Kurzstreckenflüge und EU-Recht Das Verbot von Kurzstreckenflügen wäre eine effektive Maßnahme im Interesse von Umwelt- und Klimaschutz. Doch die EU-Liberalisierungspolitik steht dem im Weg.
Die Distanzen von zwei Drittel der Fluggäste unter 1'000 km
Die Klimabilanz des Flugverkehrs ist katastrophal. Flugverkehr hat im Vergleich zur Bahn je Personenkilometer den 28-fachen Ausstoß an CO2 (1). Es stellt sich die Frage, warum nicht endlich eine der wirksamsten Maßnahmen ergriffen wird: das Verbot von Kurzstreckenflügen. Welche bemerkenswerten Auswirkungen das hätte, kann am Beispiel des Flughafen Wien/Schwechat ausgeführt werden: die Flugdistanz eines Drittels der Passagiere liegt unter 800 Kilometer, zwei Drittel unter 1'000 Kilometer. Gerade Kurzstreckenflüge sind besonders klima- und umweltbelastend, da in der Startphase besonders viel Kerosin verbrannt wird. Mit Investitionen in ein entsprechendes Bahnangebot zwischen den großen Städten, können Distanzen bis zu 1.000 Kilometer durchaus in einer akzeptablen Zeit klima- und umweltschonend mit dem Zug zurückgelegt werden.
EU-Recht contra Klimaschutz
Die Verordnung (EG) 2008/1008 sieht den „freien Streckenzugang“ vor. D.h. die „Durchführung innergemeinschaftlicher Flüge durch ein Luftunternehmen der Gemeinschaft“ kann nicht von der Zulassung oder Genehmigung durch einen Mitgliedsstaat abhängig gemacht werden. Der Artikel 20 bietet zwar ein Schlupfloch: „Im Fall von schwerwiegenden Umweltproblemen kann ein Mitgliedstaat die Ausübung von Verkehrsrechten einschränken oder verweigern.“
Ob er das wirklich darf, ist aber an eine Latte von Bedingungen gekoppelt:
• Andere Verkehrsträger müssen Verkehrsdienste „in angemessenen Umfang zur Verfügung stellen“.
• Die Maßnahme darf den Wettbewerb zwischen den Luftfahrtunternehmen nicht verzerren.
• Und darf nur eine begrenzte Dauer haben, die drei Jahre nicht überschreitet und muss dann erneut einer Überprüfung unterzogen werden.
• Die Maßnahme darf nur dann in Kraft treten, wenn sie zumindest drei Monate vorher der EU-Kommission und allen übrigen Mitgliedsstaaten mitgeteilt wurden und innerhalb eines weiteren Monats kein Einspruch von einem Mitgliedsstaat oder der EU-Kommission eingelegt wurde.
Vor allem der letzte Punkt bedeutet, dass jeder EU-Staat und die EU-Kommission faktisch eine Vetomöglichkeit haben. Es gibt bislang ein Beispiel, wo die EU-Kommission das Verbot eines Kurzstreckenfluges erlaubt hat. Das betraf die Einstellung des Flugverkehrs zwischen Charleroi und Liege in Wallonien. Diese Städte sind jedoch gerade einmal 80 Kilometer voneinander entfernt. Außerdem handelte es sich um eine zeitlich eng begrenzte Maßnahme (nur die Wintersaison 2007/08). Die EU-Kommission hielt ausdrücklich in ihrer Entscheidung fest, dass „neben den Vorteilen für die Umwelt, die Kosten eine Flugverbots zu berücksichtigen seien und diesbezüglich eine Einzelfallprüfung eines jedes eine bestimmte Strecke betreffenden Verbotes erforderlich sei.“(2) So seien etwa „die wirtschaftlichen Interessen der Luftfahrtunternehmen und der Flughäfen zu berücksichtigen“ oder jener Unternehmen, deren „wirtschaftliche Aktivitäten durch die Einschränkung von Geschäftsreisen beeinträchtigt“ würden.
Damit dürfte klar sein: So wie beim Transitverkehr, wo eine wirksame Eindämmung am EU-Gebot des „freien Warenverkehrs“ scheitert, würden entschiedene Maßnahmen zum Verbot von Kurzstreckenflügen wohl ebenfalls am EU-Recht zerschellen. Gerald Oberansmayr, September, 2023, https://www.solidarwerkstatt.at/verkehr/kurzstreckenfluege-verbieten-2
Quellen:
1. Quelle: Umweltbundesamt 2019
2. Zit. nach: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Beschränkung von Inlands- und Kurzstreckenflügen aus Klimaschutzgründen, 5.9.2019
|
Greenpeace-Studie: Bahnnetz in EU schrumpft Die EU setzt mehr auf die Straße als auf ein gut ausgebautes Schienennetz und verspielt dadurch die Möglichkeit, CO2-Emissionen im Verkehrssektor einzusparen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Greenpeace zur Verkehrsinfrastruktur in den 27 EU-Mitgliedstaaten, Großbritannien, Norwegen und der Schweiz.
Das europäische Schienennetz wurde in den letzten drei Jahrzehnten seit 1995 systematisch unterfinanziert und sogar streckenweise zurückgebaut. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt die Studie „Auf dem Abstellgleis“ von Greenpeace in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal-Institut und dem T3 Transportation Think Tank. Im Fokus der Studie stand die Frage, wie sich die Verkehrsinfrastruktur aus Eisenbahnen, Straßen und Flughäfen in Europa - die EU27-Länder, Großbritannien, Norwegen und die Schweiz - seit 1995 verändert hat.
In die Studie eingeflossen sind Daten zur öffentlichen und privaten Finanzierung von Straßen, Eisenbahnlinien und Flughäfen mit einem Passagieraufkommen höher als 150.000 Passagieren pro Jahr. Bei den Eisenbahnlinien wurden sowohl konventionelle, als auch Hochgeschwindigkeitsbahnen sowie in einigen Ländern auch U-Bahnen sowie Straßenbahnlinien berücksichtigt. Auch Daten zur Erweiterung oder Schließung von Bahnstrecken, Autobahnen und Flughäfen wurden analysiert.
Im Gegensatz zu den negativen Entwicklungen im Bahnverkehr wurde die fossile Verkehrsinfrastruktur wie Autobahnen und Flughäfen massiv ausgebaut und die Nachfrage nach „motorisiertem Individualverkehr“ noch zusätzlich angekurbelt, stellt Greenpeace fest. So sei der Verkehrsbereich der einzige Sektor, der noch nicht zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und dem 2050-Ziel der Klimaneutralität beigetragen hat. Der Anstieg der Treibhausgasemissionen in der EU zwischen 1995 und 2019 um 15 Prozent sei zudem vorrangig auf den Straßenverkehr zurückzuführen.
Unterfinanziert wurde das europäische Schienennetz in allen untersuchten Ländern. So wurden im Zeitraum zwischen 1995 und 2018 zwar 1,5 Billionen Euro für den Ausbau der Straßeninfrastruktur ausgegeben, aber nur 930 Milliarden Euro in die Schiene investiert.
In den Jahren 2018–2021 reduzierte sich diese Diskrepanz in den Investitionen zwar, jedoch wurden in zahlreichen europäischen Ländern Bahnstrecken und Bahnhöfe geschlossen. Seit 1995 waren 2.500 Bahnhöfe von Schließungen betroffen, was insbesondere ländliche Gegenden von öffentlichen Verkehrsmitteln abschneidet. Zudem wurden mindestens 13.000 regionale Eisenbahnstrecken stillgelegt, wovon 50 Prozent allerdings ohne größere Anstrengungen wieder reaktiviert werden könnten. Eine detaillierte Auflistung zu betroffenen Strecken hat die „Allianz pro Schiene“ erstellt. Ganz anders sieht es indes beim Straßenausbau aus: Seit 1995 ist die Länge der Autobahnen und Schnellstraßen in den untersuchten Ländern um 60 Prozent gestiegen und umfasst nun insgesamt 82.493 Kilometer.
Die Liste für Ausgaben für die Schiene führt die Schweiz an, von den EU-Mitgliedern belegt Österreich mit 3.723,35 Euro Pro-Kopf-Investitionen den dritten Platz der Rangfolge. Deutschland ist sowohl bei den Stilllegungen der Streckenkilometer für Bahnreisende als auch beim Zuwachs an Autobahnkilometern trauriger Spitzenreiter. Das gesamte deutsche Schienennetz schrumpfte zwischen 1995 und 2020 um 15 Prozent, was etwa 40 Prozent des Verlusts aller europäischen Bahnstrecken ausmacht.
Die Entwicklungen in der europäischen Mobilitäts- und Verkehrspolitik beurteilt Greenpeace als sehr negativ und setzt sich für eine Kehrtwende ein. „Europa spart den klimafreundlichen Schienenverkehr kaputt, während der Kontinent zum Brennpunkt der Klimakrise wird", resümiert Lena Donat, Verkehrsexpertin bei Greenpeace. Das Resultat sei ein marodes Schienennetz und eine „klaffende Lücke beim Klimaschutz“, bedingt durch diese falsche Verkehrspolitik. Laut dem T3 Transportation Think Tank zeige die Studie zudem deutlich, dass der „Straßenbau strukturell übervorteilt wurde und weiterhin wird“. Vom deutschen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) fordert Donat, den Aus- und Neubau von Autobahnen zu beenden und stattdessen wieder mehr in die Schiene zu investieren. EU-News, 21. September 2023,
Greenpeace: Studie auf Englisch in voller Länge. https://greenpeace.at/uploads/2023/09/analysis_development-of-transport-infrastructure-in-europe_2023.pdf
|
Kritische Rohstoffe: Strategische Partnerschaften Das EU-Parlament hat am 14. September 2023 über das Gesetz über kritische Rohstoffe abgestimmt- Lithium, Germanium oder Beryllium…. Die Abgeordneten setzen auf strategische Partnerschaften. Angesichts von Fort- und Rückschritten hinterlässt die Abstimmung bei Umweltverbänden allerdings „gemischte Gefühle“.
Bürokratieabbau, Innovationsförderung, Entwicklung alternativer Materialien, eine verbesserte Kreislaufwirtschaft und ehrgeizige Recyclingziele – so stellen sich die EU-Abgeordneten die Eckpfeiler des „Rahmens zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen“ vor. 515 Abgeordnete stimmten für den Bericht von Nicola Beer (Renew, Deutschland). Damit hat das EU-Parlament seine Position zum im März vorgelegten Vorschlag der EU-Kommission (EU-News 16.03.2023) bestimmt.
Mit strategischen Partnerschaften soll die EU mit Drittländern „auf Augenhöhe“ Verträge über kritische Rohstoffen abschließen, um die Versorgung der EU abzusichern und zu diversifizieren. Es geht den Abgeordneten um „langfristige Partnerschaften mit Wissens- und Technologietransfer, Aus- und Weiterbildung für neue Arbeitsplätze mit besseren Arbeits- und Einkommensbedingungen sowie Gewinnung und Verarbeitung kritischer Mineralien nach besten ökologischen Standards in den Partnerländern“. Und um weniger Abhängigkeit von China und Russland.
Der „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) soll einen stärkeren Fokus auf Forschung und Innovation legen, um Ersatzstoffe zur finden und Produktionsverfahren zu verbessern. Die Abgeordneten wollen Kreislaufwirtschaftsziele festsetzen, um die Rückgewinnung von mehr Rohstoffen aus Abfällen zu fördern. Darüber hinaus soll es schnellere Genehmigungsverfahren und einen Abbau von „Bürokratie für Unternehmen“ geben.
Laut Berichterstatterin Beer werde das Parlament nun Verhandlungen mit dem spanischen Ratsvorsitz aufnehmen, um eine Einigung in erster Lesung zu erzielen, damit die Trilogverhandlungen bis Weihnachten 2023 abgeschlossen sind.
Das Europäische Umweltbüro (EEB) hob als Erfolg die Verabschiedung des wichtigen Änderungsantrags 11 zum Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (FPIC) hervor. Das EEB nannte diesen einen „Leuchtturm für den Schutz der Rechte indigener Völker bei der Planung wichtiger Projekte“. Bergbau-, Raffinerie- und Recyclingprojekte, die als „strategisch“ anerkannt werden wollen – was bedeutet, dass sie schnellere Genehmigungen und mehr Finanzmittel erhalten können – würden dann danach beurteilt, ob sie den von ihren Tätigkeiten betroffenen Gemeinschaften das Recht einräumen, ihre Zustimmung zu Projekten zu geben oder zu verweigern. Dieser eigentliche Erfolg werde allerdings dadurch getrübt, dass FPIC nicht in den Zertifizierungssystemen gestärkt wird und die Rechte indigener Völker im CRMA nicht ausgeweitet wurden. Zumindest gebe es aber die Chance, dass Projekte nicht zu Unrecht als „strategisch“ eingestuft werden.
Weitere Änderungsanträge laufen laut EEB aber lang gehegten Visionen eines grünen und gerechten Übergangs zuwider und stärkten sogenannte übergeordnete öffentliche Interessen, statt der Umwelt und dem öffentlichen Wohl mehr Gewicht zuzugestehen. Während die EU den komplexen CRMA-Prozess vorantreibt, fordert das EEB die Entscheidungsträger auf, sich auf das Hauptziel zu konzentrieren: einen gesellschaftlichen Wandel zu erreichen, der eine gerechte Existenz innerhalb der planetarischen Grenzen gewährleistet.
Auch der WWF hatte vor der Abstimmung gefordert, den Vorschlag der EU-Kommission im EU-Parlament „entscheidend nachzuschärfen“. Europas Rohstoffversorgung dürfe nicht auf dem Rücken Indigener und der Natur erfolgen. Die Anerkennung der internationalen ILO169-Richtlinie zum Schutz indigener Bevölkerungsgruppen müsse ebenso verbindlich ins Gesetz wie ein Verbot von Bergbau in Schutzgebieten. Zudem berge die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für strategische Abbau-Projekte grundsätzlich die Gefahr, Umwelt- und Sozialschutzmaßnahmen potenziell schnell auszuhebeln. EU-News, 15. September 2023
Literatur: https://eeb.org/critical-raw-materials-regulation-vote/
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0325_DE.html
https://www.wwf.de/2023/september/wwf-statement-europaeische-verordnung-zu-kritischen-rohstoffen-im-eu-parlament
|
Grossbritannien beteiligt sich am EU-Forschungsprogramm Horizon Drei Jahre lang waren sich London und Brüssel wegen der britischen Beteiligung am EU-Forschungsprogramm Horizon in den Haaren gelegen. Im Zuge der Streitigkeiten ging Grossbritannien sogar gerichtlich gegen die EU vor und wälzte Pläne, ein globales Konkurrenzprogramm auf die Beine zu stellen.
Am Donnerstag, den 7. September 2023, aber konnten die beiden Seiten nun doch noch eine volle Assoziierung des Vereinigten Königreichs verkünden. Laut der Regierung in London können sich britische Forscher im Rahmen des EU-Programms ab sofort um Fördergelder bewerben und die Leitung von Projekten übernehmen. Britische Wissenschafter reagierten erleichtert. Adrian Smith, der Präsident der Royal Society, sprach von «phantastischen Neuigkeiten für Wissenschafter in Grossbritannien und in der ganzen EU».
Eigentlich hatten sich London und Brüssel bereits im Dezember 2020 im Rahmen des Brexit-Freihandelsabkommens vertraglich auf die britische Assoziierung an dem mit 95,5 Milliarden Euro höchstdotierten Forschungsförderungsprogramm der Welt geeinigt. In der Folge aber verschlechterten sich die Beziehungen rapide. Während der Corona-Pandemie lieferten sich Grossbritannien und die EU einen Wettstreit um Impfstoffe, und Premierminister Boris Johnson drohte, das im Brexit-Vertrag enthaltene Nordirland-Protokoll unilateral zu kündigen.
Ähnlich wie gegenüber der Schweiz setzte Brüssel die Forschungskooperation auch gegenüber London als politisches Druckmittel ein. Erst nachdem Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen Ende Februar im Windsor-Abkommen den Streit um Nordirland feierlich beigelegt hatten, war Brüssel zur Assoziierung der Briten bereit.
Trotz einem Tauwetter auf breiter Front blieb die britische Beteiligung an Horizon Europe monatelang blockiert. London pochte auf finanzielle Zugeständnisse. Die Briten hatten bereits einen substanziellen Teil des von 2021 bis 2027 laufenden Programms verpasst und befürchteten, wegen des verspäteten Starts auch für die Zukunft weniger Fördermittel herausholen zu können.
Nun beteuerte Sunak, er habe gute Bedingungen für die britischen Steuerzahler herausgeholt. Die britische Regierung wird zwar für ihre Beteiligung an Horizon rund 2,43 Milliarden Euro pro Jahr bezahlen müssen. Doch werden London die Kosten für die Jahre 2021 und 2022 erspart, in denen die Briten ausgeschlossen waren.
Zudem spricht Sunak von einer Garantie, dass die verspätete britische Beteiligung an Horizon für das Land nicht zum grossen Verlustgeschäft wird. Als EU-Mitglied hatte Grossbritannien bei früheren Programmen stets deutlich mehr Gelder aus den EU-Forschungstöpfen bezogen als einbezahlt.
Mobilisieren britische Forscher in einem der kommenden Jahre um 16 Prozent weniger Horizon-Gelder, als die Regierung in London eingezahlt hat, wird der britische Finanzbeitrag für das Folgejahr reduziert. Während Sunak diesen «Korrekturmechanismus» als Verhandlungserfolg bezeichnet, sprechen EU-Beamte bloss von der konkreten Umsetzung einer Einigung im Brexit-Freihandelsvertrag von 2020.
Die Brüsseler Beamten wollten sich am Donnerstag nicht zu möglichen Folgen der britischen Assoziierung für die Schweiz äussern. Zwar hat Bern anders als London mit der EU nie eine vertragliche Grundlage für eine Horizon-Assoziierung ausgehandelt. Doch nutzt die EU-Kommission die Forschungskooperation auch gegenüber der Schweiz als politisches Druckmittel.
Seit der Bundesrat das institutionelle Rahmenabkommen im Frühling 2021 beerdigt hat, macht Brüssel eine erneute volle Assoziierung der Schweiz von den Fortschritten bei den laufenden Sondierungsgesprächen zur Regelung der institutionellen Fragen abhängig. Ein Kommissionssprecher bestätigte diese Position. Dass die neue Forschungskommissarin Iliana Ivanova jüngst im EU-Parlament eine Einigung mit der Schweiz als «Priorität» bezeichnet hat, hat die Ausgangslage nicht verändert.
Die EU-Kommission wird ihr wichtigstes Druckmittel nicht zu früh aus den Händen geben wollen. Sollten aber substanzielle Fortschritte bei den Sondierungsgesprächen den Weg für eine Assoziierung ebnen, könnte Bern wohl auf ähnliche Konditionen hoffen wie London. Demnach müsste die Schweiz nur für jene Jahre einen Finanzbeitrag entrichten, in denen sie sich effektiv am siebenjährigen Programm beteiligt hat. Offen ist, ob auch ein Korrekturmechanismus denkbar wäre, um zu verhindern, dass die Schweiz wesentlich mehr in die EU-Forschungstöpfe einbezahlt, als ihre Forscher wieder herausholen.
Fest steht, dass die Einigung zwischen London und Brüssel das Ende für die Schweizer Hoffnungen darstellt, mit den Briten ein substanzielles Programm als Konkurrenz zur EU auf die Beine zu stellen. Die Schweiz und Grossbritannien gehören mit ihren Spitzenuniversitäten zu den wichtigsten Forschungsplätzen Europas.
Eine Absichtserklärung der beiden Regierungen sollte einer Vertiefung der wissenschaftlichen Kooperation den Weg ebnen. Doch ohne finanzielles Förderprogramm blieben die Pläne sehr vage. Sowohl für Bern wie auch für London hatte die Assoziierung an der bürokratischen Forschungszusammenarbeit Horizon Europe stets erste Priorität. NZZ, 8. September 2023, S. 7
|