips auf Lebensmittel nicht grundsätzlich in Frage stellen. Gewährleistet werden müsse bloss, dass die Qualitätsstrategie der Schweiz dadurch nicht gefährdet und die Information der Konsumentinnen und Konsumenten nicht beeinträchtigt werde. Gemäss dem Wortlaut der parlamentarischen Initiative sollen Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausgenommen werden.

Gemäss diesem Prinzip dürfen Produkte, die in einem EU-Mitgliedstaat hergestellt wurden, in allen anderen Mitgliedstaaten verkauft werden. Seit Juli 2010 gilt das Prinzip — mit gewissen Einschränkungen – auch in der Schweiz: EU-Produkte können ohne weitere Prüfung verkauft werden.

Ein Komitee um den Genfer Winzer Willy Cretegny hatte erfolglos das Referendum dagegen ergriffen. Inzwischen haben die Gegner des Cassis de-Dijon-Prinzips jedoch eine Volksinitiative lanciert. Deren Ziel ist es, die Schweizer Landwirtschaft vor der ausländischen Konkurrenz schützen. Der Bund soll Vorschriften zum Schutz der Inlandproduktion erlassen. Insbesondere soll er den Markt über Zölle und mit Kontingenten regulieren. NZZ, 21. Januar 2012, S. 15


EU-Nanotechnologiepolitik: Nicht alle Nanomaterialien sollen auch so heißen

„Alle Materialien, deren Hauptbestandteile eine Größe zwischen einem und 100 Nanometern (nm) haben, gelten als Nanomaterialien“ – diese Definition hat die Europäische Kommission im November 2011 empfohlen. Nanomaterial wird beschrieben als „ein natürliches, bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Material, das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder als Agglomerat enthält und bei dem mindestens 50 Prozent der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm haben“. Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter. Die Definition stützt sich auf Gutachten des Wissenschaftlichen Ausschusses „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ (SCENIHR) und der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC). Die offizielle Definition ist notwendig, weil die Gesetzgebung entsprechend angepasst werden muss. Eine Überprüfung ist für 2014 vorgesehen.

Das Europäische Umweltbüro (EEB) zeigte sich „tief enttäuscht“ über die „zu enge“ Definition. Die Industrielobby habe sich durchgesetzt. Es gebe auch Materialien mit weniger als 50 Prozent Bestandteilen unter 100 nm mit neuartigen Eigenschaften. Diese könnten nun um entsprechende Sicherheitstests herumkommen, kritisierten die Umweltschützer. Es sei völlig unverständlich, warum die EU-Kommission von den wissenschaftlichen Empfehlungen des SCENIHR abweiche, nach denen sogar Material mit 0,15 Prozent Partikeln unter 100 nm noch als Nanomaterial zu definieren sei. Zudem sage die reine Größe der Partikel nicht unbedingt etwas über ihr Sicherheitsrisiko aus.

EU-Kommission: www.europa.eu/rapid (Reference:IP/11/1202); EEB: www.eeb.org (News – 18.10.2011), umwelt aktuell, Dezember / Januar 2012, S. 10


EU-Verkehrspolitik: Verkehrsnetz nicht nachhaltig

Die EU-Kommission hat im Oktober 2011 ihre Vorschläge für ein einheitliches europäisches Verkehrsnetz (TEN-V) präsentiert. Danach soll der Verkehr über Grenzen hinweg besser fließen. Für die Grünen-Fraktion im Europaparlament sind die Projekte allerdings nicht mit den EU-Zielen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes vereinbar. Im sogenannten Kernnetz sollen nach dem Willen der Kommission die Infrastruktur modernisiert und der grenzüberschreitende Verkehr flüssiger gemacht werden. Mehr Verkehrssicherheit, weniger Staus und komfortableres Reisen sollen so erreicht werden. Die einzelnen Verkehrsträger wie Schiene, Straße oder Wasser sollen besser vernetzt werden. Ein Ziel ist es, die europäischen Eisenbahnen besser an Häfen und Flughäfen anzubinden.

EU-Verkehrskommissar Siim Kallas verspricht sich von den Plänen sowohl positive Auswirkungen auf die Wirtschaft als auch für den Klimaschutz in der EU. Insgesamt will die Kommission 31,7 Millionen Euro zur Anschubfinanzierung des Konzepts „Connecting Europe“ zur Verfügung stellen. Bis 2030 soll das Kernnetz fertig sein.

Die Grünen im Europäischen Parlament lobten zwar, dass dem Ausbau des Schienenverkehrs Vorrang im Kernnetz eingeräumt wurde. Jedoch seien die meisten Großprojekte im TEN-V nicht nachhaltig. Weder würden umweltfreundliche Verkehrsmittel bevorzugt noch die EU-Umwelt- und Klimaziele vorangebracht. Der Löwenanteil der Finanzierung sich auf vier große Infrastrukturprojekte konzentriert: den Brenner-Basistunnel, den Tunnel Lyon-Turin, die Brücke über die Straße von Messina und die feste Fehmarnbeltquerung. Dadurch würden Gelder für kleinere, aber wichtigere Projekte blockiert. EU-Kommission zu TEN-V: www.ec.europa.eu/transport/infrastructure; Memo der EU-Kommission zu „Connecting Europe“: www.kurzlink.de/euverkehrsnetz-ten-v; umwelt aktuell, Dezember / Januar 2012, S. 23

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