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Kurzinfos 3/00
An den Früchten
Will man wissen, was die "Europäische Wertegemeinschaft" ausmacht, ist eine Analyse faktischer Politik und nicht der Inhalte von Politiker-Sonntagsreden angebracht. Was macht entsprechend die "europäische Wertegemeinschaft" aus:
- Abbau von Demokratie
- mehr Konkurrenz und entsprechender Druck auf die Arbeitsplätze (Fusionen)
- Abwehr von Asylbewerbern
- Soviel Umweltschutz wie nötig um ein beständiges Wachstum zu garantieren
- Aufbau von Schnelleingreiftruppen zur Sicherung von Absatzmärkten und Rohstoffzufuhr
- Knallharte Verteidigung von Handelsinteressen gegenüber der "Dritten Welt".
Die Belege für diese Aussagen finden Sie in jeder Nummer des Europa-Magazins, so auch in dieser.....
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EU-unverträgliche Neutralität
Erich Reiter, Beauftragter für strategische Studien im österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung Wien und Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer neuen sicherheits- und verteidigungspolitischen Doktrin der österreichischen Bundesregierung schrieb in einem aufschlussreichen Artikel in der NZZ: "Nationale Sicherheitspolitik gibt es für die Mitglieder der EU nur noch im eingeschränkten Sinn. Die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (Gasp) der Union hat bereits stärkere Konturen angenommen, als mancherorts bewusst ist. Bestanden beim Zerfall Jugoslawiens vor neun Jahren noch starke Differenzen - insbesonders zwischen Deutschland einerseits sowie Frankreich und Grossbritannien andererseits - über die Frage der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens, so haben sich die EU-Mitglieder im Vorjahr einmütig zur ausdrücklichen Unterstützung des Luftkrieges der NATO gegen Serbien entschlossen. Dies war um so bemerkenswerter, als unter den 15 Ländern der EU mit Finnland, Irland, Österreich und Schweden auch neutrale und paktfreie Staaten sind, für die es eigentlich keine Parteinahme für eine Kriegspartei geben dürfte. Auch Österreichs damaliger sozialdemokratischer Bundeskanzler Klima war im Kreise derer, die in Berlin zu dem unter deutscher Präsidentschaft gefassten Beschluss der EU stand, dass der Krieg um Kosovo notwendig war. Er und andere erweckten damals vor den Fernsehkameras den Eindruck - zwar gefasst, aber doch irritiert - , etwas zu erklären, das nicht ihrer eigenen Intention entsprungen, sondern Ausfluss des Gruppenzwangs war. Die grössten EU-Mitglieder, die ja alle der NATO angehören, hatten in Abstimmung mit den USA die anderen Europäer von der Notwendigkeit des Krieges überzeugt. Die Billigung dieses Krieges durch die EU diente zweifellos der Legitimierung der Kriegsführung der NATO. Die enge Verflechtung von EU und NATO-Europa kam zum Vorschein: 11 der 15 EU-Länder sind in der NATO; die Bevölkerung der Nicht-NATO-Mitglieder der EU macht nur 7.5% der Gesamtbevölkerung der EU aus. So ist es nicht verwunderlich, dass sicherheitspolitische Entscheidungen in der NATO getroffen werden; die EU ist sicherheitspolitisch gesehen ihr Anhängsel. Diese Realitäten und der Umstand, dass die EU die offizielle Zielsetzung der Entwicklung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik hat, führen die österreichische Neutralität ad absurdum. Trotzdem halten aber nicht nur die Grünen, sondern auch die EU-positive SPÖ energisch an der Neutralität fest - und sie wollen das Land gleichzeitig weitestgehend entmilitarisieren. Anhänger einer stark bewaffneten Neutralität finden sich nur äusserst selten. Die derzeitigen Regierungsparteien finden sich hingegen weitestgehend in der Zielsetzung des Beitritts zum Bündnis; dieser ist allerdings aus zwei Gründern derzeit unrealistisch. Einmal, weil die seit Jahren andauernde Talfahrt des Verteidigungsbudgets - von bereits zu niedrigem Niveau ausgehen - Österreich als militärisch vollwertigen Partner nicht mehr glaubwürdig erscheinen lässt: Das Verteidigungsbudget nimmt mit etwa 0.8% Anteil am Bruttoinlandprodukt den letzten Rang unter den europäischen Ländern ein. Zum anderen, weil die SPÖ aus ideologischen Gründen den Beitritt ablehnt und eine Sperrminorität im Parlament besitzt, um die für einen NATO-Beitritt erforderliche Änderung oder Aufhebung des Verfassungsgesetzes über die Neutralität zu verhindern. Pazifistische und antiamerikanische Ressentiments stehen der NATO entgegen, die hierzulande im sozialistischen und grünen Umfeld teilweise als eine rechtsextremistische Organisation betrachtet wird. Ausserdem müsste die SPÖ, deren nicht sehr einflussreiche aussenpolitische Elite übrigens ganz überwiegend prowestlich und NATO-freundlich ist, befürchten, bei einem Einschwenken auf die Bündnis-Linie pazifistische und linksextreme Wähler an die Grünen zu verlieren, die sich zum Gralshüter des Neutraltitäsmythos aufgebaut haben.". NZZ. 1. 9. 00. S. 9
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Haftung der EWR-Mitgliedstaaten
Am 19. November 1991 erliess der Gerichtshof der EU ein Urteil, dass die Haftung eines Mitgliedstaates bei Nicht-Umsetzung von EU-Recht unter den folgenden drei Voraussetzungen bejahte: Das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel ist auf die Verleihung von Rechten an Einzelne gerichtet; der Inhalt dieser Rechte ist bestimmbar; es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung und dem Schaden. Die Voraussetzungen für die Staatshaftung wurden in der Folge weiter konkretisiert. So entschied der EU-Gerichtshof, dass die Haftung der Mitgliedstaaten auch dann besteht, wenn die verletzte Vorschrift des Gemeinschaftsrechts direkte Wirkung hat. Am 10. Dezember 1998 entschied der EFTA-Gerichtshof, dass das Prinzip der Staatshaftung auch Teil des EWR-Rechts ist. Der EFTA-Gerichtshof berief sich auf das Gebot der homogenen Rechtsanwendung im EU- und im EFTA-Pfeiler des EWR. Er stellt fest, das EWR-Abkommen habe eine neue Rechtsordnung geschaffen. Die Integrationstiefe gehe zwar nicht so weit wie in der Gemeinschaft, aber Ziel und Anwendungsbereich des EWR-Abkommens gingen über das hinaus, was für ein völkerrechtliches Abkommen üblich ist. NZZ, 25.8.00, S. 25
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Brüsseler Verhandlungsangebot
Ende Juli hat der EU-Ministerrat zwei Beschlüsse bezüglich der Schweiz gefasst. Die EU-Kommission wurde ermächtigt, im Namen der Union mit der Schweiz ein bilaterales Abkommen über die statistische Zusammenarbeit auszuhandeln und über die Teilnahme der Schweiz an der Europäischen Umweltagentur zu verhandeln. Damit scheint sich der von EU-Beitrittsbefürwortern oft totgesagte Bilateralismus fortzusetzen. Gemäss den gemeinsamen Erklärungen zum im Dezember 1998 geschnürten bilateralen Paket sollen in verschiedenen Bereichen wie Bildung, Jugend, Medien, Statistik, Umwelt, Dienstleistungen und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte zusätzliche Verhandlungen möglich sein. Die Schweiz hat damals in einer einseitigen Erklärungen zu verstehen gegeben, dass sie in Fragen der inneren Sicherheit bzw. in der Migrations- und Asylpolitik auf den EU-Zug aufspringen möchte. NZZ, 31.8.00, S. 23
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Hohes Lied auf Interreg
In Basel fand Ende Juni 00 ein "Rendez-vous der europäischen Grenzregionen" statt. Rund 500 Politiker, Verwaltungsleute und Interessierte aus 21 Ländern trafen sich, um über die Perspektiven für eine vertiefte Kooperation im Europa des 21. Jahrhunderts zu diskutieren. Konkret ging es um Interreg, das 1990 gestartete Programm der EU zur Förderung grenzüberschreitender Aktivitäten, an dem sich zunächst schweizerische Grenzkantone beteiligten, ehe sich dann bei Interreg II (1994 - 99) auch der Bund engagierte. An der zweitätigen Veranstaltung wurde die grosse Bedeutung von Interreg für die EU-Integration, aber auch für die Integration der Schweiz in die EU unterstrichen. Sven von Unger-Sternberg, Regierungspräsident des Bezirkes Freiburg, illustrierte die Wirkungen der beiden bisherigen Interreg-Programme in der Region Oberrhein. Mit einem Investitionsbeitrag von über 11 Millionen Euro, wovon gut 50 Millionen aus Brüssel stammten, seien hier in den letzten zehn Jahren über 150 grenzüberschreitende Pilotprojekte realisiert worden. David W. Syz, Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) bewertete aus schweizerischer Sicht die Teilnahme positiv. Bis 1999 seien in den fünf schweizerisch-"europäischen" Grenzregionen über 300 Projekte in die Wege geleitet worden. Angesichts der Erfahrungen und der Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für die EU-Integrationspolitik habe sich die Schweiz entschlossen, auch am Folgeprogramm Interreg III für die Jahre 2000 bis 2006 teilzunehmen. Mit 35 Millionen Franken wird das finanzielle Engagement des Bundes gegenüber Interreg II (21.6 Millionen) gesteigert. Angetönt wurden an der Tagung auch Schwachstellen und Schwierigkeiten beim Interreg. Stichworte: Brüsseler Bürokratie, Bürgerferne - die Interreg-Politik findet meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt - , harzige Finanzierung der Projekte, mühsame und komplizierte Prozessabläufe. NZZ. 27.6.00.
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EU-Zinssteuer
Im portugiesischen Feira gab Luxemburg dem Druck der übrigen EU-Länder bezüglich eines Nachgebens in der Steuerfrage vordergründig nach. Luxemburg machte seine Einwilligung von der Einbindung von off-shore Finanzplätzen (Kanalinseln, Isle of Man und gewissen Regionen in der Karibik) abhängig. Zudem sollen auch Länder wie die Schweiz in ein Meldeverfahren integriert werden. Die offizielle Schweiz wird sich der Aushöhlung des Bankgeheimnisses jedoch - so wie's aussieht - widersetzen und favorisiert eine Quellbesteuerung von Zinserträgen. Dies ist auch in Luxemburg bekannt. Entsprechend konnte Luxemburg nachgeben, ohne um seine Pfründe fürchten zu müssen. NZZ. 22./23.7.00
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Eurobarometer
49% der EU-Bürgerinnen und Bürger betrachten die EU als eine gute Sache und 47% erklären, ihr Land habe von der Mitgliedsschaft profitiert. Diese Aussagen variieren von Land zu Land. Irland, Luxemburg und die Niederlande sind nach wie vor EU-begeistert. 70% der Befragten rühmen die Mitgliedschaft. Bei den Iren und Luxemburgern sind die Werte allerdings rückläufig. In Frankreich und Deutschland, deren Regierungen ihre Länder als Avant-Garde im EU-Integrations-Prozess sehen, geben Skeptiker den Ton an. In Deutschland äussern bloss 41% (-6%) der Befragten eine positive Meinung zur EU und nur für 37% lohnt sich die Mitgliedschaft. In Frankreich wuchs das Lager der EU-Befürworter leicht auf 49%. Die EU-Kommission geniesst das Vertrauen von 45% der EU-Bevölkerung. 27% der EU-Bevölkerung betrachtet die Erweiterung der EU als eine prioritäre Aufgabe. Nur in Dänemark und Griechenland äussert sich eine Mehrheit zustimmend zur Osterweiterung. In Frankreich und Deutschland können sich nicht mehr als 21% und 20% für die Erweiterung erwärmen. Nur ein Viertel der Briten äussern sich positiv zur EU und zeigen Vertrauen in die EU-Kommission. NZZ. 25.7.00, S. 5
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Blair strebt Referendum über Euro-Beitritt an
In Grossbritannien soll nach den Plänen von Premierminister Blair nach der nächsten Wahl im Jahr 2002 eine Volksabstimmung über den Beitritt zur Euro-Zone abgehalten werden. Der Beitritt zum Euro sei wichtig für den Einfluss Grossbritanniens in der Welt. Für ihn seien zudem die Auswirkungen der Einheitswährung auf Arbeitsplätze, Löhne und die Industrie entscheidend. NZZ. 8./9. 7. 00. S. 1
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Direkte Demokratie auf EU-Ebene
Das aus 26 Ländern bestehend "European Youth Parliament" (EYP) hat u.a. eine Resolution ausgearbeitet und verabschiedet, die die Einführung von Initiative und Referendum auf Stufe der EU verlangt. Die Resolution wurde mit 76 Ja-Stimmen, 67 Enthaltungen und 49 Nein-Stimmen überwiesen. NZZ. 24.7.00, S. 7
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EU-Gerichtshof und Naturreinheit
Der EU-Gerichtshof hat entschieden, das Rückstände, die durch den Anbau in der natürlichen Umwelt entstehen, nicht der auf Etiketten versprochenen "Naturreinheit" widersprechen müssen. Da Rückstände von Blei, Cadmium und Pestiziden auch keine Lebensmittelzusätze sie, müssten sie auch nicht nach der Etikettierungs-Richtlinie (79/112/EWG) auf dem Marmeladenglas aufgeführt werden. Selbst wenn diese Vorgehensweise den einen oder anderen Verbraucher irreführen würde, wäre eine andere Vorgehensweise ein Hemmnis für den freien Warenverkehr und somit nicht hinnehmbar. EU-DNR-Rundschreiben, 6+7/2000, S. 8
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Opposition gegen "privates Regieren"
Das Europäische Umweltbüro (EEB) zog sich aus dem EU-Normungsgremium CEN aus Protest zurück. Am 8. Juni 00 fand dann unter der Schirmherrschaft des EU-Abgeordneten Karl-Heinz Florenz (CDU) eine Anhörung zum Thema Umwelt und Normen statt. Anlässlich der Anhörung dokumentierte der EEB, wie einige Normen Umweltpolitik aushöhlen. Am Beispiel der Normen zur Verpackungsrichtlinie, zur Bauprodukterichtlinie und Heizkesseln wurde nachgewiesen, wie die Industrie in diesen Gremium die Umweltakteure ausgrenzt, Umweltaspekte ignoriert und Normen entwickeln, welche die in den Richtlinien festgelegten Anforderungen nicht respektieren und nationales Umweltrecht zu unterlaufen versuchen. EU-DNR-Rundschreiben, 6+7/2000, S. 9
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Wasser-Rahmenrichtlinie: Magerer Kompromiss
Der Vermittlungsausschuss zwischen EU-Parlament und EU-Kommission zur Wasser-Rahmenrichtlinie ist nach über dreijährigen Verhandlungen zu einem Ergebnis gekommen, das keine für den Umweltschutz wichtigen Änderungen enthält. Die Delegation des EU-Parlamentes stimmte der Aufgabe des Vorsorgeansatzes zu, der noch Bestandteil der Grundwasser-Richtlinie von 1980 gewesen war. Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses wurde vom Europäischen Umweltbüro (EEB) scharf kritisiert. Der geschlossene Kompromiss sei ein Desaster für die Umwelt, peinlich für die Umweltminister, die Umweltkommissarin Margot Wallström und das EU-Parlament. Die EU habe damit ihrem Anspruch, die Umwelt zu schützen, jede Glaubwürdigkeit genommen. Die Aufgabe des Vorsorgeprinzips kritisierte das EEB als Freifahrtschein für die Agrarindustire, die Grundwasserreserven zu vergiften. EU-DNR-Rundschreiben, 6+7/2000, S. 12
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EU Fernsehsender
Die meisten EU-Fernsehsender halten sich an die eurozentristische EU-Fernsehrichtlinie, die einen hohen Anteil "europäischer" Werke vorschreibt. Die grössten Sender Deutschland, Italiens und Frankreichs strahlten sogar zu siebzig Prozent Werke "europäischen" Ursprungs aus, heisst es im "Vierten Bericht über die Durchführung der Bestimmungen der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" in Bezug auf die Ausstrahlung "europäischer" Werke und unabhängiger Produktionen". Die meisten Mitgliedsstaaten hätten sogar strengere Vorschrift als die in der Richtlinie vorgesehen erlassen. NZZ. 28.7.00, s. 59
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Trockener Informationsfluss
Aus einem Bericht der EU-Kommisson über die Umsetzung der Abfallgesetzgebung im Zeitraum 1995-1997 geht hervor, dass kein Bericht der Mitgliedstaaten pünktlich einging und dass Griechenland, Spanien und Italien keinen der angeforderten Berichte übermittelten. Portugal stellt keinen Informationen zu Abfällen, gefährlichen Abfällen und Altöl zur Verfügung. Die Niederlande legten keinen Bericht zum Klärschlamm vor (Stand Mai 1999). EUR-OP, 1/2000, S. 5
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Bussgeld
Der EU-Gerichtshof verhängt auf Antrag der EU-Kommission erstmals ein Bussgeld wegen fortgesetzten Verstosses gegen Gemeinschaftsrecht. Griechenland muss täglich 20'000 Euro zahlen, bis es einem früheren Urteil über die Beseitigung einer wilden Mülldeponie auf Kreta nachkommt. EUmagazin, 9/2000, S. 47.
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Union der Verschmutzer
Bis Ende 2000 soll das Sechste Umweltaktionsprogramm der EU in Kraft treten. Alle bisherigen Programme haben jedoch nicht den erhofften Erfolg gebraucht. Die Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten befürchten, dass sich die Umweltprobleme wegen des Wirtschaftswachstums noch verschärfen werden. Die EU gehört zu den Hauptverschmutzern der Erde. Die Situation der EU-Umwelt hat sich in den letzten 15 Jahren in vielen Bereichen sogar verschlechtert. Das belegen die Wissenschaftler der Europäischen Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen in ihrem ersten Bericht über Umweltindikatoren mit dem Titel "Umweltsignale 2000". Von einer Integration des Umweltschutzes in andere Politikbereiche sei die EU weit entfernt. Besonders die Bereiche Verkehr, Energie und Landwirtschaft würden vor allem in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien immer stärker zur Umweltverschmutzung beitragen. Eine Umkehrung dieses Trends sei nicht in Sicht. EUmagazin, 9/2000, S. 20.
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Altautorichtlinie
Der Vermittlungsausschuss EU-Parlament/EU-Rat hat in bezug auf die Altauto-Richtlinie den folgenden Kompromiss erzielt: Ab 1. Juli 2002 können die Fahrzeughalter die von diesem Zeitpunkt an in Verkehr gebrachten Fahrzeuge bei einer Verwertungsanlage abliefern, wobei der Kraftfahrzeughersteller für alle Rücknahmekosten oder einen wesentlichen Teil davon aufkommt. Nicht vom Jahr 2006 an, wie es das Parlament wollte, sondern vom 1. Januar 2007 an soll das auch für alle vor dem 1. Juli 2002 in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gelten. Die Automobilindustrie kündigte an, eventuell gegen die rückwirkende Regelung zu klagen, da damit bei rund 160 Millionen zugelassenen Fahrzeugen in der EU ein enormer Finanzierungsbedarf für die Verschrottung auf die Automobilindustrie zukommt. Haupteffekt der neuen gesetzlichen Regelung ist es, die Hersteller dazu zu bewegen, schneller als bisher durch konstruktive Veränderungen wiederverwertungsfreundlichere Fahrzeuge zu bauen. Allein in der EU werden bis zu zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr stillgelegt. Das Abfallaufkommen beträgt jährlich rund neun Millionen Tonnen, mit steigender Tendenz. Der Ministerrat setzte sich beim weitgehenden Verbot von Schwermetallen gegenüber dem EU-Parlament durch: das Parlament wollte der Industrie eine Übergangszeit bis 20012 einräumen, während der Rat als Frist das Jahr 2003 durchsetzte. EUmagazin, 7+8/2000, S. 30.
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Kritik des Europarats an Bio-Patent-Richtlinie der EU
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats in Strassburg hat die fünfzehn Staaten der EU aufgefordert, die Bio-Patent-Richtlinie aus dem Jahr 1998 nicht in Kraft zu setzen, sondern neu darüber zu verhandeln. Da diese Richtlinie noch nicht in jedem Mitgliedstaat in die nationale Gesetzgebung übernommen worden sei, solle die Chance zu einer Neuberatung unter stärkerer Einbeziehung der Öffentlichkeit genutzt werden. Die Richtlinie verbietet zwar grundsätzlich die Patentierung von menschlichen Genen, erlaubt jedoch die Erteilung von Patenten, wenn die Gene dem menschlichen Körper entnommen worden sind. Da dies widersprüchlich ist und zu Rechtsunsicherheit führt, verlangt der Europarat ein eindeutiges Verbot der Patentierung menschlicher Gene. Nach Ansicht des liberalen französischen Berichterstatter Mattei kommt die EU-Richtlinie mit ihren widersprüchlichen Bestimmungen zum Schutz des menschlichen Körpers den Forderungen der grossen Pharmakonzerne sehr weit entgegen. Durch den Ausdruck "biologisches Material" habe sie zudem einen ganz neuen Umgang mit Lebewesen etabliert. Durch den Begriff würden lebende Wesen in einer nicht zu akzeptierenden Weise mit technischen Produkten gleichgesetzt. NZZ. 3.7.00, S. 2
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Neue EU-Wasserrichtlinien
Nach einem Vermittlungsverfahren zwischen dem EU-Parlament und dem Ministerrat hat sich die EU auf eine Rahmenrichtlinie für Wasserpolitik geeinigt. Bestehende Vorschriften sollen zusammengefasst und zum nachhaltigen Schutz der Oberflächen- und Küstengewässer sowie des Grundwassers ergänzt werden. Erfasst werden auch grenzüberschreitende Flussgebietseinheiten und es wird ein supranationales Vorgehen festgelegt, das die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit untereinander zwingt. NZZ. 1./2. Juli 2000, S. 9
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Kritisierte Exportrisikogarantie
Die Erklärung von Bern (EvB) hat die Rolle de Exportrisikogarantie (ERG) des Bundes angeprangert. Die EvB kritisiert insbesondere, dass die Schweiz zusammen mit den staatlichen Exportfördungsagenturen Deutschlands, Japans und den USA Druck auf die indonesische Regierung ausgeübt habe, um möglicherweise korrupte Verträge aus der Suharto-Zeit anzuerkennen. Im Fall der Schweiz gehe es vor allem um Kraftwerksverträge des ABB-Konzerns aus den 90er Jahren. Die Haltung der Schweiz widerspreche den offiziellen Zielen der guten Regierungsführung und der Korruptionsbekämpfung. Bundesrat Couchepin wird aufgefordert, Indonesien bei der gerichtlichen Überprüfung zweifelhafter Verträge aus der Suharto-Zeit zu unterstützten und keinen Druck auf die Regierung zur Anerkennung dieser Verträge mehr auszuüben. Wie die EvB weiter mitteilte, fordern über 300 Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus 45 Ländern in einem gemeinsamen Aufruf Reformen von Exportrisiko-Agenturen. Solche Institutionen seien heute zur wichtigsten öffentlichen Quelle internationaler Finanzflüsse geworden, ohne dass die meisten von ihnen - darunter namentlich jene der Schweiz - über verbindliche soziale und ökologische Richtlinien verfügten. In der Erklärung fordern die NGO verbindliche Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsrichtlinien, den öffentlichen Zugang zu Projektinformationen und die Konsultation betroffener Bevölkerungsgruppen. NZZ. 23./25. 6.00 S. 21
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EU erleichtert Dual-Use-Exporte
Der EU-Ministerrat hat drei Entscheide getroffen, die den Export von sowohl militärisch als auch zivil verwendbaren Gütern (dual-use goods) erleichtern. Die EU legte eine Gemeinschaftsregelung für die Ausfuhrkontrolle von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck fest. Bisher beruhten derartige Kontrollen im Wesentlichen auf einer gemeinsamen Produkteliste und der gegenseitigen Anerkennung nationaler Exportlizenzen. Künftig soll der legale Handel mit diesen Produkten erleichtert werden. Die Kontrollen sollen sich auf "sensitive" Güter konzentrieren. Neu ist insbesondere, dass für die meisten dieser Güter eine "Allgemeine Ausfuhrgenehmigung der Gemeinschaft" eingeführt wird - mit Ausnahme einiger besonders heikler Kategorien. Diese harmonisierte Gemeinschaftslizenz gilt in der gesamten EU für Ausfuhren nach zehn "befreundeten Ländern. Bei den zehn Staaten handelt es sich um Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Polen, die Schweiz, die Tschechische Republik, Ungarn und die USA. Der Handel innerhalb der EU wird für manche Güter ganz liberalisiert; für andere, darunter der für die zum Knacken von Verschlüsselungscodes nötigen Technologien bleibt e genehmigungspflichtig. Hinter der Erleichterung stehen wirtschaftliche Interessen: das vergleichsweise liberale Exportregime begünstigt Hersteller in der EU gegenüber ihren Konkurrenten in den USA, die einem strengeren Regime unterworfen sind. NZZ. 24./25. 6. 00 S. 23
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EU-Mittelmeerländer
Anlässlich der Präsentation einer Bilanz des von 1996 bis 2000 laufenden Mittelmeerprogramms Meda fiel die Kritik der EU-Abgeordneten an der Durchführung des Programms vernichtend aus. Es bestehe ein krasses Missverhältnis zwischen der alle Priorität geniessenden Osterweiterung und dem Prozess von Barcelona, bei dem in den letzten Jahren kaum Fortschritte erzielt worden seien. Bezeichnend auch die Feststellung, dass die EU-Kommission bei Beibehaltung der derzeitigen Durchführungsrate noch acht Jahr brauche, um den Zahlungsrückstand aufzuarbeiten. Nur ein Drittel der bewilligten Gelder wurden gesprochen. Anfangs November 00 findet in Marseille die nächste Konferenz im Rahmen der EU-Mittelmeer-"Kooperation" statt. Dabei stellt sich der EU ein lästiges Problem: Nachdem Libyen der EU half, Geiseln aus den Philippinen zu befreien, können sie das bisher geächtete Land nur schwer länger vom Konferenztisch fernhalten. Um den Unwillen der US-Amerikaner nicht heraufzubeschwören, haben die Aussenminister der EU an ihrem jüngsten Treffen das Thema erst mal ausgeklammert. NZZ.6.9.00, S. 5
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Pressefreiheit in Europa
Nur elf Europarats-Länder respektieren die Pressefreiheit. Dies laut einem Bericht des Internationalen Presseinstituts (IPI). In vielen Mitgliedsländern des Europarates seien 1998 und 1999 unabhängige Medien politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt worden, teilte das IPI in einer Stellungnahme mit. Viele Regierungen von Europarats-Ländern drohten Journalisten mit Gewalt, Strafverfolgung und Gefängnis, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Auch wenn im jeweils nationalen Medienrecht dieser Länder die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Pressefreiheit garantiert sei, gebe es eine grosse Kluft zwischen "Rechtstheorie und Rechtspraxis", erklärt das IPI. Nach Angaben des IPI waren 1998 und 1999 in einigen Europarats-Ländern 24 Journalisten getötet, 59 inhaftiert und 48 bei ihrer Berichterstattung zensiert worden. (NZZ. 7.9.00, S. 5) Die 11 Länder ohne Meldungen bezüglich Verletzung der Pressefreiheit sind: Andorra, Dänemark, Island, Liechtenstein, Malta, Holland, Norwegen, Polen, Portugal, Slovenien und die Schweiz (http://www.freemedia.at/). Nur drei EU-Länder tauchen in dieser Liste auf! Bei einem X2-Test ist bei den westeuropäischen Ländern (ohne Slovenien und Polen, mit den EU-Ländern) der Zusammenhang zwischen Nicht-Mitgliedschaft und Respektierung der Pressefreiheit hoch signifikant (p-Wert: 0.002). (für entsprechende Tabellen, siehe pdf-Version S. 14)
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Brüssel fordert weitere Arbeitsmarkt-Deregulierung
Die jüngste Ausgabe des alljährlichen "Beschäftigungspaketes", das die EU-Kommission Anfangs September 00 angenommen hat, hält die Reformen auf den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten "noch immer für ungenügend". Die auf den Weg gebrachten Strukturreformen hätten die Anpassungsfähigkeit dieser Märkte gesteigert, doch die Regierungen müssten mehr tun. Dabei wird der schwache Rückgang der Arbeitslosigkeit im letzten Jahr von der EU durch die vorgenommene Liberalisierung erklärt! Die Arbeitsmarktlage sieht im Augenblick wie folgt aus: Die Arbeitslosenquote ist zwischen Juli 1999 und Juli 2000 von 9.1% auf 8.3% gesunken. Damit ist sie rund doppelt so hoch wie in den USA mit 4.0% und Japan mit 4.6%. Zudem stellen Langzeitarbeitslose noch immer fast die Hälfte aller Menschen ohne Job. Geschlechtsspezifische sowie regionale Unterschiede bestehen fort. Während die Arbeitlosenquote in Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Irland und Dänemark unter 5% liegt, verharren Finnland, Frankreich, Griechenland und Spanien bei Grössenordnungen von knapp 10% oder mehr - mit Spitzenreiter Spanien (14.2%). NZZ. 7.9.00, S. 23.
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Labours Schwenker auf Pro-Euro-Beitritt
Die Labour-Regierung hat es bisher vermieden, den Beitritt Grossbritanniens zur Euro-Zone ins Zentrum der nationalen politischen Debatte zu rücken. New Labour scheint jetzt allerdings die Strategie ändern zu wollen - mit folgenden "Argumenten": (1) Vorteile für Reisende, denen das Geldwechseln erspart bleibt, (2) Vorteile für Konsumenten durch grössere Preistransparenz, verschärften Wettbewerb und mögliche Preissenkungen. (3) die Hälfte des britischen Aussenhandels, der sich innerhalb der Euro-Zone abspielt, wird vom Wechselkursrisiko befreit, (4) Grossbriannien würde von der Mitgliedschaft in einer "Zone der makro-ökonomischen Stabilität" von der Grössenordnung der Vereinigten Staaten profitieren. NZZ, 31.8.00, S. 3
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Heftige Kritik an EU-Asylpolitik
In einer vom Uno-Flüchtlingshilfswert (UNHCR) in Auftrag gegebenen und am 7. Juli 00 in Genf veröffentlichten Studie wird die Asylpolitik der EU scharf kritisiert. Infolge der andauernden Verschärfung der Asylpolitik und der Einreisebestimmungen hätten politisch Verfolgte praktisch gar keine andere Möglichkeit mehr, als die Hilfe von Schlepperbanden in Anspruch zu nehmen, um in ein EU-Land einreisen zu können. Mit den immer restriktiveren Einreisebestimmung und den Kontrollen an den Grenzen werde zudem das Recht auf Asyl ausgehöhlt. Die EU trage wesentlich zur Ausweitung des Menschenhandels und des Menschenschmuggels bei. Der EU wird in dem UNHCR-Bericht vorgeworfen, das Asylrecht immer mehr den Interessen der Realpolitik zu opfern. Die immer systematischere Abschottung der Grenzen und die Inkraftsetzung praktisch unerfüllbarer Vorschriften für die Beschaffung einer Einreiseerlaubnis für politisch Verfolgte liessen Zweifel daran aufkommen, ob die EU Flüchtlinge überhaupt noch aufnehmen wolle. Unter der finnischen Präsidentschaft habe die EU in Tampere das Recht auf Asyl zwar grundsätzlich bekräftigt, in der Realität sei es für einen politisch Verfolgten inzwischen aber praktisch unmöglich, dieses Recht auch in Anspruch zu nehmen. NZZ. 8./9. 7.00, S.5
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Liberalisierung des EU-Bahnverkehrs
Das EU-Parlament beharrt auf einer schrittweisen Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs in der EU bis zum Jahr 2010. Die Mitgliederländer sollen verpflichtet werden, ihre Schienennetze für Bahnunternehmen aus allen EU-Staaten zu öffnen. Dies soll für den Güterverkehr uneingeschränkt gelten, für den Personenverkehr aber nur auf grenzüberschreitenden Strecken. Vorschläge des Ministerrats, Irland, Grossbritannien und Griechenland auf Grund ihrer geographischen Lage Ausnahmeregelungen einzuräumen, lehnte die Strassburger Versammlung ab. NZZ. 6. Juli 00, S. 23.
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EU-Urteil gegen die Frauenförderung in Schweden
In Schweden werden 11% der Professuren von Frauen besetzt (6.6% in der Schweiz). Diese vergleichsweise starke Position haben die schwedischen Wissenchafterinnen teilweise einer aktiven Förderungspolitik bei der Besetzung frei werdender Stellen zu verdanken. Gemäss schwedischem Recht können Frauen nämlich nicht nur gegenüber männlichen Konkurrenten mit gleicher Eignung bevorzugt werden, sondern es ist auch erlaubt, eine Kandidatin anstatt eines besser qualifizierten Mannes einzustellen, solange die Frau über "ausreichende" Fähigkeiten für die Arbeit verfügt. Diese Praxis wurde nun vom EU-Gerichtshof verboten. Eine Bevorzugung sei nur zwischen zwei Bewerbern mit gleicher Qualifikation zulässig, hielt das Gericht fest. Der sozialdemokratische Ausbildungsminister und die Gleichstellungsministerin bedauerten das Urteil. Frauen seien in ihrer Karriere durch eine strukturelle Diskriminierung behindert. Die Konsequenzen des Entscheids dürften recht einschneidend sein. NZZ. 8./9. 7. 00, S. 23
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Liberalisierung der letzten Meile
Die EU-Kommission will die Liberalisierung der "letzten Meile" der Telekommunikationsnetze forcieren. Ein ganzes Pakte von Vorschlägen zur Vereinfachung und Modernisierung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation enthält unter anderem einen Vorschlag für eine Verordnung zur Liberalisierung des Feinverteilnetzes. Die Kommission hofft, dass die Verordnung bereits per Ende Jahr in Kraft gesetzt werden kann. NZZ. 12.7.00, S. 21.
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Pro und Kontra humanitärer Interventionen
Im Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) führt der internationale Generalsekretär, der in Senegal geborene Pierre Sané, Argumente für und wieder humanitäre Interventionen an. Als eines der grössten Probleme bei bewaffneten Interventionen erachtet der Autor die oft undurchsichtigen Motive und die häufig offensichtliche Doppelmoral der beteiligten Regierungen. Wieso waren dieselben Nato-Staaten, welche Belgrad bombardierten, beim Beginn des Zerfalls von Jugoslawien bereit gewesen, Milosevic als Partner zu akzeptieren, obwohl sie von der eskalierenden Menschenrechts-Krise im Kosovo wussten? Zu den offensichtlichsten Beispielen von Doppelmoral zählt Sané das Eingreifen des Auslands in Osttimor bei gleichzeitiger Passivität gegenüber den verheerenden Entwicklungen in Tschetschenien. Angeführt wird auch, dass Israel im Gegensatz zu arabischen Staaten, wie dem Irak und Libyen, nicht in die Pflicht genommen werde, obwohl es Beschlüssen des Uno-Sicherheitsrates zuwiderhandle. Fraglich findet der AI-Generalsekretär zudem, dass die westlichen Regierungen auch bei Flüchtlingsbewegungen zweierlei Massstäbe anlegten. So seien aus Kosovo fliehende Personen auf weit mehr internationale Unterstützung gestossen als solche, die den Krisengebieten in West- und Zentralafrika zu entkommen versuchten.
AI spricht sich im Bericht weder für noch gegen humanitäre Interventionen aus, unterstützt aber den von Uno-Generalsekretär Kofi Annan aufgestellten Kriterienkatalog: Ausmass der Verstösse, Fähigkeit von innerstaatlichen Stellen zur Aufrechterhaltung der Ordnung, Ausschöpfung von friedlichen Mitteln und möglichst geringe und verhältnismässige Anwendung von Gewalt. AI fügt an, als erstes sei immer zu fragen, womit den Opfern am besten gedient sei. Komme es zu Interventionen, so mangle es oft an Konsequenz während des Eingreifens und am fehlenden Willen, genügend Ressourcen für die Phase danach bereitzustellen. Als Beispiel von erfolglosen Missionen, in deren Folge sich die Menschenrechtslage nicht wesentlich verbessert habe, nennt AI Kosovo, Angola und Somalia. Bei solchen Interventionen könne es auch vorkommen, dass die Menschenrechts-Standards von den Eingreifenden nicht eingehalten würden. Deshalb fordert die Organisation ein mit internationalen Menschenrechts-Standards in Einklang stehendes Regelwerk, welches beim Einsatz von Friedenstruppen angewendet würde. NZZ. 22.6.00, S. 5
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Kurden weiterhin keine kulturelle Eigenständigkeit
Die EU machte im Dezember 1999 konkrete Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abhängig von kulturellen Rechten für die Kurden, Meinungsfreiheit sowie die Abschaffung der Todesstrafe. Diese als Kopenhagener Kriterien bekannten Forderungen liessen in Kreisen türkischer Demokraten die Hoffnung aufkeimen, dass Ankara nun von der EU zu einem wirklichen Demokratisierungsprozess gezwungen werde. Seither ist ein Bericht des mächtigen, von den Generälen dominierten Nationalen Sicherheitsrates in die Presse durchgesickert. Darin werden die EU-Forderungen als subjektiv, übertrieben und für die Türkei ungeeignet bezeichnet. Den Kurden, heisst es, könne kein Minderheitenstatus eingeräumt werde, weil der Lausanner Vertrag aus dem Jahr 1923 die Kurden nicht als Minderheit definiere. Ferner könne Kurdisch als Unterrichtssprache oder in Radio- und Fernsehsendern nicht zugelassen werden, denn dies drohte die Einheit der Nation zu zerstören. Damit machte sich der Nationale Sicherheitsrat faktisch die alte, kemalistische Staatsräson zu eigen. Der politische Frühling, der nach der Einstellung der Kämpfe im Südosten sich bemerkbar gemacht hatte, droht damit einem abrupten Ende entgegenzugehen. Seit Mitte Juni werden landesweit Mitglieder der einzigen legalen prokurdischen Partei, Hadep, unter fadenscheinigen Gründen festgenommen. Eine Zeitung wurde verboten, weil sie zwei kurdische Wörter in einem Titel aufgenommen hatte. NZZ. 28.6.00, S. 3
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WTO-Reformen
Die jüngsten Vorschläge für WTO-Reformen zeigen, in welchem Ausmass das bisherige Entscheidungsprozedere völlig unhaltbar ist. Die Vorschläge streben vor allem mehr Transparenz im Konsultationsprozess an. Dieser läuft schon seit den Tagen des Gatt in ad hoc einberufenen kleinen Sonderausschüssen ab, da im Plenum mit mehr als 130 Mitgliedsländern keine rasche Einigung möglich ist. Weil vor allem in Seattle wichtigen Entwicklungsländern eine Teilnahme an diesen Ausschüssen vorenthalten blieb, oder schlimmer noch, die Einsetzung der Ausschüsse de facto geheim gehalten wurde, drängt sich nun eine verbesserte interne Informationspolitik auf. Ausschusssitzungen sollen künftig im Vornherein angekündigt werden. Interessierten WTO-Mitgliedern soll die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Meinung darin vorzutragen und das Resultat dieser Beratungen soll möglichst rasch im Plenum publik gemacht werden. Ausserdem soll verhindert werden, dass ein Land wider seinen Willen von einem anderen oder von einer regionalen Staatengemeinschaft im Ausschuss vertreten wird. NZZ. 19.7.00, S. 19.
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Verheugens Faux-Pas
Der deutsche SPD-EU-Kommissar Verheugen schlug Anfangs September 2000 bezüglich der Osterweiterung der EU eine Volksabstimmung in Deutschland vor. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hatte er unmissverständlich erklärt, über Verträge, die den Charakter eines Staates veränderten, sollte es Volksentscheide geben. Verheugen meinte wörtlich: "Meine These ist ja auch, dass man speziell in Deutschland den Fehler nicht wiederholen darf, der beim Euro gemacht wurde. Der wurde ja geradezu hinter dem Rücken der Bevölkerung eingeführt. Ich war damals für eine Volksabstimmung. Sie hätte die Eliten gezwungen, aus ihrem Elfenbeinturm herauszukommen und im Dialog mit den Menschen für den Euro zu werben. Nun, bei der EU-Erweiterung dürfen wir nicht wieder über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden. Über Verträge, die den Charakter des Staates verändern, etwa durch Abgabe von Souveränität, sollte es Volksentscheide geben. Gewiss, solche Referenden bergen Risiken. Dennoch bin ich dafür. Denn sie zwingen die Eliten, sich auch zu Hause mit der Europapolitik auseinander zu setzen und auf die Sorgen der Bevölkerung einzugehen. Und das ist bisher ja nicht der Fall. Allerdings ist ein solches Referendum derzeit in Deutschland nicht möglich. Dazu müsste die Verfassung geändert werden.".
Durch die deutsche Classe politique ging ein eigentlicher Aufschrei der Entrüstung. Namentlich Fischer wandte sich während Tagen vehement gegen Verheugens Vorschlag, obwohl der Aussenminster im Mai in seiner Berliner Rede zur Zukunft der EU noch deren mangelnde Akzeptanz als Folge fehlender Mitsprachemöglichkeiten der Bürger in der Union beklagt hatte. Er machte gegen ein Referendum den Vorwand geltend, eine bundesweite Volksabstimmung erfordere eine Verfassungsänderung. Dies sei schon aus historischen Gründen inakzeptabel. Fischer fürchtet, ein Referendum könnte die EU-Integration verlangsamen. Das von Fischer an anderer Stelle geforderte "Europa der Bürger" soll also möglichst ohne deren direkte Beteiligung zustande kommen. Weitere Vertreter der Grünen und der SPD erklärten, prinzipiell seien sie zwar durchaus für Volksbefragungen, nur nicht bei einer so brisanten Materie wie der EU-Erweiterung. NZZ. 6.9.00. S. 3 (Das Material eines grossen Teils der entsprechenden Diskussion findet sich im Gratisarchiv der Süddeutschen Zeitung unter http://www.szarchiv.de/
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