Volle EU-Energiemarkt-Öffnung im Juli 2007
Die EU-Energieminister haben sich darauf verständigt, die Elektrizitäts- und Erdgasmärkte spätestens am 1. Juli 2004 für gewerbliche Kunden und am 1. Juli 2007 für Haushalte der Konkurrenz zu öffnen. Der Fahrplan ist gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag langsamer, aber er wird von Frankreich mitgetragen. Während die Elektrizitätsmarkt-Liberalisierung in der Schweiz mit der Volksabstimmung vom September abgelehnt wurde, geht sie in der EU weiter: Hier sollen die Strom- und Erdgasmärkte laut einem Kompromiss, den die Energieminister Anfangs November bei einem Ratstreffen in Brüssel geschmiedet haben, spätestens am 1. Juli 2007 vollständig der Konkurrenz geöffnet werden. Ab diesem Datum sollen auch Haushalte ihren Energielieferanten frei wählen können. Bereits spätestens ab dem 1. Juli 2004 soll dies für alle Unternehmen, auch für das Gewerbe, gelten. Derzeit ist die freie Wahl in der EU nur für Grosskunden zwingend vorgeschrieben, auch wenn zahlreiche Mitgliedstaaten weiter gegangen sind.
Der vereinbarte Fahrplan ist deutlich weniger ehrgeizig als der ursprüngliche, im März 200 I vorgelegte Kommissionsvorschlag, der die Liberalisierung für die Haushalte ab 2005 und für gewerbliche Kunden ab 2003 (Strom) bzw. 2004 (Gas) vorgesehen hatte. Am EU-Gipfel von Barcelona vom März 2002 hatten sich die Mitgliedstaaten aber lediglich auf das Jahr 2004 für Gewerbekunden einigen können und das Datum für die Vollliberalisierung offen lassen müssen, obwohl eine Mehrheit der Mitgliedstaaten eine rasche Vollliberalisierung befürwortet hätte. Die Verschiebung der vollständigen Öffnung auf 2007 ist ebenso wie ein verstärkter Schutz des «Service public» nun der Preis dafür, dass die Einigung auch vom liberalisierungsskeptischen Frankreich mitgetragen wird. Sie sei sehr glücklich, kommentierte die französische Industrieministerin Fontaine vor Journalisten. Es werde eine «schrittweise und kontrollierte» Liberalisierung erreicht.
Zur Zufriedenheit der Französin hatte ein Zugeständnis beitragen, das auch der deutsche Wirtschaftsminister Clement warm begrüsste. Es betrifft die gesellschaftsrechtliche Trennung («legal unbundling») von Verteilbetrieben, die zu einen vertikal integrierten Unternehmen (Produktion Übertragung und/oder Verteilung unter einen Dach) gehören. Laut dem Kompromisstext müssen derartige Verteilbetriebe im Prinzip spätestens bis am 1. Juli 2007 rechtlich von den übrigen Tätigkeitsbereichen getrennt werden. Doch in einem vor dem 1. Januar 2006 vorzulegenden Liberalisierungsbericht wird die EU-Kommission auf Antrag eines Mitgliedstaates insbesondere auch prüfen, ob dieser Staat das Ziel der Entflechtung, die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Verteilnetzen zu transparenten Bedingungen, durch andere Methoden erreicht habe und deshalb eine Ausnahme gerechtfertigt sei. Eine solche Ausnahme müsste vom Ministerrat und vom Europäischen Parlament (EP) genehmigt werden. Damit kann Deutschland zu beweisen versuchen, dass der Netzzugang durch die bestehende «Verbändevereinbarung» erreicht wird und keiner rechtlichen Entflechtung bedarf. Ausserdem dürfen die Mitgliedstaaten integrierte Betriebe, die wie beispielsweise deutsche Stadtwerke weniger als 100 000 Kunden bedienen, von der rechtlichen Entflechtung befreien. Eine eigentumsmässige Entflechtung der integrierten Betriebe ist ohnehin nicht vorgeschrieben; eine Trennung der Buchhaltung bleibt in jedem Fall zwingend. Bereits früher und ausnahmslos entflochten werden sollen im Übrigen die Übertragungsnetzbetreiber. NZZ, 26. November 2002, S. 21
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SP-Illusionen
Berner Zeitung: „Aber gerade die EU fährt einen strammen Liberalisierungskurs. Ist das nicht ein Widerspruch?“ Frau Christiane Brunner (SP-Präsidentin): „Nein, absolut nicht. Wir müssen bei der EU dabei sein, damit wir mitreden und mitgestalten können. Zudem sind in der EU viele Länder it einer ähnlichen Haltung wie die SP, die vor einer ungehemmten Liberalisierung warnen.“ (Berner Zeitung, 16. 10. 02)
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«Open Sky»Verträge verletzen EU-Recht
Die EU-Kommission hat ihren Kampf gegen die bilateralen «Open Sky»Verträge einzelner Mitgliedstaaten mit den USA teilweise gewonnen. Der Europäische Gerichtshof bestätigte gewisse Rechtsverstösse. Die Kommission erwartet nun Zustimmung der Mitgliedstaaten zu Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der EU und den USA. Nach einem Anfangs November veröffentlichten Urteil des EU-Gerichtshofs (EuGH) verstossen die bilateralen Luftverkehrsverträge von acht EU-Mitgliedstaaten mit den USA teilweise gegen EU-Recht. Der Entscheid klärt die zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten umstrittene Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Luftverkehrsabkommen.
Die Kommission leitete aus dem Verkehrsbinnenmarkt eine umfassende Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluss von Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten ab. Die Mitgliedstaaten wiederum beharrten auf ihrer Zuständigkeit für die Beziehung zu Dritten im Luftfahrtbereich, ausgenommen in jenen Bereichen, wo sie ausdrücklich darauf verzichtet haben. Ende 1998 klagte die Kommission beim EuGH gegen Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Luxemburg, Österreich, Schweden und Grossbritannien wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechtes. In den ersten sieben Fällen zog die Kommission gegen die «Open Sky»Verträge dieser Staaten mit den USA ins Feld. Im Fall von Grossbritannien hatte die Kommission den «Bermuda 11»Vertrag zwischen London und Washington im Visier.
Nach dem sehr differenzierten Urteil des EuGH kann die Kommission keine ausschliessliche Aussenkompetenz der Gemeinschaft im Luftverkehrsbereich in Anspruch nehmen. Die in der Rechtsgrundlage vorgesehene Handlungsbefugnis setze entsprechende Beschlüsse der Mitgliedstaaten im Ministerrat voraus. Nur in den Bereichen, wo es bereits EU-Rechtsnormen gebe, verliere der Mitgliedstaat das Recht zum Abschluss von Verträgen mit Dritten. Das Gericht prüfte deshalb, ob die umstrittenen Verträge, welche den gegenseitigen Zugang zum Luftraum liberalisieren, kompatibel mit den vom Rat bereits erlassenen Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes zur schrittweisen Einführung des Luftbinnenmarktes sind. Die Richter kamen zum Schluss, die «Open Sky»-Verträge verstiessen in zwei Punkten gegen das EU-Recht: bei den Tarif-Bestimmungen für US-Fluggesellschaften auf EU-Strecken sowie bei den computergestützten Buchungssystemen. Auf Grund der vom Ministerrat erlassenen Verordnungen, befanden die Richter, gehörten diese Bereiche in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und damit in deren ausschliessliche Vertragskompetenz.
Im Urteil des EuGH verstossen zudem alle acht bilateralen Verträge mit ihrer Klausel über Eigentum und Kontrolle der Luftfahrtunternehmen gegen die EU-Vertragsbestimmungen über das Niederlassungsrecht. Die umstrittene Klausel räumt den USA das Recht ein, die Verkehrsrechte zu versagen oder zu widerrufen, wenn Eigentum und Kontrolle der vom EU-Vertragspartner bezeichneten Fluggesellschaften nicht bei ihm selber oder bei Angehörigen dieses Staates liegen. NZZ, 6. 11. 02. S. 19
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EU-Rechnungshof
Wie alle Jahre hat auch dieses Jahr der EU-Rechnungshof die Rechnungsführung der EU stark kritisiert. Der Rechnungshof stellte fest, dass er auch dieses Jahr nicht für die Richtigkeit der Transaktionen garantieren können. 22 von 36 Rechnungshofsmitglieder gaben ihre Unterschrift nur bedingt. Marta Andreasen, frühere Chefbuchhalterin der EU-Kommission, meint: „Das EU-Budget von 98 Milliarden Euro ist ungeschützt gegenüber massiven Betrug“ und sie stellt „einen völligen Mangel an Beachtung grundlegender und minimal akzeptierbarerer Buchhaltungsstandards“ fest. Die EU-Kommission reagierte auf diese Kritik mit der Entlassung von Frau Andreasen.
Am 27. November feierte der Rechnungshof sein 25-jähriges Jubliäum. Nach 25 Jahren hat das Gremium aber immer noch keine wirkliche Macht. Von der EU-Kommission erhalten sie nicht alle angeforderten Dokumenten.
Am 15 März 1999, als die Santer Kommission gestürzt wurde, versprach man eine Verbesserung des Rechnungssystems der EU. Bisher passierte jedoch nichts. Euobserver.com (12.11.02)
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