Cocktaileffekt auf der Agenda
Die UmweltministerInnen der EU haben keine konkreten Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor den kombinierten Auswirkungen unterschiedlicher chemischer Substanzen, dem sogenannten Cocktaileffekt, ergriffen. In seinen Schlussfolgerungen hat der Umweltministerrat im Dezember den von Dänemark angeregten Vorstoß, hier gesetzlich tätig zu werden, lediglich im Grundsatz begrüßt.
Die EU-Kommission will 2010 eine Studie zu den bisher erforschten Risiken vorlegen und außerdem den EU-Aktionsplan zu Umwelt und Gesundheit sowie die Umsetzung der Strategie zu hormonell wirksamen Substanzen überprüfen. Bis 2012 soU die Kommission außerdem klären, ob die existierende Gesetzgebung ausreichend vor multiplen Wirkungen von aus unterschiedlichen Quellen stammen~ den Chemikalien schützt, und dem Umweltministerrat Bericht erstatten. Auch bei der Vorlage kommender Gesetze müsse die Gefahr von kombinierten Umwelt-und Gesundheitseffekten durch Chemikalien besser beachtet werden.
Umwelt-, Gesundheits- und Frauenverbände kritisierten, dass die MinisterInnen zwar die Gefahr sähen, aber die nötigen Maßnahmen unnötig herauszögerten. Der erst 2012 erwartete Bericht komme viel zu spät. Bereits jetzt seien ein Fünftel aller jungen Männer durch Chemikalieneinflüsse von Unfruchtbarkeit betroffen, es gebe Geburtsfehler und Krebsfälle durch den Cocktaileffekt von hormonell wirksamen Chemikalien. Die EU Kommission müsse den Cocktaileffekt sofort in bestehende Gesetzesregelungen integrieren. www.eu-koordination.de(EU-News-22.12.09), umwelt aktuell, Februar 2010, S. 9
1 Milliarden für CO2-Lager
Die EU-Kommission stellt 1 Milliarde Euro für Projekte zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) zur Verfügung. Das Geld stammt aus einem Sonderhaushalt zu Konjunkturbelebung, der im Mai 2009 verabschiedet wurde. Sechs CCS-Projekte werden mit knapp einer Milliarde Euro gefördert. Mit der Förderung der CCS- Technologie erkennt die EU-Kommission nach eigenen Worten "die anhaltende Bedeutung fossiler Brennstoffe für die Energiegewinnung und die Notwendigkeit des Übergangs zu einem CO2-armen Energiesystem" an. EU-Kommission: www.kurzlink.de/eu-12-09 I, umwelt aktuell, Februar 2010, S. 13.
EU-Gerichtshof zur Freizügigkeit
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in zwei Urteilen im Februar 2010 das Recht auf Personenfreizügigkeit auch dann bejaht, wenn die betreffenden Personen Sozialhilfe beziehen. Der britische Court of Appeal war an den EuGH gelangt, da er in zwei solchen Fällen zu entscheiden hatte. In beiden Fällen geht es darum, dass Bürger anderer Staaten in Grossbritannien um Sozialhilfe ersuchten, was im Grunde der Voraussetzung für das Recht auf Personenfreizügigkeit widerspricht, nämlich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, das Absolvieren einer Ausbildung oder der Besitz genügender finanzieller Mittel und einer umfassenden Krankenversicherung. Damit hatte der Gesetzgeber zu verhindern versucht, dass in der EU ein Sozialhilfe-Tourismus entsteht.
In beiden Fällen geht es um Frauen, deren Ehen, welche das Aufenthaltsrecht begründet hatten, aufgelöst worden waren. Beide Frauen wurden in der Folge von Sozialhilfe abhängig. Sie haben aber Kinder, die in der Ausbildung sind, und diese dürfen ihre Ausbildung nach geltendem Recht auch dann im Gastland weiterführen, wenn der Vater das entsprechende Land verlassen hat oder gestorben ist oder wenn die Ehe geschieden wurde. Die in Ausbildung stehenden Kinder kommen laut dem Urteil des EuGH in den Genuss eines eigenständigen Aufenthaltsrechts, das nicht von der Bedingung einer finanziellen Autonomie abhängt.
Da diese Kinder natürlich nicht alleine aufzuwachsen brauchen, erstreckt sich das Aufenthaltsrecht auch auf den Elternteil, der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt - in den beiden Fällen also die Mütter. Wie schon im Fall der Kinder in Ausbildung hängt auch das Aufenthaltsrecht der Mütter nicht von der Voraussetzung ab, dass diese über genügend eigene Mittel verfügen und so keine Sozialhilfe brauchen.
Im einen der beiden Fälle hatte der EuGH zusätzlich die Frage zu beantworten, wann das Aufenthaltsrecht für den Elternteil erlischt. Er kam zum Schluss, grundsätzlich ende das Recht mit dem Erreichen der Volljährigkeit des Kindes, allerdings nur dann, wenn das Kind nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedürfe, um seine Ausbildung fortsetzen und abschliessen zu können.
Die beiden Gerichtsurteile werden in den Mitgliedstaaten vermutlich keine Begeisterungsstürme auslösen. Seit einigen Jahren klagen Politiker verschiedenster Couleur über eine zu weite oder offene Auslegung des Rechts auf Personenfreizügigkeit, weil diese den Möglichkeiten des Missbrauchs Tür und Tor öffne. Das grundlegende Misstrauen schlägt sich auch darin nieder, dass die Umsetzung der EU-Gesetzgebung über die Personenfreizügigkeit in die nationalen Rechtsbestände laut einem Bericht der EU-Kommission vom Dezember 2008 „enttäuschend“ ist. Für BrüsseI ist die Personenfreizügigkeit eine der Grundfesten der EU und sollte deswegen nicht angetastet werden. Für die Bekämpfung von Missbräuchen, besonders durch Scheinehen, stehen in der Sicht der Kommission genügend andere Instrumente zur Verfügung. NZZ, 24. Februar, 2010.